Schmiergeldaffäre:IOC beobachtet die Fifa

Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees will sich auf ihrer Sitzung am Wochenende in London mit der Schmiergeldaffäre der Fifa beschäftigen. In erster Linie sieht das Komitee jedoch die Fifa zum Handeln gezwungen. Neue Kritik am Fifa-Boss kommt ausgerechnet von einem Ex-Mitarbeiter. Auch Franz Beckenbauer wehrt sich.

Joseph Blatter bleibt unter Beobachtung. Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees will sich auf ihrer Sitzung am Wochenende in London mit der Schmiergeldaffäre der Fifa beschäftigen. Die Causa werde auf den Tisch kommen, kündigte IOC-Präsident Jacques Rogge am Montag an.

Blatter im Kreuzfeuer der Kritik

Fifa-Präsident Blatter: Kein Ende der Kritik

(Foto: dapd)

Der schwer beschädigte Boss des Fußball-Weltverbandes muss sich an diesem Dienstag vor seinem Exekutivkomitee erklären und gegen Rücktrittsforderungen wehren. Dabei sollte die Sitzung eigentlich der Startschuss für einen Reformkurs sein. Und der Deutsche Fußball-Bund weist Blatters Andeutungen, bei der WM-Vergabe für 2006 sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen, weiter heftig von sich.

Das Führungsgremium der Fifa will ausgerechnet jetzt den Ethik-Kodex verabschieden und die Vorsitzenden der beiden Kammern der Ethikkommission einsetzen. "Die Sitzung des Exekutivkomitees ist eigentlich anberaumt worden, um den Reformprozess zu verabschieden. Aber diese Sitzung ist total überschattet von dem, was jetzt öffentlich geworden ist", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor dem brisanten Treffen und nach den Enthüllungen in der ISL-Affäre, wo Bestechungsgelder geflossen sind.

Der ehemalige FIFA-Direktor Guido Tognoni erhob derweil schwere Vorwürfe gegen Blatter, nachdem dieser in einem Interview am Wochenende Unregelmäßigkeiten bei der WM-Vergabe für das Turnier 2006 angedeutet hatte. "Sepp Blatter war immer dabei. Wenn Sepp Blatter den Deutschen jetzt irgendwelche Vorwürfe macht, dann treffen die auf ihn zu. Denn er hätte ja das Ganze stoppen können, wenn es unsauber gelaufen wäre. Dann hätte er sagen müssen: So geht es nicht", sagte der Schweizer im ARD-Morgenmagazin.

Der Fifa-Chef habe jedes Detail bei der WM-Vergabe im Juli 2000 an Deutschland gewusst: "Jetzt im Nachhinein zu kommen, das finde ich etwas billig." Gegen Blatter selbst will das IOC solange nicht ermitteln, solange die Fifa sich damit beschäftigt, teilte ein IOC-Sprecher mit: "Die Fifa hat eine neue ethische Kommission eingerichtet, die ist jetzt gefordert."

Nachträgliche Sanktionen gegen den Fifa-Ehrenpräsidenten Joao Havelange, der im Dezember als IOC-Mitglied zurückgetreten war, schloss Rogge aus. "Herr Havelange ist kein IOC-Mitglied mehr und fällt damit auch nicht unter IOC-Regeln. Herr Havelange ist als Mitglied zurückgetreten und kann deshalb auch kein Ehrenmitglied werden", sagte der Belgier.

Havelange war durch seinen Rücktritt dem Ausschluss aus der Ringe-Organisation wegen seiner Verwicklung in die Korruptionsaffäre um die inzwischen insolvente Schweizer Marketingfirma ISMM/ISL zuvorgekommen. Der Brasilianer hatte ebenso wie sein Schwiegersohn Ricardo Teixeira umstrittene Provisionen in Millionenhöhe eingestrichen.

Der deutsche Ligapräsident Reinhard Rauball hatte Blatter telefonisch zum Rücktritt aufgefordert. Niersbach reagierte zunächst entsetzt auf die jüngsten Enthüllungen, zeigte sich aber gelassen, was Blatters Andeutungen um die WM-Vergabe für 2006 angingen. Er sprach auf "Sky Sport News HD" von "komischen Nebelkerzen" des Fifa-Präsidenten und meinte: "Wir haben da sauber gearbeitet."

Auch Franz Beckenbauer wehrte sich als WM-Organisationschef erneut: "Klarstellung: Das Abstimmungsergebnis für die WM 2006 war 12:11 (nicht 10:9) und die enthaltene Stimme war schriftlich Deutschland zugesichert", twitterte der "Kaiser" am Montag. Er erinnerte damit daran, dass das Votum im Juli 2000 nicht 10:9 ausgegangen war, wie Blatter behauptet hatte. Der inzwischen verstorbene Neuseeländer Charles Dempsey hatte vor der Abstimmung den Saal verlassen.

Das in den Akten der Staatsanwaltschaft Zug belegte Ausmaß der Fifa-Korruptionsaffäre hat dennoch weltweit für Aufregung gesorgt. Gerade deshalb misst Exekutivmitglied Theo Zwanziger der Exekutivsitzung große Bedeutung bei. Denn die auf der Agenda stehende Verabschiedung des Ethik-Kodex und die Einsetzung der Vorsitzenden der beiden Kammern der Ethikkommission sollen ein Signal für die Erneuerung im Weltverband setzen.

"Die nunmehr öffentlichen Informationen beweisen leider in negativer, aber auch eindrucksvoller Weise, wie zwingend notwendig der aktuelle Reformprozess bei der Fifa und wie wichtig die Schaffung einer komplett unabhängigen Ethikkommission und eines klaren Ethikreglements ist", sagte Zwanziger der Nachrichtenagentur dpa. Nachdem in der Vorwoche die unappetitlichen Details der Schmiergeldaffäre um den ehemaligen Fifa-Präsidenten João Havelange und dessen brasilianischen Landsmann Ricardo Teixeira bekanntgeworden waren, erhofft sich der frühere DFB-Präsident frischen Wind bei der Aufarbeitung.

"Ich bin zuversichtlich, dass die von Professor Pieth für den Vorsitz der beiden Kammern vorgeschlagenen Personen bestätigt werden, sofort ihre Arbeit aufnehmen und sich auch dieser Sache - komplett unbeeinflusst von der Fifa - noch einmal annehmen", sagte Zwanziger. In einer juristisch ähnlichen Konstruktion wie beim Deutschen Fußball-Bund mit dem Sportgericht und dem Kontrollausschuss soll nun die Ethik-Abteilung des Weltverbandes arbeiten.

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