Scharping bleibt Radsport-Präsident:Der Politprofi wendet seine Niederlage ab

Bundeshauptversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer

Eine überzeugende Rede bei der Bundeshauptversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer: Rudolf Scharping.

(Foto: dpa)

Kein Neubeginn, sondern Stillstand im Bund Deutscher Radfahrer: Mit großer Mehrheit bestätigt der Verband Rudolf Scharping im Amt des Präsidenten und watscht die Reformerin Sylvia Schenk ab. Von neuen Impulsen im Anti-Doping-Kampf ist deshalb nicht auszugehen. Immerhin stimmt das Geld.

Rudolf Scharping bleibt für vier weitere Jahre Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Der 65-Jährige setzte sich am Samstag auf der Bundeshauptversammlung in Gelsenkirchen gegen Herausforderin Sylvia Schenk überraschend deutlich mit 411 zu 156 Stimmen durch. Zudem gab es 26 ungültige Stimmen oder Enthaltungen. Scharping ist seit 2005 im Amt, Schenk hatte dem BDR von 2001 bis 2004 vorgestanden. "Ich nehme die Wahl an und werde mich bemühen", sagte Scharping.

Angesichts der vielen Dopingenthüllungen wurde die Wahl mit Spannung erwartet. Der BDR stand vor einer Richtungsentscheidung - und hat sich entschieden.

Wofür Scharping steht, hat er im Dezember in seiner "Jahresbilanz " wieder dargelegt, als er von 30 Titeln für den BDR und einem "Jahr voller Highlights" schwärmte. Vom Kernthema des Radsports kein Wort. Auf den Fortschritt des Blutpasses für die Athleten verweist er hierzu im Zweifel gern, und auf Mitgliederzuwachs. Dabei steht die Ära Scharping, abgesehen von finanziellen Nöten des BDR, für alles andere als eine konsequente Anti-Doping-Haltung.

Kein Neustart, sondern Stillstand, dazu eigene Affären im BDR, das wird mit Scharping in Verbindung gebracht. 2007 stellte eine Prüfgruppe des Innenministeriums gravierende Versäumnisse des BDR in der Dopingbekämpfung fest. Auch bei den Sportlern ist Scharping unten durch. "Seine Wiederwahl wäre kein gutes Signal", erklärte Mountainbike-Olympiasiegerin Sabine Spitz. Er habe "den facettenreichen Radsport nicht entscheidend nach vorne gebracht. In Sachen Anti-Doping kann ich auch keine allzu progressive Haltung erkennen, auch zur UCI gibt es nur eine zögerliche Haltung."

Dennoch gewann der frühere Verteidigungsminister (SPD) die Wahl deutlich. In einer flammenden und rhetorisch gewieften Rede überzeugte er in Gelsenkirchen offenbar viele Zweifler. In seiner Bewerbungs-Rede erklärte der Politprofi Scharping: "Als 2006 die Jahre der Depressionen anfingen, habe ich mir nicht vorstellen können, wie hart das wird" und hob besonders seine Verdienste in der Gewinnung von Sponsoren hervor. "Der Radsport braucht eine wirtschaftliche Grundlage. Wer nicht klar und professionell ökonomische Fragen beantworten kann, läuft in Schwierigkeiten."

Gegenkandidatin Sylvia Schenk, im Vorstand der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International aktiv, konzentrierte sich in ihrer Rede wohl zu sehr auf die Stärkung des Anti-Doping-Kampfes sowie eine verbesserte Kommunikation.

"Ich bin kein Automat, ich mache Fehler“

"Die Dopingdiskussion überlagert alles", sagte die 60-Jährige, die dem bisherigen Präsidium vorwarf, die eigene Vorreiterrolle nicht glaubwürdig zu verkaufen. "Wenn man eine solche Geschichte wie den Fall Lance Armstrong hat, muss man vielleicht mehr leisten als andere. So unfair das klingt." Schenk war 2004 als Präsidenten des BDR wegen Verwerfungen beim Thema Doping und ihrer kritischen Haltung zum Radsport-Weltverband UCI als Präsidentin zurückgetreten. Jetzt trat sie als Reformerin an.

Doch den Gesandten der Landesverbände war dies zu wenig. Scharpings Fähigkeiten im Akquirieren von Geldmitteln - neben seinem Amt im Radsport ist er als Strategieberater für deutsche und chinesische Firmen zuständig - überzeugte mehr. Der BDR habe 2009 und 2010 vor dem finanziellen Kollaps gestanden, "wir haben das hinbekommen", so Scharping.

Da passte es ins Bild, dass für das Geschäftsjahr 2012 ein Gewinn von 65.000 Euro sowie als Eigenkapital 250.000 Euro ausgewiesen wurden. Beides Werte, mit denen Scharping punktete. Auch den Vorwurf mangelnder Kommunikation versuchte er abzuwenden. Dabei durften sich auch seine internen Gegner wie etwa Hans Lutz, Verbandspräsident Württemberg, oder Toni Kirsch aus Nordrhein-Westfalen angesprochen fühlen. "Wenn man als Team arbeiten will, muss man das wirklich wollen", sagte Scharping.

Beim Thema Anti-Doping wurde Scharping, der viel gestikulierte, nicht müde, die Verdienste des BDR sowie seine eigene Position zu unterstreichen. Der BDR sei der erste Verband, der sich für Blutprofile ausgesprochen habe, der erste Verband, der das Chaperon-System eingeführt habe. Auch seien regelmäßig Präventionsprogramme eingeführt und konsequent fortgesetzt worden. Nichtsdestotrotz räumte Scharping ein: "Wir haben viele Probleme und müssen vieles verbessern. Ich bin kein Automat, ich mache Fehler", sagte Scharping und warb für sich: "Ich trete manchmal Leuten auf die Füße. Wenn Sie Entscheidungen machen, schauen Sie sich die gesamte Bilanz an und nicht auf den Fuß, auf den ich getreten bin."

Scharping hatte Ende Februar angekündigt, nicht mehr für das Amt des BDR-Präsidenten zur Verfügung zu stehen. Den Beteiligten galt das früh als taktische Koketterie, die allerdings dazu führte, dass nun in seiner Vorgängerin, der Juristin und früheren 800-Meter-Läuferin Sylvia Schenk, eine glaubwürdige Alternative gegen ihn antrat.

Kurz darauf revidierte Scharping seine Entscheidung. Von besonderer Bedeutung seien zahlreiche Anrufe und E-Mails gewesen, die er in den vergangenen Tagen erhalten habe. "Darunter Nachrichten von 13 der 17 Landesverbandspräsidenten", sagte Scharping. Eine Aussage, mit der er den späteren Wahlausgang prophezeite.

Linktipp: Liveblog zur Wahl in Gelsenkirchen.

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