Schalker Trainerlösung:Talentschuppen

Der SC Paderborn ist zum Ausbildungsklub für Trainer geworden. Gellhaus folgt Breitenreiter als Coach.

Von Ulrich Hartmann, Paderborn

Am Samstag saßen der Torwart Lukas Kruse und der Abwehrspieler Daniel Brückner in der Bonifatius-Buchhandlung in Paderborn und signierten Bücher, in denen der ganze Stolz ihres Fußballvereins auf 128 Seiten zusammengefasst ist: "Erstklassig - Premiere des SC Paderborn 07 in der Bundesliga". Die beiden Profis unterschrieben den Fans die Bücher mit einem mulmigen Gefühl: Nicht nur, weil Paderborn ja seit Abpfiff der vergangenen Saison nicht mehr erstklassig ist - sondern weil es um 13 Uhr gerade mal 19 Stunden her war, dass der Fortgang ihres Trainers André Breitenreiter bekannt geworden war.

Um 17.53 Uhr am Freitag hatte der FC Schalke 04 eine Rundmail mit dem Namen seines künftigen Trainers verschickt ("André Breitenreiter ist neuer Chef-Trainer des S04"). Um 20.17 Uhr bestätigte auch der SC Paderborn in einer diesen Wechsel ("Abschied von Chef-Trainer André Breitenreiter"). Ohne Breitenreiter wäre der SC Paderborn im vergangenen Sommer nicht in die Bundesliga aufgestiegen. Dann wäre dieses Buch nicht geschrieben worden und Kruse und Brückner hätten es am Samstag nicht signieren können.

SC Paderborn 07 v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Der neue Mann auf Schalke: André Breitenreiter, zuvor Trainer beim Bundesliga-Absteiger SC Paderborn.

(Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Der Neue spielte schon beim TuS Paderborn-Neuhaus

Der Wechsel kam nicht unerwartet. Schon im Februar hatte den Sportdirektor Michael Born der Gedanke an einen Fortgang des Trainers André Breitenreiter nicht mehr schockieren können. Er empfing einen in seinem kleinen Büro, dessen Schreibtisch ein Klassiker war: Aschenbecher, Kicker-Sonderheft, leeres Macchiato-Glas, tausend bekritzelte Notizzettel. Mitte Februar hatte noch nichts fest gestanden: weder der Abstieg noch Breitenreiters Abschied noch die Suche nach einem Nachfolger - aber irgendwie hatte Born schon damals geahnt, dass all das in diesem Sommer auf ihn zukommen könnte. "Solche Verluste werden wir in Paderborn leider nie ganz vermeiden können", hat Born schon damals, und exakt diesen Satz wird Born in diesen Tagen vermutlich ganz oft wiederholen.

Schon am Samstag verkündete der Klub dann den Namen seines neuen Trainers: Markus Gellhaus wird Breitenreiter-Nachfolger. Der 45-Jährige war schon einmal in Paderborn tätig: 2006 war nach dem Rücktritt von Jos Luhukay drei Spieltage lang Interimstrainer, zuvor war er bei den Ostwestfalen fünf Jahre lang Co-Trainer (unter Pavel Dotchev, Uwe Erkenbrecher und Jos Luhukay). Zuletzt war Gellhaus dann Luhukays Assistent bei Hertha BSC, bis die beiden im Februar entlassen wurden. An diesem Sonntag um 12 Uhr wird der SC Paderborn den Mann, der schon beim Vorgänger-Verein TuS Paderborn-Neuhaus gespielt hat, offiziell als neuen Coach vorstellen.

Markus Gellhaus

Markus Gellhaus ersetzt Breitenreiter in Paderborn.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Nach Luhukay und Schmidt nun also Breitenreiter

Der SC Paderborn, der sportlich nie besonders von sich reden gemacht hat, hat in den vergangenen Jahren die Trainer Jos Luhukay, Roger Schmidt und André Breitenreiter hervorgebracht. Paderborn ist bislang mehr ein Talentschuppen für Trainer als für Spieler. Auch so etwas kann stolz machen. "Der Wechsel von André Breitenreiter zum FC Schalke 04 zeichnet den SC Paderborn ja im Grunde aus", sagt der Präsident Wilfried Finke. "Es ist nicht das erste Mal, dass ein Trainer von hier aus seine Karriere startet."

Das mit der Karriere des Trainers Breitenreiter muss man jetzt natürlich erst mal abwarten. Die F-Jugend des TuS Altwarmbüchen, den Viertligisten TSV Havelse und den SC Paderborn hat Breitenreiter, 41, bis jetzt trainiert, und er hatte in allen drei Fällen maximalen Erfolg. Doch seine vierte Station wird nun erst zum wahren Gradmesser seiner Fähigkeiten als Trainer werden, denn beim FC Schalke 04 muss Breitenreiter zeigen, dass er, anders als bei seinen bisherigen Klubs, auch gutverdienende, etablierte und international ambitionierte Profis unter der Last einer zuletzt enttäuschenden Saison und unzufriedener Zuschauer zu einer funktionierenden Fußballmannschaft zusammenschweißen kann. Seine hohen mentalen, rhetorischen und taktischen Fähigkeiten haben bisher Wunder gewirkt. Aber bald muss er sich bei Spielern Gehör verschaffen, die zuvor schon bei Trainern wie Jens Keller und Roberto Di Matteo nicht immer so ganz aufmerksam hatten zuhören wollen.

Schalker Trainerlösung: Diese Trainerentscheidung sollte jetzt sitzen: Breitenreiter ist der fünfte Coach, den Horst Heldt (r.) für Schalke verpflichtet.

Diese Trainerentscheidung sollte jetzt sitzen: Breitenreiter ist der fünfte Coach, den Horst Heldt (r.) für Schalke verpflichtet.

(Foto: Screenshot Twitter @s04)

Alternativ-Kandidat Wilmots verärgert

Breitenreiter besitzt die pädagogischen und fußballtaktische Voraussetzungen, um Schalke zu einem ansehnlicheren Spiel zu führen, aber dass er sich zu dieser Aufgabe mutig bereit erklärte, rang dem Schalker Manager Horst Heldt offenbar die meiste Beachtung ab. "Er hatte keine Bedenken, die hier sicherlich nicht ganz leichte Aufgabe zu übernehmen", sagte Heldt nach dem auf Mallorca besiegelnden Handschlag, und es klang fast ein bisschen ungläubig, so, als sehe er seinen FC Schalke 04 in der Kategorie "schwer vermittelbar".

Dass der Klub derzeit nicht den allerbesten Ruf hat, müssen sich die Verantwortlichen selbst zuschreiben. So war es doch etwas fragwürdig, dass der Klub wenige Stunden vor der Verpflichtung von Breitenreiter dem Alternativ-Kandidaten Marc Wilmots abgesagt hatte - nur wenige Stunden, bevor der belgische Nationalcoach mit seinem Team zum wichtigen EM-Qualifikationsmatch in Wales antreten musste (und prompt 0:1 verlor). Dementsprechend verstimmt zeigte sich Wilmots, der 1997 mit Schalke 04 den Uefa-Cup gewonnen hatte: "Eines muss man mal festhalten: Schalke ist zu mir gekommen und hat mich gefragt, obwohl ich hier in Belgien eine große Mannschaft trainiere. Ich habe Schalke nie um einen Job gefragt. Deshalb ist es ein schlechter Witz, wenn man meint, mir irgendetwas absagen zu können", sagte der 46-Jährige dem "kicker". In Deutschland seien die ganze Zeit viele Informationen über diese Trainersuche rausgekommen. "Schalke ist und bleibt mein Herzensverein", sagte Wilmots. "Aber die Art und Weise, wie das alles gelaufen ist, das ist nicht Schalke. Das ist eher bedenklich."

Der anstelle von Wilmots verpflichtete Breitenreiter soll nicht nur die Mannschaft aufbauen und möglichst in die Champions League führen, sondern den Klub auch mit seinen murrenden Fans versöhnen. Das ist eine so gewaltige Aufgabe, dass Breitenreiter den Manager Heldt offenbar vor allem mit einer Charaktereigenschaft überzeugte: mit Furchtlosigkeit. Alle anderen Trainer-Kompetenzen muss er in den kommenden Wochen und Monaten nach und nach unter Beweis stellen. Wenn ihm dies nicht gelingen sollte, dürften auch Horst Heldt schwierige Zeiten bevorstehen.

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