Schwere Fußball-Manipulation im Libanon:Auffällige Rückpässe über 30 Meter

Lesezeit: 3 min

Offenbar an Manipulation beteiligt: Der Spieler Ramez Dayoub.  (Foto: REUTERS)

Ein deutscher Trainer und "ein Team, das Hunderttausenden Hoffnung gab", hätten Libanons Fußball endlich nach vorne bringen sollen - doch nun ist die halbe Nationalmannschaft des Landes wegen Wettbetrugs gesperrt. Es gilt als bewiesen, dass auch ein Spiel der WM-Qualifikation verschoben war.

Von Thomas Kistner

Es gibt diese Spiele. Die Mannschaft trainierte großartig, nach einer Woche konzentrierter Vorbereitung fragt sich der Coach nur noch, "wie hoch der Sieg ausfallen wird - und dann ist es bei Anpfiff plötzlich so, als hätte man bei der Hälfte der Spieler den Stecker rausgezogen", sagt Theo Bücker.

Der 64-Jährige hat einst viele Jahre in der Bundesliga gespielt, seit 2011 ist er Nationaltrainer im Libanon. Und hat dort keine Auswahl mehr - am Dienstag wurde fast die Hälfte des vielversprechenden Kaders wegen Spielmanipulation mit langen Sperren belegt. Zwei Leistungsträger, Mittelstürmer Mahmoud El-Ali und Abwehrchef Ramez Dayoub, wurden gar lebenslang verbannt; die Affäre reicht in die WM-Qualifikation hinein. Und der Weltfußball hat einen Sündenfall mehr - angesiedelt auf hoher internationaler Ebene.

Bücker zürnt. Er wird den Job in Beirut, wo er auch verheiratet ist, wohl dieser Tage aufgeben. Und die WM-Träume für 2014 begraben, wie schon einmal anno 2000: Auch damals war Libanons Fußball in einer Wettaffäre untergegangen. Der Spielbetrieb wurde ein Jahr ausgesetzt, Bücker zog damals nach Saudi-Arabien weiter.

Die neue Affäre umfasst 24 Spieler, plus einige Offizielle; verschoben wurden Partien in der Nationalliga, in Asiens Champions League und in der WM-Quali für 2014. Drei Monate, sagt Bücker, habe Chefermittler Fadi Zreiqat aus Jordanien Zeugen angehört, der Personenkreis umfasste 65 Leute. Angestoßen hatte den Fall der Hauptstadtklub Al Ahed, den die islamistische Organisation Hisbollah unterstützt.

"Die Leute dort waren so ehrlich zu sagen, da stimmt was nicht", so Bücker. Sie hätten bemerkt, "dass Durchschnittsspieler plötzlich zwei Frauen, Häuser, dicke Autos und viele Handys hatten". Kicker, die sonst mit dem Mofa zum Training kamen in einer Liga, in der Spitzenkräfte rund 150.000 Dollar im Jahr kassieren. "Die fragten sich, woher ihre Jungs das viele Geld haben."

Zugleich machte Bücker beunruhigende Beobachtungen bei seinen eigenen Schützlingen. Die mussten im Juni und November 2012 zweimal in der WM-Qualifikation gegen Katar ran - "keine schwere Aufgabe", dachte der Nationalcoach. Nun weiß er: Auch diese Ausscheidungsspiele waren manipuliert. "Es gibt keinen Beleg, dass Katar dahinter steckt", sagt er, "ich denke, die sind da außen vor. Aber ich kenne meine Spieler wie meine Kinder, und wir hatten drei, vier starke Leute dabei, die plötzlich 30 Meter zurück gespielt haben."

Katar richtet 2022 die WM aus. Dann droht dem Scheichtum die Peinlichkeit, erster Gastgeber zu sein, der nie selbst bei einer WM spielte. Dank des Libanon ist die Gefahr vorerst gebannt, Katar schlug Bückers Elf in beiden Partien jeweils durch ein Tor des Uruguay-stämmigen Stürmers Sebastian Soria mit 1:0 und liegt in der WM-Qualifikation mit sieben Punkten gleichauf mit Südkorea und Iran, einen Zähler hinter Usbekistan. Die Chancen auf ein WM-Debüt in Brasilien stehen gut.

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Bei der Partie in Beirut hatte Libanons nun lebenslang gesperrter Abwehrmann Ramez Dayoub Torschütze Soria den Ball per Rückpass in den Lauf serviert. Im Rückspiel traf Soria zwar aus 22 Metern, jedoch mit einem haltbaren Schuss, "nachdem er ganz allein durchs Mittelfeld traben durfte und zwei unserer Spieler im Höllentempo nach links und rechts wegrannten, statt anzugreifen", schimpft Bücker. Bei der Analyse der Videokassetten sah er "Grausames" - und kam zu dem Schluss, dass Dayoub "immer wieder Wege gesucht hat, Soria in gute Schussposition zu bringen".

Die neue Libanon-Affäre, von Fifa und Asien-Verband AFC bisher geräuschlos behandelt, soll Resultat der Aktivitäten eines malaysischen Wettsyndikats sein. Das war auch in Südkorea zugange, wo im Januar nicht weniger als 41 Spieler der K-League gesperrt wurden. Insgesamt wurden gar 46 Profis und zehn Offizielle von jeglicher Fußballtätigkeit weltweit verbannt.

Was für die in Europa virulente Wettmafia aus Singapur gilt, gilt auch für die malaysische Konkurrenz: Sie zahlt gut. Seine zwei lebenslang gesperrten Nationalkicker, sagt Bücker, sollen "in einer Saison eine bis eineinhalb Millionen Dollar verdient haben". Abwehrspieler Dayoub, der die Vorwürfe bestreitet, spielte für den malaysischen Klub Selangor FA, also dort, wo das Wettsyndikat sitzt und einen eigenen Spieler-Pool finanziert haben soll. Stürmer El-Ali war in Indonesien zugange, hat aber laut Bücker einen Schwager, der als Wettagent in Kuala Lumpur arbeitet.

Von dort brachte der Nationalstürmer eine Fachkraft fürs libanesische Betreuerteam mit, Dolmetscher Fadi Fensh. "Ein intelligenter, fünfsprachiger Junge", sagt Bücker, "ich war überzeugt von ihm." Der Dolmetscher wurde Dreh- und Angelpunkt des Nationalteams, "er zog dann die Fäden, verhandelte mit unseren und mit anderen Spielern. Er deichselte das Ganze administrativ, ohne dass wir es mitbekamen".

Bücker steht nun vor den Trümmern seiner Arbeit: "Ein Jammer. Wir haben aus dem Nichts eine Superatmosphäre und ein Team geschaffen, das Hunderttausenden Hoffnung gab." Der Verband wird seine Beweise an Interpol geben. Das Polizeiorgan tut sich in Malaysia vielleicht weniger schwer als in Singapur, wo es ein Bürozentrum baut - und erst nach öffentlichem Druck von Europol die örtlichen Behörden dazu bewegen konnte, den dortigen Wettpaten Dan Tan ins Gebet zu nehmen.

© SZ vom 28.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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