Schuberts Vertrag:Chef nach 53 Tagen

Aus der Not zum Bundesliga-Trainer: Gladbach befördert Interimscoach André Schubert.

Der Niederrhein hat einen goldenen Herbst hinter sich. Die Sonne schuf eine wundervolle Auswahl bunter Blätter, und beim Erstligisten Borussia Mönchengladbach passte der Fußball zu diesem Wetter: Viele Siege und Tore weckten nach einem welken Saisonauftakt unter Trainer Lucien Favre endlich wieder Begeisterung beim Publikum. Verantwortlich dafür war der Aushilfstrainer André Schubert - als Belohnung hat Schubert nun am Freitagmorgen, nach 53 Tagen als Interimstrainer, einen Vertrag als Chefanweiser unterschreiben dürfen. Anschließend leitete er seine erste Einheit als offizieller Bundesliga-Trainer. Die Bedingungen: Regen und Wind, dann wieder ein bisschen Sonne. Das Wetter konnte sich nicht entscheiden. Ähnlich wechselhaft war in den vergangenen Wochen auch die Gemütslage des Gladbacher Sportdirektors Max Eberl gewesen. Erst verdunkelten ihm Wolken den Horizont, dann drehte plötzlich und unerwartet der Wind, und es schien fast nur noch die Sonne. In einer Sonntagnacht vor acht Wochen hatte der Trainer Favre eigenmächtig Eberls Klub verlassen, im Schockzustand ernannte man den Übungsleiter der Amateurmannschaft zum vorübergehenden Boss des Bundesliga-Teams. "Ich hatte damals nicht im Kopf, André Schubert zum Chef zu machen", sagte Eberl am Freitag ehrlich. Schubert hatte zuvor beim SC Paderborn und beim FC St. Pauli nicht gerade überwältigende Referenzen erworben. Auf St. Pauli erzählte man sich danach, Schubert mangele es unabhängig von seiner fachlichen Kompetenz (Jahrgangsbester im Trainerlehrgang 2004) an Empathie.

Womöglich hat Manager Eberl auch wegen Schuberts Ruf in der Branche etwas gezögert, den 44-Jährigen zum Cheftrainer zu ernennen, aber jetzt bekommt Schubert eine neue Chance. "Mit den Resultaten, mit der positiven Resonanz von den Spielern und mit seiner Art ist er im Laufe der Zeit zum Kandidaten für den Cheftrainerposten erwachsen", sagt Eberl jetzt. "Das war ja so gar nicht absehbar", findet auch der Trainer Schubert selbst, der zuletzt betont demütig agierte. "So ein Zirkus wegen einer Unterschrift", witzelte er am Freitag, als nach dem Training eine Traube von Journalisten auf ihn wartete. Vor dem Training hatte Schubert einen bis 2017 gültigen Vertrag unterschrieben. Die Laufzeit ist ein Jahr kürzer als jener nun hinfällige Vertrag, den Schubert zuvor als Gladbacher Amateurtrainer besessen hatte. Eberl findet aber, dass "ein Zweijahresvertrag für einen neuen Trainer im ersten Schritt normal und fair" ist.

Schuberts Vertrag: André Schubert hat es vom Übergangs- zum Chefcoach geschafft.

André Schubert hat es vom Übergangs- zum Chefcoach geschafft.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Schuberts Bilanz der vergangenen acht Wochen hat den Ausschlag für seine Beförderung gegeben: sechs Siege und ein Unentschieden (21:6 Tore) in der Bundesliga, in der man binnen sieben Wochen vom letzten auf den sechsten Platz geklettert ist, ein 2:0-Pokalsieg bei Schalke 04 sowie zwei Unentschieden gegen Juventus Turin und eine 1:2-Niederlage gegen Manchester City in der Champions League, in der man das Achtelfinale nicht mehr erreichen kann. "André Schubert hat unser Spiel weiter nach vorne verlagert, die Spieler sagen, dass sie ihn verstehen, und er hat angedeutet, dass er die Elf entwickeln kann", sagt Eberl. Keineswegs habe er Schubert aus Zeitdruck oder nur für die Öffentlichkeit befördert. "Ich hätte noch genug Formulierungen in petto gehabt, um die Öffentlichkeit noch weitere sechs Wochen hinzuhalten", sagte Eberl grinsend.

In den vergangenen Tagen haben die beiden vor allem noch über Grundsätzliches gesprochen: wie man Fußball spielen wolle, dass man auf junge Spieler setzen werde, wie man gedenke, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Es soll nach oben gehen, aber man will es mit dem Tempo und den Erwartungen nicht übertreiben. "Es ist noch einiges zu tun, es gibt noch viel Potenzial", sagt Schubert jetzt und bedient damit Eberls Pläne. Schubert selbst will kein Saisonziel nennen und verrät, man habe "nur intern" eines.

Gladbacher Trainer

Hans Meyer 9/1999 - 3/2003

Ewald Lienen 3/2003 - 9/2003

Holger Fach 9/2003 - 10/2004

Dick Advocaat 11/2004 - 4/2005

Horst Köppel 4/2005 - 5/2006

Jupp Heynckes 5/2006 - 1/2007

Jos Luhukay 2/2007 - 10/2008

Hans Meyer 10/2008 - 5/2009

Michael Frontzeck 6/2009 - 2/2011

Lucien Favre 2/2011 - 9/2015

André Schubert seit 9/2015

Am kommenden Samstag spielt Gladbach gegen Hannover um den Anschluss an die Bundesliga-Spitzengruppe sowie vier Tage später gegen den FC Sevilla in der Champions League um den dritten Gruppenplatz, der immerhin den tröstlichen Wechsel in die Europa League bedeuten würde. Im Dezember bekommen es die Gladbacher dann noch mit Bayern München, Manchester City und Bayer Leverkusen zu tun sowie im DFB-Pokal-Achtelfinale mit Werder Bremen. "Wir wollen in der Bundesliga weitere Spiele gewinnen, im Pokal weiterkommen und in der Europa League überwintern", nennt Schubert drei kurzfristige Ziele, an denen er sich nun messen lassen muss.

Die Borussia hat gerade ihre kiloschwere Vereinschronik um die Jahre 2010 bis 2015 erweitert. Es sind die erfolgreichen Favre-Jahre. Die Chronik wird dereinst mit einem Kapitel über den Cheftrainer Schubert weitergeschrieben. Dann wird klar sein, wie lang und erfolgreich dieses Kapitel wird.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: