Schweiz:Sforza liebt sich wieder selbst

FC Thun vs Hapoel Beer Sheva

Zurück nach dreieinhalb Jahren: Ciriaco Sforza, zuletzt Trainer beim FC Thun - auf dem Bild 2015 gegen Hapoel Beer Sheva -, ist nun Coach beim eher unbedeutenden FC Wil.

(Foto: Peter Schneider/dpa)

Der frühere Bayern-Profi nahm sich als Trainer eine längere Auszeit. Mit Hilfe eines Psychologen meisterte er die Krise, jetzt ist er zurück auf der Bank des FC Thun.

Von Tobias Schächter, Thun/München

Es ist ein kleines Ehemaligen-Treffen, das da am Sonntag in Thun, dem Tor zum Berner Oberland stattfindet: Einst spielten Ciriaco Sforza und Markus Babbel zusammen beim großen FC Bayern München, nun trainieren sie in der kleineren Schweiz: Ciriaco Sforza ist Trainer des FC Thun, Markus Babbel beim FC Luzern. Während in Deutschland die Bundesliga erst in zwei Wochen beginnt, läuft in der Schweiz am Wochenende mit der Begegnung Thun gegen Luzern schon Spieltag 3. Und wenn die ersten Eindrücke nicht täuschen, erlebt die Schweizer Super League die gleiche Aufführung wie in den letzten sechs Spielzeiten, als Branchenführer FC Basel jeweils die Meisterschaft gewann.

Der Serienmeister vom Rheinknie siegte zum Auftakt drei Mal, am Samstag mit 3:0 gegen den FC Sion. Der Vizemeister Young Boys Bern, der von vielen Experten als größter Herausforderer von Basel ausgerufen wurde, ist nach drei Runden immer noch sieglos, am Samstag in St. Gallen kamen die Berner erneut über ein Remis nicht hinaus. Und in der Europa-League-Qualifikation stehen die Berner nach dem 1:3 gegen Monaco schon früh vor dem internationalen Aus.

Der Etat beträgt nur elf Millionen Franken pro Saison

Es liegt also wieder eine gewisse Langeweile über dem Start der Super-League, in der nur zehn Klubs antreten und jede Mannschaft viermal gegeneinander spielt, nur der Tabellenletzte steigt nach 36 Spieltagen ab. Außer in Basel bewegen sich die Zuschauerzahlen selten im fünfstelligen Bereich, aus der TV-Vermarktung kassieren die zehn Erstliga Klubs nur je rund 700.000 Franken fix plus eventuelle Prämien. Aber der selbst von örtlichen Pharmaunternehmen und reichen Bürgern sowie den Gelder aus der Champions-League und teuren Transfers ihrer Spitzenspieler in größere Ligen gefütterte FC Basel hat nur einen Gesamtumsatz wie ein durchschnittlicher Bundesligaklub: rund 100 Millionen Franken, etwa 94 Millionen Euro sind das. Der FC Luzern dagegen generiert laut Insidern nur einen Gesamtumsatz von rund 20 Millionen Franken - also so viel wie ein durchschnittlicher Zweitligaverein in Deutschland -, dem FC Thun stehen sogar nur rund elf Millionen Franken pro Saison zur Verfügung.

Warum trotz Champions-League-Garantie dennoch immer die besten Spieler den FC Basel nur als Durchgangsstation für eine höhere Liga betrachten, erklärte jüngst der Schweizer Internationale Fabian Frei nach seinem Wechsel zum FSV Mainz 05. Es sei einfach Zeit gewesen für einen neuen Impuls, sagte Frei. Zuletzt hatte der 26-Jährige nachgezählt und festgestellt, schon 16 Mal in Sion oder Thun gespielt zu haben. "Wenn man mal anfängt zu zählen, dann wird es Zeit für Veränderung. Und von der Liga her ist die Bundesliga natürlich ein Sprung nach oben", sagt der gebürtige Thurgauer.

Auch Ciriaco Sforza hat einst als Spieler die Eidgenossenschaft verlassen und entwickelte sich beim 1. FC Kaiserslautern, dem FC Bayern und bei Inter Mailand zu einem Star des internationalen Fußballs. Sforza gab den vorausdenkenden Strategen auf dem Platz, neben dem Spielfeld wirkte er verschlossen, auf viele sogar arrogant, auch in der Schweiz war er trotz seiner großen Karriere in den besten Tagen nicht ein Mann für die Herzen der Fans.

Ciriaco Sforza ist mittlerweile 45 Jahre alt, er ist etwas rundlicher geworden um die Hüften. Zum Saisonstart vor zwei Wochen gegen die Grasshoppers aus Zürich erlebte er eine bittere 3:5-Niederlage, in der Halbzeit lag seine Elf vom FC Thun sogar mit 1:5 zurück. Es war eine vermaledeite Rückkehr ins Rampenlicht für Ciriaco Sforza. Aber er gab sich danach nicht niedergeschlagen, nicht verschlossen. Offen und auskunftsfreudig plauderte er mit den Reportern nach dem verpatzten Debüt. "Früher hätte ich zu viel in eine solche Niederlage hineininterpretiert. Aber ich habe meine Entwicklung gemacht, heute bringe ich die Dinge auf den Punkt, und dann geht es weiter", sagt Sforza.

"Ich war platt, total ausgelaugt, es ging nicht mehr"

Früher, das war vor seiner Krise, in die er nach dem Aus als Trainer bei den Grasshoppers 2012 geschlittert war. Sforza hat sich im damaligen Führungs-Chaos bei den Grasshoppers zu viel aufgehalst, erzählen langjährige Beobachter. Er trennte sich damals von seiner Frau und stand am Rande seiner Belastungsfähigkeit. In einem bemerkenswert offenen Interview im Zürcher Tagesanzeiger vor einem halben Jahr sprach Sforza über seine Krise. "Ich war platt, total ausgelaugt, es ging nicht mehr. Meine Kraft war aufgebraucht, ich benötigte zwingend eine Auszeit. Das Ganze hatte mich krank gemacht. Ich bin froh, dass ich mir das eingestehen konnte und nichts vorspielte", erklärte er. Er bekam Weinkrämpfe, wenn er alleine mit sich war. Schließlich nahm er sich eine Auszeit vom Fußball und überwand mit der Hilfe eines Psychologen die Krise. Anderthalb Jahre lebte er ohne den Fußball, in der schnelllebigen Machowelt dieses Sports kann das das Karriereende bedeuten. Sforza aber sagt, er habe in seiner Auszeit gelernt, sich selbst zu lieben. All das offen auszusprechen, verdient Respekt. Gerade bei einem, der als Spieler immer verschlossen wirkte und dem Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, einst wenig freundlich nachrief, er sei ein "Stinkstiefel".

Sforza ist heute mit sich im Reinen, er ist noch einmal Vater einer Tochter geworden. Ende 2013 übernahm er in seinem Geburtsort Wohlen, einer 15 000 Einwohnergemeinde im Kanton Aargau, den heimischen FC, wo auch sein Sohn Gianluca spielt. Sforza rettete das Team vor dem Abstieg aus der zweiten Liga und führte es an die Tabellenspitze. Aber aus finanziellen Gründen stellte der Klub keinen Lizenzantrag für die Super League.

Nun also ist Sforza wieder zurück auf der größeren Bühne der Super League, die für so viele schon Sprungbrett für die großen Ligen war. Auch für Trainer. Sein Vorgänger in Thun, Urs Fischer, trainiert nun den FC Basel, von dem der Portugiese Paulo Sousa zum AC Florenz weiterzog. In Thun will Sforza offensiver spielen lassen, als es der Klub und die Mannschaft in den letzten Jahren gewohnt waren. Nach einem 0:0 gegen den FC Vaduz am vergangenen Donnerstag besteht noch die Chance, in der kommenden Woche in Liechtenstein beim Super League-Konkurrent in der Europa-League eine Qualifikationsrunde weiterzukommen. Ciriaco Sforza sagt, es mache ihm Spaß, in der Schweiz zu trainieren und mit den vielen Talenten zu arbeiten.

Darauf will er sich jetzt konzentrieren, das Spiel des FC Thun und gegen den FC Luzern steht für ihn im Fokus. Aber wie sein Trainerkollege Markus Babbel hätte auch Ciriaco Sforza mittel- und langfristig sicher nichts dagegen, wenn gute Arbeit in der Schweiz das Pfand für den Sprung in eine größere Liga wie der Bundesliga wahrgenommen werden würde.

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