Schalkes Trainer Jens Keller:Sehnsucht nach einer Idee

Training & Press Conference - Schalke 04

"Lasst ihn seine Arbeit machen, er steht nicht in Frage": Schalkes Trainer Jens Keller.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Müde, resigniert und ohne Witz: Das Spiel des FC Schalke 04 ist häufig so trist wie das öffentliche Auftreten des Trainers. Auch vor dem Champions-League-Spiel in Bukarest bleibt Jens Keller daher das Dauerthema.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Horst Heldt ist laut eigener Aussage mit Armin Veh befreundet. Am Samstag freuten sich die beiden über ein herzliches Wiedersehen, bevor Frankfurts Trainer auf der Pressekonferenz erzählte, wie er das 3:3 gegen den FC Schalke 04 erlebt hatte. Seine Erzählungen waren zwar nicht so wertvoll, dass man sie für Forschung und Lehre erhalten müsste, aber sie hatten brauchbaren Gehalt und einen guten Klang, und er hat sie genauso vorgetragen, wie man Veh kennt: lässig, mit Charme und Humor.

Dass er mit Jens Keller befreundet wäre, hat Horst Heldt noch nie behauptet. Das wird ihm nur deshalb von Schalker Fans und anderen Kritikern nachgesagt, weil der Manager den 43-jährigen Fußball-Lehrer vor einem Jahr vom Trainer der B-Jugend zu den Profis befördert hat, und weil sich die Wege der beiden Männer schon früher beim VfB Stuttgart gekreuzt hatten.

Am Samstag nun saßen Keller und Veh nebeneinander auf demselben Podium, während Heldt an der Wand lehnte und zuhörte. Die beiden Trainer trugen keinen rhetorischen Wettstreit aus, aber es war unvermeidlich, den Unterschied festzustellen.

Dass die öffentliche Rede nicht zu Kellers Talenten gehört, fiel schon am ersten Tag seines Engagements in Schalke auf, bloß ist es seitdem nicht besser geworden. Am Anfang mochte man dieses Defizit für sekundär halten - ein Trainer sollte nicht durch Unterhaltungswert, sondern durch seine Arbeit punkten. Mittlerweile drängt sich aber die Ansicht auf, dass er seine Mannschaft ebenso wenig zu inspirieren vermag wie die Zuhörer im Presseraum.

Zwar wurden noch nie in der Geschichte des Fußballs Spiele auf Pressekonferenzen entschieden. Doch das trostlose Bild, das Keller auf diesen Veranstaltungen abgibt, lässt sich nicht mehr trennen von dem Fußball seiner Mannschaft, Analogien sind offensichtlich: Keller strahlt ein vorsätzliches Desinteresse aus, er formuliert achtlos und stereotyp, seine Antworten sind oft von erschütternder Belanglosigkeit.

Dass sein Team in Frankfurt, so wie vor Wochen beim 3:3 in Hoffenheim, eine verheißungsvolle 2:0-Führung verspielt hatte, tat der Trainer mit einem Scherz ab. "In Hoffenheim haben wir 45 Minuten schlecht gespielt, in Frankfurt nur zwölf. Von daher ist eine Steigerung da", sagte er. Oder hat er das gar nicht scherzhaft gemeint?

Als Schalke am Montag nach Rumänien abreiste, wo das Champions-League-Spiel bei Steaua Bukarest ansteht, blieben der erkrankte Leon Goretzka und der an der Hüfte verletzte Torwart Timo Hildebrand zuhause, Ralf Fährmann wird Letzteren vertreten. Es geht am Dienstag um den Einzug ins Achtelfinale - falls zur gleichen Stunde Chelsea mit einem Sieg in Basel die nötige Schützenhilfe leistet. Aber es geht bei diesem Spiel wie immer auch um die Stellung des Trainers, diese Debatte begleitet den Klub auf all seinen Wegen, sie ist eine atmosphärische Last.

Vereinschef Tönnies schimpft am Telefon

Die Verantwortlichen haben es bis jetzt geschafft, eine Verwicklung in die Diskussionen abzuwehren, auch am Montag versicherte Vereinschef Clemens Tönnies dem Sportinformationsdienst, es sei "albern und unverständlich, dass man Jens Keller immer besonders kritisch beurteilt". Tönnies setzte einen Appell dagegen: "Lasst ihn seine Arbeit machen, er steht nicht infrage."

Statt wie üblich den Frust beim Trainer abzuladen, hat sich Tönnies, 57, diesmal vorgenommen, die teuren Profis moralisch in die Pflicht zu nehmen. Neulich nach dem Derby gegen Dortmund (1:3) verblüffte er mehrere Spieler, indem er sie persönlich am Telefon beschimpfte und zu höherer Kilometerleistung aufrief.

Nach den vielen, nicht immer freiwilligen Trainerwechseln während der vergangenen Jahre sehnt sich Schalke nach Kontinuität im sportlichen Führungsstab, doch es wäre eines der großen Fußballwunder, wenn dies mit Keller gelingen sollte. Bisher haben ihn die - oft mit Kraftakten und Nervenkitzel erzwungenen - Resultate vor Unannehmlichkeiten bewahrt, nach wie vor besitzt Schalke ja in allen Wettbewerben gute Perspektiven.

Aber in Management und Klubführung verkennt man nicht die sportlichen Tatsachen: Den Mangel an mannschaftlicher Dynamik und Geschlossenheit, an Raffinesse, Spielwitz und Begeisterung, von einer markanten Spielidee ganz zu schweigen. Bisher lebt Schalke von den Geistesblitzen der Genies Draxler, Meyer und Boateng oder von jenen Fällen, in denen das Team seine Routine ausspielt.

Heldt hat längst damit aufgehört, Kellers Fachkenntnisse zu rühmen, wie er es bis zum Sommer beharrlich getan hatte. Der Manager mag den Fans nicht mehr widersprechen, die den Fußball in Schalke als Enttäuschung empfinden beziehungsweise als "nicht zufriedenstellend", wie Heldt am Samstag gereizt sagte.

Müde und resigniert wirkt der Sportchef dieser Tage. Im Sommer hatte er den Vorstand und Aufsichtsrat für kostspielige Investitionen in die Mannschaft gewinnen können. Außer den Talenten Goretzka und Clemens kamen Aogo, Boateng und Szalai nach Gelsenkirchen, Jupp Heynckes' ehemaliger Assistent Peter Hermann verstärkte das Trainerteam.

Die herrschenden Zustände mochte am Samstag nicht mal Keller schön reden: "Ich glaube, wir müssen immer erst mit dem Arsch zur Wand stehen, damit wir die volle Konzentration abrufen", sagte er in Frankfurt nach dem 3:3. Das war doch zumindest mal eine klare Ansage. Für den Verdruss, der aus dem Satz spricht, ist er aber selbst verantwortlich.

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