Schweiz:Shaqiris Suche nach sich selbst

Mit seinen knapp 25 Jahren wird es langsam Zeit, dass der Schweizer Nationalspieler wieder der Alte wird. Sein letztes wirklich gutes Spiel für die Nati absolvierte er 2014. Trainer Petkovic hält trotzdem zu ihm.

Von Thomas Schifferle, Lille

Xherdan Shaqiri war immer ganz vorne mit dabei, wenn es in Basel oder München etwas zu feiern gab. Er war oft ganz vorne mit dabei, weil er mit diesen Klubs viele Titel gewann, insgesamt fünf Meisterschaften, vier nationale Pokale und 2013 die Champions League. Er war begehrt als Werbeträger, er zierte zusammen mit Lionel Messi das Cover eines Videospiels. Shaqiri war hier, da, überall, und das gefiel ihm. Im Nationalteam gab es nur einen Liebling der Massen: ihn.

Als mit dem Aufstieg die öffentliche Erwartungshaltung größer wurde und er in die Kritik geriet, als er plötzlich nicht mehr von Erfolg zu Erfolg flog, entgegnete er während der WM vor zwei Jahren: "Das nervt mich grausam. Niemand muss erwarten, dass ich die entscheidenden Dinge allein mache." Danach wurde Shaqiri zum Suchenden. "Ich bin glücklich, hier zu sein", sagte er, als er im Januar 2015 bei Inter landete; "ich bin wirklich glücklich, hier zu sein", meldete er ein halbes Jahr später, als er in der Abgeschiedenheit von Stoke-on-Trent gelandet war. In England durfte er wenigstens wieder spielen, mehr als in den zwei Jahren zuvor. Die persönliche Bilanz blieb trotzdem überschaubar: 32 Einsätze, drei Tore, nur elf Spiele über die volle Zeit.

Im Nationalteam ist er immer unumstritten geblieben, unter Ottmar Hitzfeld und heute unter Vladimir Petkovic, ob er jetzt gut oder eben immer öfter schlecht gespielt hat. Die Erinnerung mag gerne einmal trügen, aber in seinem Fall tut sie das nicht. Sein letztes überragendes Länderspiel, das letzte eben, das seinem Status entsprechen würde, lieferte er bei der WM gegen Argentinien ab - zwei Jahre liegt das bereits zurück.

Bonus für Shaqiri und Petkovics schützende Hand

Der frühere Nationalspieler Stéphane Henchoz glaubt, dass Shaqiri einen Bonus bei Petkovic hat und am Mittwoch beim 1:1 gegen Rumänien nur deshalb nicht schon vor der 90. Minute ausgewechselt wurde. "Bei Shaqiri denken doch viele: Eine Aktion genügt, und er sorgt damit für den Unterschied", sagt Henchoz.

Der letzte Shaqiri­-Moment ist aber auch schon ein Jahr her, als er beim 2:1 in Litauen kurz antrat und den knappen Sieg sicherte. Seither hat er in neun Länderspielen nicht mehr getroffen. Henchoz fragt sich deshalb: "Macht er alles, was er kann, um die optimale Leistung am Spieltag abzurufen?" Einst verzückte Shaqiri mit seiner Unbeschwertheit, heute verwirrt er eher mit seinen Leistungen.

Auch er muss spüren, dass sein Status gelitten hat: Granit Xhaka ist daran, sich zum Chef aufzuschwingen, Breel Embolo ist der neue Liebling der Fans. Petkovic hält aber weiter seine schützende Hand über ihn. Er sagt: Shaqiri habe sich wie die ganze Mannschaft gesteigert; Individualisten hätten es bei dieser EM schwer; er sei zufrieden, dass sich Shaqiri als wesentlicher Teil des Teams verstehe und viel für sie arbeite. Und er sagt: "Wenn es bei der Mannschaft läuft, kann auch ein einzelner Spieler mehr aus sich herauskommen."

Bevor das Turnier begann, konnte man erwarten, Shaqiri wolle es als Bühne für einen Transfer zu einem größeren Club nutzen, wie das Xhaka mit Arsenal geglückt ist. Es wird aber langsam Zeit, dass er mit seinen knapp 25 wieder der Alte wird. Das Spiel gegen Frankreich wäre ein perfekter Anfang.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: