Schwimm-WM:Die einzige deutsche Medaille

Schwimm-WM: Franziska Hentke: Plan aufgegangen in Budapest

Franziska Hentke: Plan aufgegangen in Budapest

(Foto: AFP)
  • Schwimmerin Franziska Hentke erlöst sich bei der WM in Budapest mit Silber - schon oft hatten ihr bei großen Events die Nerven versagt.
  • Geholfen hat ihr dabei auch Handballbegeisterung und ein Gedanken-Trick.
  • Es wird wohl die einzige Medaille in Budapest bleiben. Philip Heintz übt vorsichtige Kritik am Zeitpunkt der deutschen Meisterschaft.

Von Claudio Catuogno, Budapest

Jetzt konnte Franziska Hentke das Geheimnis ja lüften. Das Geheimnis, wie sie sich diesmal nicht hatte einschüchtern lassen von der Kulisse einer Weltmeisterschaft. Wie sie sich sogar zu WM-Silber hatte tragen lassen von den entfesselten ungarischen Fans, die natürlich nicht für sie schrien, die deutsche Schmetterlings-Schwimmerin, sondern für Katinka Hosszu, die ungarische Olympiasiegerin drei Bahnen weiter. Hentke schwimmt für den SC Magdeburg, sie besucht oft die Bundesliga-Handballer des Vereins, und als sie in Budapest zum ersten Mal den Ruf der ungarischen Schlachtenbummler hörte, kam ihr der Rhythmus vertraut vor. "Ich hab' mir vorgestellt, die rufen ,Hier regiert der SCM'", erzählte Hentke später in der Duna Aréna und lächelte verschmitzt. Dann kamen ihr schon wieder die Tränen, es waren Tränen der Erleichterung.

"Hier regiert der SCM." Ein bisschen Autosuggestion hat noch nie geschadet im deutschen Schwimmen.

Franziska Hentkes Silber über 200 Meter Schmetterling war die erste Medaille für die Beckenschwimmer des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) bei dieser WM. Und sie bleibt die einzige. Philip Heintz, 26, den der Chef-Bundestrainer Henning Lambertz zuvor als "unser heißestes Eisen" bezeichnet hatte, war am Donnerstagabend nur Siebter geworden über 200 Meter Lagen (1:57,43 Minuten), mit mehr als einer Sekunde Rückstand auf Bronze. Gold holte der US-Amerikaner Chase Kalisz (1:55,56).

"Ich bin so glücklich, dass ich diese blöde Medaille jetzt hab'"

Das war der erste Rückschlag aus Sicht des DSV. Der zweite folgte prompt: Marco Koch, 27, der Weltmeister von 2015 über 200 Meter Brust, scheiterte im Halbfinale, als Elfter, und war dabei mit 2:09,61 Minuten noch mal deutlich langsamer als vor fünf Wochen bei den Deutschen Meisterschaften. Woran es liegt? Koch verteidigte jedenfalls weiter das umstrittene Kraftkonzept des Chef-Bundestrainers. Er habe im nacholympischen Jahr "viel probiert, viel umgestellt", sagte Koch, er glaube "weiterhin, dass wir auf dem richtigen Weg sind".

Sein deutscher Rekord aus dem Jahr 2014 (2:07,47) ist allerdings längst außer Reichweite. Und dann kam auch noch Pech dazu: Vor dem Start war die Innenhose seiner Badehose gerissen, "ich habe bei jedem Beinschlag Wasser hinten rein bekommen", sagte Koch. Wie viel das am Ende ausgemacht habe, wisse er auch nicht. Marco Koch wirkt gerade ziemlich ratlos.

Aber dann kam ja Franziska Hentke. Eine junge Frau, 28 Jahre inzwischen, von der ihr Trainer Bernd Berkhahn sagt, sie müsse manche Dinge eben "zwei Mal machen", ehe sie sitzen. Hentke findet, dass das stimmt, ohne dass sie jetzt erklären könnte, warum. Es stimmt eben. Wie schon vor zwei Jahren war Franziska Hentke also mit einer Weltjahresbestzeit zur WM gereist. Damals, in Kasan, hatte sie dann unter der Last der Erwartungen ihr Gefühl für das Rennen verloren. Auch Olympia in Rio ging daneben, so gesehen war es nun sogar schon Hentkes dritter Anlauf. Der allerdings lief perfekt.

Heintz kritisiert den Zeitpunkt der deutschen Meisterschaft

Ein abgeklärter Vorlauf, nach dem Hentke mitteilte: "War gar nicht anstrengend." Ein Halbfinale, das sie, ebenfalls ohne sich voll auszupowern, mit der besten Zeit aller Finalistinnen in den Endlauf katapultierte, auf Bahn Nummer vier - neben die Favoritin Mireia Belmonte. Wenn sie der auf den Fersen bleiben würde, müsste es reichen, das wusste Hentke. Und es reichte dann auch, mit 2:05,39 Minuten, knapp hinter der Spanierin (2:05,26), deutlich vor Katinka Hosszu (2:06,02).

"Glückwunsch an Franzi und ihren Trainer Bernd Berkhahn", sagte Henning Lambertz hinterher, "das haben die beiden irre hingekriegt. Ich freu' mich wahnsinnig." Gerade taktisch habe Hentke das "von A bis Z sehr gut gemacht, ganz clever, Hut ab". Gute Nachrichten kann der Chef-Bundestrainer gerade gebrauchen. Sein Führungsstil ist umstritten, sein Kraftkonzept ebenfalls. Und nicht alle haben das Gefühl, dass ihnen die Planungen des DSV wirklich optimale Bedingungen verschafft haben bei dieser WM.

Philip Heintz zum Beispiel stand am Donnerstagabend in der Mixed Zone, bekam kaum Luft und stöhnte: "Ich bin total alle, ich hab' definitiv alles gegeben, was ich hatte." Auch Heintz, der in Heidelberg von Michael Spikermann trainiert wird, war bei den Deutschen Meisterschaften Weltjahresbestzeit geschwommen, 1:55,76 Minuten, deutlich schneller als je zuvor.

Doch die Frühform konnte er nicht konservieren, nun äußerte er vorsichtig Kritik: "Ich mache ja das Höhenkonzept, und da liegen DM und WM definitiv zu nahe beieinander", rechnete er vor. "Wir hatten die DM explizit vorbereitet wegen der harten Normen" - also, um sich überhaupt zu qualifizieren. Deshalb lag Heintz' Höhentrainingslager vor der Qualifikation, nicht vor der WM. "Nächstes Jahr ist die Planung hoffentlich anders." Das soll sie tatsächlich sein: Lambertz plant dann ein Zeitfenster für die Qualifikation anstelle eines festen Termins. Was dann möglichst jedem individuellen Formaufbau gerecht werden soll.

Auch Franziska Hentke spricht auf Belastungen in der sauerstoffarmen Luft eines Höhentrainingslagers gut an. Bei ihr hatte die Form allerdings gehalten. Und so gab sie nun ein Beispiel dafür ab, warum Erfolge wichtig sind. Nicht für den Medaillenspiegel. Sondern als Motivation für weitere Erfolge. "Es ist so geil, dass sich die jahrelange Arbeit endlich ausgezahlt hat", schluchzte sie, "ich freue mich jetzt auf die Zeit bis Tokio." Sie sei "einfach glücklich, dass ich diese blöde Medaille jetzt hab'".

Blöde Medaille. Tolle Medaille. Und hier regiert der SCM.

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