Schweinsteiger:Plumpe Fälschung

Germany v Hungary - International Friendly

Bastian Schweinsteiger beim Spiel gegen Ungarn.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ein unscharfes Foto zeigt Bastian Schweinsteiger scheinbar mit Übergewicht. Englands Boulevard spottet.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Vor ein paar Tagen bekam Bastian Schweinsteiger die Tücken des Zeitalters der digitalen Medien zu spüren. Ein anonymer Urheber schickte ein verschwommenes Bild vom Trainingsplatz der Nationalelf in Ascona herum, das durch zwei Merkmale bestimmt wurde: Einerseits durch seine Bildqualität, die so mies war, dass sie gerade deshalb so authentisch wirkte wie ein Geheimdokument. Andererseits durch sein spektakuläres Motiv, denn das Foto zeigte einen Schweinsteiger, der ungefähr so viel Übergewicht zu haben schien wie einst der ägyptische König Faruk. Dieser war berühmt dafür, dass er sich vorwiegend von Kartoffelchips ernährte, wozu er literweise Cola trank.

Um den Absatz von Chips hat sich auch Schweinsteiger als Werbefigur verdient gemacht - sollte da eine ungesunde Beziehung entstanden sein? Prompt wurden aus Ascona Texte verbreitet, die Zweifel am Idealgewicht des DFB-Kapitäns äußerten, und im englischen Boulevard hieß es, der Deutsche habe - es lebe das Klischee - zu viel Sauerkraut gegessen und sei zu dick.

Am Samstagabend wurde das vermeintliche Beweisstück in Gelsenkirchen als plumpe Fälschung entlarvt. Schweinsteiger ist zweifelsfrei nicht so dick, wie es König Faruk war. Allerdings ist er augenscheinlich derzeit auch nicht ganz so glanzvoll proportioniert wie zum Beispiel seine gleichaltrigen Mitspieler Gomez und Podolski. Eine gewisse Gedrungenheit kennzeichnet seine Statur, dies ist freilich für erfahrene Schweinsteiger-Forscher keine Neuigkeit.

"Der erste Schritt war wichtig", weiß Bundestrainer Löw

Es ist schon möglich, dass der 31-Jährige in den paar Tagen vor der EM noch ein wenig Gewicht abbauen muss, und dass der DFB vorsorglich die Kartoffelchips aus seiner Minibar im Mannschaftshotel in Evian entfernen lässt. Aber dieses Thema ist gewiss kein Anlass zur Unruhe für den Bundestrainer. Joachim Löw zeigte sich stattdessen in der Arena auf Schalke zufrieden, dass er seinen Kapitän endlich wieder unter den Aktiven begrüßen durfte: "Der erste Schritt war wichtig", sagte Löw.

Seit Mitte März, seit seinem letzten (Kurz-)Einsatz für Manchester United, hatte der knieverletzte Schweinsteiger diesen Schritt aufs Feld nicht mehr gehen können, insofern war der Einsatz eher eine fortgeschrittene Reha-Maßnahme als ein seriöser Härtetest: "Es war richtig, ihn lediglich 30 Minuten zu bringen, nicht länger, damit nichts passiert", erklärte Löw. Toni Kroos machte dazu einen kleinen Scherz über seinen bewährten Nebenmann: "Er war zumindest mal so weit, dass er ein paar Minuten unverletzt geschafft hat."

Der Applaus des für jede Abwechslung dankbaren Publikums in Gelsenkirchen war dem Rückkehrer sicher. Die Taten, die er in der knappen halben Stunde seines Mitwirkens vollbrachte, blieben zwar von überschaubarer Bedeutung. Aber viel mehr hatte auch niemand verlangt: "Er gibt der Mannschaft mit seiner Persönlichkeit Sicherheit, das auf jeden Fall", hob der Bundestrainer hervor, als spräche er über einen verdienstvollen Staatsmann.

Schweinsteiger versicherte, er sei körperlich "definitiv" besser in Schuss als während der Vorbereitung auf die WM vor zwei Jahren. Er räumte ein, dass seine Einsatzfähigkeit über die volle Spieldauer im Moment noch nicht absehbar sei: "Aber 25 Minuten, eine halbe Stunde, auch eine Halbzeit könnte schon gehen." Löw kann sich erlauben, dem Kapitän weitere Praxisübungen in kleinen Dosierungen zu gewähren, der neue EM-Modus mit reduziertem Schwierigkeitsgrad zu Beginn macht es möglich, den Mittelfeldchef etappenweise heranzuführen. Doch es klang durchaus auch nach einer Ermahnung, als Löw abschließend feststellte: "Die Spielpraxis und den hohen Trainingsrhythmus - das muss er sich weiterhin erarbeiten."

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