Schürrle-Transfer nach Wolfsburg:Richtig viel Geld muss es sein

Mit allem Drum und Dran kostet der Wechsel von Weltmeister André Schürrle den VfL Wolfsburg 50 bis 60 Millionen Euro. Die Bundesliga steigt in den Markt der Großtransfers ein. Ist das verrückt?

Von Carsten Eberts, Wolfsburg

Am Dienstagabend wird André Schürrle nicht im Wolfsburger Kader stehen. Bis wenige Stunden vor Ende der Transferzeit hatte sich das Feilschen mit dem FC Chelsea hingezogen. Zu spät für Trainer Dieter Hecking, der Planungssicherheit schätzt. Schürrle spiele in Frankfurt noch "keine Rolle", erklärte Hecking. Das klang wie: Soll er erst mal kommen und sich anständig vorstellen, der 32-Millionen-Mann.

Schürrle wird am Dienstagabend trotzdem präsent sein. Seine Verpflichtung hat eine Debatte laut werden lassen, wie teuer Fußballspieler in Deutschland sein dürfen - und ob von einigen Vereinen nicht viel zu viel Geld bezahlt wird. Denn Schürrle kostet nicht nur mehr als 30 Millionen Euro Ablöse: Gehalt, Handgeld, Beraterhonorar und Bonuszahlungen lassen das Gesamtvolumen auf zwischen 50 und 60 Millionen Euro steigen.

Ist das verrückt? Für einen 24-jährigen Ergänzungsspieler des FC Chelsea? Ja, gewiss. Doch für weniger Geld gibt es die richtig guten Spieler kaum noch.

Die Wolfsburger können solche Summen ausgeben, da sie eine hundertprozentige Tochter des VW-Konzerns sind, für den so viele Millionen Euro offenbar machbar sind. Auch der FC Bayern, der finanziell die Maßstäbe setzt in diesem Land, hat im Sommer 28 Millionen Euro für den marokkanischen Verteidiger Medhi Benatia gezahlt, was Branchenbeobachtern sehr großzügig vorkam. Aber Pep Guardiola wollte einen versierten Abwehrspieler, der Markt galt als leer. Also musste Benatia beim AS Rom ausgelöst werden.

32 Millionen für Schürrle, 28 für Benatia - das sind Spieler, die vor ein paar Jahren vielleicht knapp über zehn Millionen Euro gekostet hätten. Da wirken die zwölf Millionen, die Borussia Dortmund gerade für Kevin Kampl hingelegt hat, schon ein wenig knauserig. Wobei Kampl vor fünf Jahren auch eher ein Drittel davon gekostet hätte.

Viele können diese Summen nicht verstehen. Heribert Bruchhagen etwa, der Vorstandsvorsitzende des Ligarivalen Eintracht Frankfurt, moserte öffentlich. Sicher, Schürrle sei ein sehr guter Spieler, ein Weltmeister, mit 24 Jahren noch entwicklungsfähig. Bruchhagen findet jedoch: "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. 32 Millionen, ja wo sind wir denn gelandet?" Er könne das Gesamtvolumen des Transfers theoretisch nachvollziehen, sagte Bruchhagen, nicht ohne hinzuzufügen: "Mir ist das ein bisschen unheimlich."

Allofs verteidigt die Schürrle-Summe

Überdimensionierte Transfers sind sonst aus anderen Ländern bekannt. Wenn bei Real Madrid ein Präsidentschaftswahlkampf ansteht oder Paris Saint-Germain von einem Scheich übernommen wird, der als kleiner Junge in einen Geldtopf gefallen ist. Lange galt die Annahme, dass Spitzenkicker in anderen Ligen deutlich mehr Geld verdienen können. So gab Manchester City in der vorvergangenen Saison etwa 86 Prozent seines Umsatzes für Gehälter aus (Quelle: BuliFinance). Da lagen die Bayern (47,1 Prozent) und der BVB (39 Prozent) deutlich dahinter.

Doch auch in Deutschland steigen die Gehälter. Die halbe Liga besorgt sich frisches Geld, hat Aktionäre in den Verein geholt, Profiabteilungen ausgegliedert - zuletzt der Hamburger SV, bald auch Stuttgart und Köln.

Nun soll Schürrle in Wolfsburg geschätzte sechs Millionen Euro pro Jahr verdienen. Und was auch mit hineinspielt: Gerade haben die Bundesliga-Spielerberater im deutschen Profifußball ein Rekordjahr verzeichnet. Laut Spiegel haben sie in der vergangenen Saison erstmals über 100 Millionen Euro verdient. Wechselt ein Spieler den Klub oder verlängert er seinen Vertrag, verdienen die Berater kräftig mit.

Klaus Allofs, der Wolfsburger Manager, verteidigt das Vorgehen seines Klubs. Er finde die Diskussion "seltsam", sagte Allofs am Dienstag: "Wir müssen heute Verträge machen, mit denen wir die Spieler drei, vier Jahre binden. Das hat auch solche Summen zur Folge." Für die Kritik aus der Liga habe er "kein Verständnis". Allofs freut sich auf einen Weltmeister im Team, VW über den Werbeeffekt. Viele andere Klubs werden solle Summen nie zahlen können. Dafür muss man Dauergast in der Champions League sein oder einen vermögenden Mäzen respektive einen Weltkonzern im Rücken haben.

In einem Dilemma stecken Vereine wie Schalke oder Dortmund. Sie wollen den Abstand nach ganz oben, wo aktuell Bayern und Wolfsburg stehen, verkürzen - und sind auch bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Der Schürrle-Transfer zeigt nur, dass Geld ausgeben nicht reicht: Es muss richtig viel Geld sein. In Wolfsburg trifft Schürrle nun auf Kevin De Bruyne, den vor ziemlich genau einem Jahr die halbe Bundesliga verpflichten wollte. Auch der Belgier ging nach Wolfsburg, weil der Klub mit 22 Millionen Euro lukrativste Angebot machte. Nun müssen sie nur noch gut zusammen spielen, der 32- und der 22-Millionen-Mann.

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