Schalke will in die Champions League:Aufraffen oder Abstürzen in Saloniki

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Jermaine Jones: Kampf um die Champions League

(Foto: AFP)

Schalke 04 kämpft im Rückspiel gegen Paok Saloniki um den Einzug in die Champions League und damit auch um viele Millionen Euro. Nach dem schwachen Hinspiel und einem enttäuschenden Saisonstart ist die Lage für Trainer Jens Keller und Sportdirektor Horst Heldt besonders prekär.

Von Philipp Selldorf

Das vereinseigene Stadion von Paok Saloniki, "Toumba" genannt, fasst im Normalfall 28 073 Zuschauer. Aber die Ränge werden leer bleiben, wenn Saloniki am Dienstagabend Schalke 04 zum Rückspiel in der Champions-League-Qualifikation empfängt. Die Uefa lässt kein Publikum zu, als Strafe für Ausschreitungen beim Paok-Spiel gegen Rapid Wien vor einem Jahr.

Schalkes Manager Horst Heldt ahnt, dass indiskrete Zustände herrschen werden: "Man wird ja jedes Wort auf dem Platz hören." Stabspersonal, Funktionäre und Medienvertreter sowie ein paar ausgewählte Schalke-Fans, die aus dem Ticket-Kontingent für die Vereinsfamilie versorgt werden - mehr Zeugen werden nicht zugegen sein.

Während die Schalker die Idee verwarfen, am Sonntagabend noch mal im eigenen Stadion zu trainieren, "um so eine Geisteratmosphäre durchzuspielen" (Heldt), durfte Paok am Samstag den Sonderfall in der Liga einstudieren. Zum Punktspiel beim Aufsteiger Panetolikos Agrinio waren ebenfalls keine Fans zugelassen. Aber das Team von Trainer Huub Stevens verlor 0:2 und muss nun außerdem zwei Stammspieler wegen Verletzungen ersetzen.

Den Griechen geht es nach diesem Wochenende also nicht viel besser als den Schalkern, die in der jungen Saison die altbekannte Krise aufführen. Zur Abreise in Düsseldorf fanden sich am Montag immerhin mehr Spieler ein, als man direkt nach dem 1:2 in Hannover erwarten durfte. Die Verteidiger Uchida und Matip, Mittelfeldspieler Goretzka und Angreifer Farfán scheinen wieder einsatzbereit zu sein.

Für eine nominell gute Elf sollte es also reichen. Dass Huub Stevens nach dem 1:1 im Hinspiel versicherte, Schalke bleibe auch fürs Rückspiel der Favorit, mag eine List gewesen sein - objektiv besehen hat er recht: Schalke hat den stärkeren Kader. Allerdings ist es auch so, dass der Vergleich der technischen Daten - Anzahl der Nationalspieler, Europacup-Erfahrung, Kaufpreisindex etc. - bei dieser Partie mehr oder weniger nebensächlich ist. Schalke sieht einem Alles-oder-nichts-Pokalspiel entgegen, bei dem es außer um die Ehre und Saisonperspektive auch um Einnahmen von circa 20 Millionen Euro geht.

Spekulation um Stefan Effenberg

So ist dieses Spiel auch ein Spiel, in dem die Trainer besonderen Einfluss haben, und Jens Keller weiß selbstverständlich Bescheid, was das für ihn bedeutet. Am Abflugschalter erklärte er zwar betont gleichgültig, er habe keine Angst um seine Anstellung, aber er hat auch gesagt: "Wir sind alle in diesem Geschäft zu Hause und wissen, wie es aussieht." Womöglich hat er dabei dieses Bild von Clemens Tönnies im Sinn gehabt, der am Samstag in Hannover wütend seinen Platz verließ, als sich Christian Fuchs durch ein dilettantisches Foul in der Nähe der Mittellinie erfolgreich um seinen Platzverweis bewarb.

Es war nicht der erste dilettantische Moment des Verteidigers in dieser Saison, aber daraus ergibt sich auch die Frage, warum einem Routinier, Kapitän der österreichischen Nationalelf, so oft so grundlegende Fehler unterlaufen - und wer dafür die höhere Verantwortung trägt. Der Mann, der in Schalke letztlich die Frage nach der politischen Verantwortung stellt, ist der Aufsichtsratschef Tönnies, der schon einige Trainerentlassungen nonchalant abgewickelt hat - nachdem er sich vorher fürchterlich über ihr Werk aufgeregt hatte.

Manager Heldt hat am Montag erklärt, dass Keller auch im Falle des Scheiterns in Saloniki beim nächsten Bundesligaspiel gegen Leverkusen auf der Trainerbank sitzen werde, "selbstverständlich", wie er sagte. Keller war seine Wahl, als Huub Stevens im Dezember vorigen Jahres gehen musste. Der Assistenztrainer, der den Niederländer damals in die Beurlaubung begleitete, dirigiert heute die TSG Hoffenheim. Markus Gisdol stand zwar als Nachfolger von Stevens zur Debatte, aber Heldt präferierte den U-17-Juniorentrainer Keller. Gisdol musste das Schalker Haus verlassen, weil den Verantwortlichen dessen Cheftrainerambitionen nicht geheuer waren. Durch seine laufende Bilanz als Cheftrainer in Hoffenheim dürfte er seinen Ehrgeiz aber hinreichend gerechtfertigt haben.

Auch für Heldt ist die aktuelle Situation also prekär. Man darf ihm deshalb glauben, wenn er sich gegen die grassierenden Gerüchte wehrt, er habe bereits erste Gespräche mit Markus Babbel über eine mögliche Nachfolge von Keller geführt. Er wird ohnehin schon oft genug dem Vorwurf ausgesetzt, zu viel Gebrauch von seinen Verbindungen aus alten Stuttgarter Zeiten zu machen. Babbel wäre eine Wahl, mit der Heldt sehr viel riskieren würde. Realistischer ist die Spekulation, dass im Ernstfall Stefan Effenberg wieder zum Kandidaten werden könnte. Den hatte Tönnies im Frühjahr zur Wahl gestellt. Keller konnte sich dank passender Resultate in der Liga durchsetzen gegen den Schattenrivalen.

Nun also steht ein Endspiel in Saloniki bevor. Gut für Keller: Die Schiedsrichter kommen aus Holland, wo Schalke viele Freunde hat. Aber auch Stevens hat in Holland viele Freunde.

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