Schlammschlacht bei der Fifa:Auf der Suche nach dem verlorenen Geld

Können 190.000 Dollar einfach verschwinden? Eigentlich wollte die Fifa mit dem Geld den Erdbebenopfern in Haiti helfen, doch dort sind die Spenden nie angekommen. Nun werden Vorwürfe gegen Ex-Funktionär Warner laut. Der schlägt zurück - und es stellt sich die Frage: Warum geht der Fußball-Weltverband ausgerechnet jetzt an die Öffentlichkeit?

Thomas Kistner

Eine Schlammschlacht tobt seit Monaten zwischen dem Fußball-Weltverband Fifa und seinem langjährigem Vorständler Jack Warner, nun wird die Sache bizarr. Die Fifa geht öffentlich auf die Suche nach 250.000 Dollar, die sie Warner Anfang 2010 zweckgebunden als Erdbeben-Hilfe für Haiti überwiesen hatte. Doch nur 60.000 Dollar sollen in dem verwüsteten Karibikstaat angelangt sein.

Jack Warner Fifa

Jack Warner war lange Zeit für den nord- und mittelamerikanischen Kontinentalverband Concacaf zuständig. 2011 gab er seine Ämter wegen Korruptionsvorwürfen ab - seitdem tobt ein heftiger Streit zwischen Warner und Fifa-Präsident Joseph Blatter.

(Foto: REUTERS)

Bis zur Klärung des Verbleibs der restlichen Gelder greift nun offenbar Sippenhaft, die Fifa bezahlt dem Fußballverband von Trinidad & Tobago (TTFF) kein Geld mehr aus. Spannende Fragen ranken sich um die jüngste Verwerfung: Wohin floss das Spendengeld? Und warum geht die Fifa der unappetitlichen Sache öffentlich erst nach, seit ihr Warner den Fehdehandschuhe hinwarf?

Warner war für den TTFF offiziell als Berater tätig, de facto war er der Chef. Zugleich regierte Warner seit 1990 den nord- und mittelamerikanischen Kontinentalverband Concacaf. Die Ämter gab er nach Korruptionsvorwürfen gegen ihn im Juni 2011 ab; seither läuft ein verzehrender Streit zwischen ihm und Fifa-Präsident Joseph Blatter. Warner will den Schweizer mit seinem Wissen aus dem Fifa-Innersten zu Fall bringen. Das rückt den Zeitpunkt der Fifa-Untersuchung in den Blickpunkt.

Haiti war am 12. Januar 2010 von der Naturkatastrophe heimgesucht worden, mehr als 300 000 Menschen kamen ums Leben. Auch im zerstörten Gebäude des haitianischen Fußballverbandes starben 30 Menschen. Sogleich forderte Warner, der auch Chef der karibischen Verbands-Union CFU ist, die Nothilfe bei der Fifa an. Sie landete auf einem TTFF-Verbandskonto. Haitis Fußballchef Yves Jean-Bart beklagt nun, bei ihm seien nur 60 000 Dollar angekommen. Warner habe stets beteuert, das Geld sei jederzeit verfügbar, er habe es aber nie voll überwiesen.

Überprüft wird auch der Verbleib weiterer 500 000 Dollar, die der Fußballchef von Südkorea, Chung Mong-Joon, als Erdbebenhilfe aufs Konto nach Trinidad geschickt hatte. Damals warb Südkorea um die Ausrichtung der Fußball-WM 2022. Von diesem Geld, so Haitis Jean-Barth, sei nie ein Dollar auf der verwüsteten Insel angekommen.

Warner schlägt zurück

Erst im Herbst, so die Sunday Times, habe die Fifa in Trinidad nachgefragt, wo das Geld sei, aber keine befriedigende Antwort erhalten. Zu der Zeit tobte bereits der Zwist Warners mit der Fifa, er droht Blatter mit Enthüllungen über dessen Amtsführung und Wahlkämpfe. Warner hatte als Chef des Concacaf stets sein 35-Stimmen-Paket an Blatter abgeliefert. Dafür, sagt er, sei er mit TV-Rechten belohnt worden. Vor der Präsidentenwahl 2011 schlug sich Warner allerdings auf die Seite von Blatters Herausforderer Mohamed Bin Hammam. Beiden wurde ein Sonderkongress der CFU zum Verhängnis, bei dem Karibik-Funktionäre Geldkuverts erhalten hatten. Kurz vor der Wahl suspendierte die Fifa ihre zwei Vizepräsidenten. Warner trat zurück, Hammam wurde lebenslang gesperrt.

Im Januar führte Warner einen heftigen Schlag gegen die Fifa. Er legte dar, diese habe ihm seit 1990 die WM-Fernsehrecht für die Karibik regelmäßig fast geschenkt. Er legte eine Notiz von Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke vor, in der ihm der oberste Hauptamtliche mitteilt, hier sei der Vertrag, unterschrieben vom Präsidenten, das Papier sei noch nicht durch die Gremien gegangen. Die Fifa bestätigte die Authentizität dieser Notiz, ließ aber deren Kontext offen. Was die Frage aufwirft: Gab es mehr solcher Vereinbarungen? Zu Warners Vorwürfen erklärte sie sich nur ausweichend. Dabei erlöste Warner spätestens seit der WM 2002 Millionenprofite aus dem Rechte-Weiterverkauf.

Da stellt sich die Frage, warum die Causa Haiti erst jetzt auf die Agenda rückt. Haitis Fußballchef habe die üble Kunde so spät mitgeteilt, heißt es. Warum er fast zwei Jahre klaglos wartete, ist nicht bekannt. Warner ist seit langem berüchtigt für Insidergeschäfte, die ihn reich gemacht haben: mit TV-Rechten, WM-Tickets oder Jugend-Turnieren, die er auf seine Insel holte. Die Fifa nahm ihn öfter gegen Bereicherungsvorwürfe in Schutz.

Als Reaktion auf die Vorwürfe schickt Warner nun Mails von Mitarbeitern herum, die angebliche Hilfsmaßnahmen für Haiti beschreiben. Warner, der in Trinidad & Tobago das Amt des Arbeitsministers bekleidet, teilt mit, er betrachtet den Vorgang als nächste Eskalationsstufe zwischen sich und der Fifa: "Die Fifa untersucht aus gut bekannten Gründen erst jetzt, wie das Haiti-Geld verwendet wurde. Ich habe ihr keinen Rat zu geben." Er kündigt aber an: "Mein Tag wird noch kommen. So sicher, wie die Nacht auf den Tag folgt."

Warner sagt, er verfolge zurzeit mit Interesse den Rückzug eines weiteren langjährigen Fifa-Vorstandskollegen, der wie er auf bestem Fuß mit Blatter stand. Tatsächlich wird im WM-Land 2014 spekuliert, dass sich Brasiliens Fußballchef Ricardo Teixeira noch diese Woche aus seinen Ämtern zurückzieht; er präsidiert auch dem WM-Organisationskomitee. Mit Blatter ist Teixeira über kreuz. Der Ex-Schwiegersohn von Blatters Vorgängers Joao Havelange hatte ja selbst lange auf das Fifa-Spitzenamt gehofft. Dort aber will Blatter ab 2015 seinen getreuen Zögling Michel Platini sehen.

Gegen Teixeira laufen in der Heimat Ermittlungen wegen des Verdachts auf Veruntreuung und Geldwäsche. Es heißt, er werde das Land verlassen und in sein Haus nach Boca Raton in Florida übersiedeln, Frau und Tochter leben schon dort. Und Warner hofft, dass er bald Schützenhilfe erhält - von einem weiteren Gefallenen des Systems.

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