Schottland-Remis gegen England:Ekstase bis zum Schock

England's Harry Kane scores their second goal

In letzter Minute gleicht Harry Kane für England aus und wendet eine Blamage für die Three Lions ab.

(Foto: Russell Cheyne/Reuters)
  • Das kleine Schottland steht vor einem Sieg gegen England.
  • Die Spieler und Zuschauer jubeln schon.
  • Doch dann trifft Harry Kane - und Schottland weiß nicht, ob es lachen oder weinen soll.

Von Sven Haist, Glasgow

Leigh Griffiths war am Ende nur noch allein auf dem Fußballplatz, er machte sich auf den Weg zur Ehrenrunde vor den im Stadion verbliebenen Zuschauer. Eigentlich klingt das ja nach ein paar glücklichen Minuten, Griffiths war der Mann des Abends, zweimal traf er per Freistoß. Doch glücklich war er trotzdem nicht. Weil seine Schotten kurz vor Schluss noch den 2:2-Ausgleich gegen den ungeliebten Nachbarn England kassierten.

Um 18.41 Ortszeit am 10. Juni 2017, da lachte Griffiths noch. Denn da schien für Schottland der erste Erfolg über England seit November 1999 und der erste im heimischen Nationalstadion seit 1985 zum Greifen nahe. Aus 20 Metern zirkelte der Stürmer Griffiths von halblinks mit seinem linken Fuß den Ball über die Mauer ins Tor (89.). Weil er dieses Kunststück schon 170 Sekunden zuvor aus spiegelverkehrter Position aufgeführt hatte (87.), lag Schottland nach dem Gegentreffer von Alex Oxlade-Chamberlain (70.) mit 2:1 vorne.

Griffiths jubelte mit ausgebreiteten Armen, die Fans jubelten natürlich mit - es war ein Stück schottische Ekstase, die sich an diesem Samstagabend beobachten ließ. Im Hintergrund lief "Just can't get enough" von Depeche Mode. Doch dann kam Harry Kane (bei seinem Debüt als Kapitän), ein humorloser englischer Angreifer. Er stoppte die Fete viel schneller als gedacht mit seinem Ausgleich (90.+2) in der Nachspielzeit.

Trotz der Enttäuschung sagte Nationaltrainer Gordon Strachan: "Eine phänomenale Leistung von uns. Man kann nicht mehr tun, als wir getan haben." Zwischen beiden Nationen liegen in der Weltrangliste ja 48 Plätze. England bleibt damit auch in der Tabelle der Gruppe F weiter vorne. Die Schotten dagegen hadern wieder einmal. Traditionell schaffen sie es ja, die sowieso niedrigen Erwartungen zu enttäuschen. Seit der WM 1998 in Frankreich hat Schottland die folgenden neun Großereignisse verpasst. Böse sind die Fans den Spielern trotzdem nicht. Sie werfen sich ja in jedes Spiel wie kaum ein anderes Team.

Nur beim Ausgleich ist es ruhig im Stadion

Bereits den zweiten Ballkontakt der Engländer nach Anstoß fing Griffiths ab. Danach grätschte Kapitän Scott Brown, 31, der die Spielmitte kontrollierte wie King Kong, gemeint ist die Affenfigur, seinen jungen Widersacher Dele Alli, 21, um. Nach elf Minuten lagen die Schotten mit 4:0 nach Ecken vorne. Zum Plan des Außenseiters gehörte es, den unreifen, aber technisch so übermächtigen Gegner mit Wucht und Hingabe zu beeindrucken.

Als Gegenmaßnahme ließ Englands Trainer Gareth Southgate vor der Partie seine Spieler mit den Marine-Streitkräften des Vereinigten Königreichs üben. Statt im fünf-Sterne-Luxuscamp verbrachte das Team eine Nacht in Exmouth, wo die Royal Marines ihr Quartier besitzen. Bei einer Trainingseinheit mussten sich die sportlichen Multi-Millionäre in Wehrdienstausrüstung durch brusthohen Schlamm kämpfen.

Schottland baute dagegen auf seine Fans: Im Stehen verfolgte der Großteil der 48 520 Zuschauer das 114. Aufeinandertreffen der Erzrivalen. Selbst in der Halbzeitpause verließ niemand seinen Platz; Ruhig war es nur einmal: nach dem Ausgleichstreffer in der Schlussminute.

Das Unentschieden lässt Schottland mit acht Punkten auf Rang vier zurück. Eine realistische Chance besteht nur noch auf die Teilnahme an den Playoffs. "Der Punkt könnte noch ein großer werden", sagte Torschütze Griffiths. Er lächelte wieder.

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