Schweizer 0:1-Niederlage :Lustlos in Dublin

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Laufen ihrer Form hinterher: Die Schweizer Ricardo Rodriguez (r.) und Granit Xhaka gegen den Iren McGeady. (Foto: imago)

Ein Gegentor nach 113 Sekunden, danach keine echte Torchance: Die Schweiz ist beim Härtetest in Irland von der EM-Form noch weit entfernt.

Von Thomas Schifferle, Dublin

Es sollte, das war der Plan, kein harmloses Freundschaftsspiel werden, sondern ein harter, aussagekräftiger Test für den EM-Teilnehmer Schweiz. Und ein Abend zum "Sammeln guter Gefühle", wie Torhüter Yann Sommer (Mönchengladbach) hoffte. Der Abend in Dublin wurde dann tatsächlich aussagekräftig, allerdings nicht so, wie es sich die Schweizer, allen voran Trainer Vladimir Petkovic, gewünscht hatten. Die Erkenntnis war schmerzhaft: In solch einer Verfassung brauchen die Eidgenossen im Sommer gar nicht erst zur EM zu fliegen.

Nach einer Unaufmerksamkeit von Verteidiger Timm Klose (früher Wolfsburg, jetzt Norwich), einem Kopfball von Ciaran Clark und erst 113 absolvierten Sekunden war das Spiel bereits entschieden - 1:0 für Irland. Die restlichen 96 Minuten im Aviva Stadium reichten nicht mehr zur Ergebniskorrektur. Denn auch das war am Karfreitag bezeichnend für die Schweizer: Sie hatten keine klare Torchance, nicht eine einzige, selbst gegen ein völlig neu formiertes irisches Team.

"Ich habe mir trotz der Probleme mehr erwartet"

Hinterher saß Petkovic im Presseraum, äußerlich gefasst, aber für seine Verhältnisse bilanzierte er recht kritisch. Nicht, dass er die Spieler gleich verteufelte, schließlich braucht er sie noch. Aber als er "eine gewisse Steigerung an Charakter" einforderte, hieß das auf den Punkt gebracht, wie schlecht die Einstellung war, wie mangelhaft die Leistungsbereitschaft in diesem Testspiel.

Präsenter sein, härter in den Zweikämpfen, sich mehr aufdrängen, zielstrebiger, produktiver sein - auch das waren Feststellungen des Trainers nach der fünften Niederlage in seinem 16. Spiel im Amt. Das Ergebnis überraschte angesichts der aktuellen Befindlichkeiten diverser Spieler allerdings nicht wirklich. Die Probleme einzelner Spieler seien ihm bewusst gewesen, sagte dann auch Petkovic.

Klose etwa, der im Winter nach Norwich in die Premier League wechselte und dort gegen den Abstieg kämpft, fehlt Selbstvertrauen. Der Frankfurter Haris Seferovic und Leverkusens Admir Mehmedi strahlten Lustlosigkeit aus, ebenso Wolfsburgs Ricardo Rodriguez und Granit Xhaka. Da ist ein bisschen viel auf einmal zusammengekommen und hat zu diesem emotionslosen, leidenschaftslosen, ideenlosen Auftritt geführt. Dennoch sagte Petkovic: "Ich habe mir trotz der Probleme mehr erwartet."

Dafür hätte es jedoch etwas von jenem Willen gebraucht, der zwischen dem 11. und 19. Juni in Frankreich nötig wäre, um gegen Albanien, Rumänien und Frankreich die Gruppenphase zu überstehen. Petkovic möchte da nicht mit Hängen und Würgen weiterkommen, sondern schon nach den ersten beiden Spielen im Achtelfinale stehen. Das ist, Stand jetzt, eine verwegene Vorstellung.

Das Warten auf ein Tor von Seferovic und Co.

Immerhin bleiben noch ein paar Wochen Zeit zur Korrektur - und drei weitere Probeläufe, der erste an diesem Dienstag in Zürich gegen Bosnien-Herzegowina. Interessant wird dann zu beobachten sein, wie die Mannschaft auf den verpatzten Dublin-Auftritt reagiert, ob sie überhaupt reagiert - oder ob die Spieler schon an das folgende Wochenende denken, an die Einsätze mit ihren Klubs, in denen es um Meistertitel, Plätze im Europacup oder den Kampf gegen den Abstieg geht.

Verteidiger Stephan Lichtsteiner (Juventus) sollte wieder zur Verfügung stehen, mit seiner Hartnäckigkeit und Antriebskraft ist er sehr willkommen. Xherdan Shaqiri (Stoke City) könnte seinen Wert für diese Gruppe unter Beweis stellen. Xhaka müsste zeigen, dass er auf seinem geliebten Platz im Zentrum dominanter auftreten kann. Und verschiedene Offensivspieler könnten wieder einmal ernsthaft den Versuch unternehmen, einen Treffer zu erzielen.

Die aktuelle Bestandsaufnahme bei Seferovic, Mehmedi und auch bei Breel Embolo (FC Basel) ergibt kein gutes Bild. Seferovic: letztes Tor im Verein vor vier Monaten, Mehmedi: letztes Tor vor vier Monaten, Embolo: letztes Tor vor viereinhalb Monaten. Im Nationalteam haben sie noch länger nicht getroffen, Seferovic gar seit einem Jahr. So gesehen tut der Ausfall von Josip Drmic (Hamburger SV) wegen seines Knorpelschadens im Knie besonders weh. Seine vier Tore sind eine unerreichte Ausbeute im vergangenen Länderspieljahr der Schweiz.

Am Ende des Abends wollte ein irischer Journalist von Petkovic noch wissen, ob er Gökhan Inler (Leicester City) vermisst habe. Petkovic sagte: "Wenn er in Form ist, ist er wichtig für jede Mannschaft. Heute hat er nicht gespielt. Sonst gibt es dazu keinen weiteren Kommentar." Der ausgemusterte Inler war immerhin der einzige Schweizer, der an diesem Abend nicht verloren hatte.

© SZ vom 27.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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