Schwimmen:Drei positive Dopingproben? Ich bin unschuldig!

Julija Jefimowa

Julia Jefimowa: Wieder positiv getestet

(Foto: dpa)

Mit der mehrfachen Weltmeisterin Julia Jefimowa wurde die nächste prominente Russin beim Dopen erwischt. Die Schwimmerin inszeniert sich als Opfer.

Von Saskia Aleythe

Wundern muss man sich jetzt nicht. Wer Julia Jefimowa im August vergangenen Jahres vor dem ZDF-Mikrofon sah und ihr vor allem lauschte, der bekam einen guten Eindruck von ihrer Einstellung zum Doping. Es waren gerade Schwimm-Weltmeisterschaften im russischen Kazan, die 23-Jährige kommentierte ihre erst kürzlich abgelaufene Dopingsperre so: "Ich vergleiche das immer mit dem Autofahren. Wenn Sie einen Führerschein haben, fahren sie irgendwann auch mal zu schnell, dann bekommen sie ein Knöllchen." Und dann fährt man eben weiter.

Julia Jefimowa ist weitergefahren, sie schnappte sich Gold über 100 Meter Brust in Kazan, doch sie war wieder zu schnell unterwegs - und diesmal wird das "Knöllchen" wohl ihr Karriereende bedeuten: Die Russin wurde nun als erste Weltklasse-Schwimmerin mit Meldonium erwischt, gleich zwei Proben wiesen die Substanz nach, nun ist sie vorerst provisorisch gesperrt. Was ihren Fall besonders dreist macht: ihre ewigen Ausreden. Julia Jefimowa sagt: "Ich habe Meldonium genommen." Aber auch: "Ich lehne Dopingvorwürfe kategorisch ab." Nun trainiert sie weiter für Olympia in Rio im August.

Meldonium also, das Mittelchen, das seit dem Jahreswechsel auf der Liste der verbotenen Substanzen steht und seitdem eine Welle an Dopingfällen beförderte, am prominentesten vertreten durch Tennisprofi Maria Scharapowa. Schon mehr als 100 Fälle hat es bis heute gegeben, auch in Russland scheint Meldonium weit verbreitet gewesen zu sein. Und so löst die neue Regel gerade chaosartige Zustände aus. Sportler, Trainer, Funktionäre: Jeder weist die Schuld von sich.

Die britische Zeitung The Times berichtet darüber hinaus über Hinweise auf systematisches Doping im russischen Sport - ein Drahtzieher im Dopingskandal um die russische Leichtathletik soll auch im Schwimmen aktiv gewesen sein. Bundestrainer Henning Lambertz findet: "Wenn alle Fakten dafür sprechen, dann kann ich nur befürworten, eine ganze Nation zu sperren." Der Umgang mit russischen Sportlern falle ihm schwer. "Wie soll ich einem Marco Koch oder Paul Biedermann sagen: Versucht, gegen die anzuschwimmen?"

"Ich wurde nicht gewarnt"

Nachdem sie sich zunächst gar nicht äußerte, gab Jefimowa nun in einem selbst gedrehten Video eine Erklärung ab. Hellblaues T-Shirt, die langen blonden Haare ragen aus dem Bild heraus, Jefimowa knetet die Hände, schluckt immer wieder. Sie sagt mit teils brüchiger Stimme: "Ich wurde nicht gewarnt, dass Meldonium seit Januar auf der Liste steht - weder von russischer noch von internationaler Seite. Weder mündlich, noch per E-Mail." Die arme Jefimowa: Kann schon wieder nichts dafür.

Sie habe Meldonium genommen, als es noch legal war. Zuletzt im Dezember, berichtete ihr Trainer Dave Salo. Am 15. und am 24. Februar 2016 wurde sie positiv getestet - warum die Substanz so lange in ihrem Körper geblieben sei, wisse sie nicht. Experten gehen davon aus, dass Meldonium kaum länger als eine Woche nachweisbar ist. Jefimowa glaubt da lieber an ein medizinisches Wunder. Interessant ist aber auch die Frage: Warum setzt Jefimowa das Mittel ab, wenn sie gar nicht weiß, dass es fortan verboten ist?

Wobei das mit dem Unwissen natürlich so eine Sache ist. Nun meldete sich der Präsident des Russischen Schwimm-Verbandes zu Wort, Wladimir Salnikow will den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen, man würde die Athleten nicht informieren. Alle Mitglieder seien schon im Oktober 2015 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass Meldonium ab Januar 2016 zu den verbotenen Substanzen gehöre. Auch das renommierte Blog Swimvortex.com berichtet von anderen russischen Athleten, die definitiv früh von der Regeländerung wussten.

Sie trainierte wohl schon Monate vor Ablauf ihrer Sperre

Die Causa Jefimowa belastet das Schwimmen seit Jahren, vor allem die, die sich faire Wettbewerbe wünschen. Bei der WM in Barcelona 2013 wurde sie Doppel-Weltmeisterin, keine acht Wochen später wurde sie zum ersten Mal positiv getestet: auf das anabole Steroid Dehydroepiandrosteron (DHEA). Ihre Erklärung damals: Ein Nahrungsergänzungsmittel, dass sie seit ihrer Jugend nimmt, sei dafür verantwortlich. Sie hätte einen Fehlkauf getätigt, als sie in Amerika einkaufte, ihr Englisch sei so schlecht.

Der Internationale Schwimmverband Fina nahm ihr das ab. Naiv ist das Wort, das im Urteil besonders oft vorkommt. Ihre Inszenierung als unwissende Athletin funktionierte, Jefimowas Sperre wurde von maximal 24 Monaten auf 16 reduziert - und als das Urteil im April 2014 gefällt wurde, musste sie nur noch zehn Monate ausharren, ihr WM-Start in Kazan war nicht in Gefahr. Und dann leistete sich Jefimowa gleich die nächste Regelwidrigkeit: Offenbar hatte sie schon Monate vor Ablauf ihrer Sperre wieder mit einem Profi-Coach trainiert. Bei ihrem Comeback schwamm sie gleich Weltjahresbestzeit.

Die internationale Konkurrenz hat längst genug von Jefimowa. Ruta Meilutyte, Olympiasiegerin aus Litauen, sagte vor dem Start der Russin bei der Heim-WM: "Ich habe Julia immer als eine meiner stärksten Gegnerinnen respektiert und es war eine große Rivalität zwischen uns. Aber jetzt sehe ich sie nicht mehr als aufrichtige ehrliche Kontrahentin." Über 100 Meter Brust führt Jefimowa derzeit die Weltjahresbestenliste an - vor Meilutyte. Dass sie bei Olympia tatsächlich aufeinander treffen, ist allerdings unwahrscheinlich: Sollte sich Jefimowa nicht doch noch als medizinisches Wunder herausstellen, wird sie nach der erneuten Dopingprobe wohl lebenslang gesperrt.

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