Schalke 04:Wie Horst Heldt Inter Mailand austrickste

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"Man kann ihm blind vertrauen". Schalkes Trainer Markus Weinzierl lobt Thilo Kehrer. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach seiner starken Leistung im Spiel gegen Leverkusen lobt Schalkes Trainer Markus Weinzierl den Verteidiger Thilo Kehrer.
  • Das Talent wäre beinahe zu Inter Mailand gewechselt, Ex-Manager Horst Heldt verhinderte den Transfer jedoch.
  • Kehrer besaß zwei Arbeitsverträge, er hätte gesperrt werden können. Heldt interessierte sich scheinbar für einen anderen Spieler der Italiener.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Als er am vorigen Sonntag am Fernseher die Partie zwischen Schalke 04 und Bayer Leverkusen (0:1) verfolgte, sah sich Horst Heldt in seiner Auffassung bestätigt. Wahrscheinlich ist es nicht übertrieben, von einem Gefühl der Genugtuung zu sprechen, und wenn man es drauf anlegte, dann könnte man dem ehemaligen Schalker Manager, der im Sommer auf Betreiben des Vereins Platz für Christian Heidel machen musste, einen Schlagzeilensatz in den Mund legen. Zum Beispiel: "Ich habe es vorher gewusst."

Allerdings taugte diese Schlagzeile nicht zum Krawall, denn Heldts Empfindungen während des Spiels, das Schalke unglücklich verlor, hatten nichts mit Schadenfreude oder Verlangen nach Satisfaktion zu tun. Sondern mit dem Spaß an der starken Leistung von Thilo Kehrer, 20.

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Der junge Verteidiger hatte Heldt während seines letzten Dienstjahres auf Schalke viel Arbeit und eine Menge Scherereien eingebracht. Unter anderem hatte er sich lebhaft mit Kehrers Berater und mit Kehrers schwäbischem Vater gestritten, zudem musste er eine Strategie aushecken, um Inter Mailand zu überlisten. Die Italiener hatten einen Vertrag mit Kehrer geschlossen, doch Heldt wollte den Verlust des Talents nicht zulassen. Am Ende gelang es ihm nicht nur, die Vereinbarung mit Inter zu löschen, sondern auch Kehrers Vertrag mit Schalke bis 2019 zu verlängern. Heldt sagt: "Der Fall war sehr kompliziert und stand Spitz auf Knopf."

Dass sich der Aufwand gelohnt hat, darüber waren sich nach dem Leverkusen-Spiel alle Schalker einig. Trainer Markus Weinzierl fiel zu Kehrers Leistung ausdrücklich mehr ein als das obligatorische Hat-seine-Sache-gut-gemacht-Lob, das Startelfdebütanten üblicherweise gratis erteilt wird: "Man kann Thilo blind vertrauen", betonte der Coach. Das weiß er jetzt umso mehr zu schätzen, da zum Abschluss des Jahres seine Stammverteidigung auseinandergefallen ist. Aus der Dreierkette Höwedes, Naldo und Nastasic bleibt gegen Freiburg und in Hamburg nur Höwedes übrig. Naldo ist gesperrt, Nastasic verletzt.

Auf diesen Moment hat Kehrer lang genug warten müssen. Im Schalker Profikader hatte er seit mehr als anderthalb Jahren eine Komparsenrolle. In der laufenden Saison war die Konkurrenz zu stark, und im vorigen Jahr fehlte das Vertrauen von Trainer André Breitenreiter, der lieber Mittelfeldspieler Roman Neustädter ins Abwehrzentrum umsiedelte, als dem Verteidiger Kehrer eine Chance zu geben. Offenbar ließ jener sich davon nicht entmutigen: "Man muss vorbereitet sein, falls man irgendwann die Chance bekommen sollte, in der Startelf zu stehen", sagt Kehrer.

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Die späte Entdeckung des 20-Jährigen sorgt nicht zuletzt auch in der Juniorenabteilung für Freude und Anteilnahme: "Wenn er am Ball bleibt, dann hat er große Möglichkeiten, das Vermögen für die Bundesliga bringt er mit", sagt Nachwuchschef Oliver Ruhnert. Außerdem hat man ja inzwischen einen Ruf zu verteidigen in der "Knappenschmiede": Deutschland und die Welt sind es gewohnt, dass aus der Schalker Jugend Nachschub für das Gelsenkirchener Profiteam und womöglich gleich auch für die Nationalmannschaft hervorgeht: Neuer, Höwedes, Özil, Draxler, Sané und Meyer haben bekanntlich eine Ausbildung auf Schalke und beim sagenumwobenen A-Junioren-Trainer Norbert Elgert genossen. Auch in der Gegenwart sieht es wieder gut aus für die königsblaue Jugend: Sowohl A- als auch B-Jugend der Schalker halten die ersten Plätze in den Junioren-Bundesligen des Westens. Jeweils vor Borussia Dortmund.

Thilo Kehrer war im Sommer 2015 der Kapitän der Schalker A-Junioren-Meistermannschaft. Da hatte die Verwirrung längst begonnen um den in Tübingen geborenen Abwehrmann, der als 15-Jähriger ins Schalker Internat eingezogen war (zuvor war er beim VfB Stuttgart Mannschaftskollege von Timo Werner). Schon im Frühling wurden Kontakte nach Mailand publik, im Sommer bestätigte Inter den Vertragsschluss. Da Schalke Kehrer per Option ebenfalls an sich gebunden hatte, existierten auf einmal zwei gültige Arbeitsverträge. Es habe "ein paar Umstände und Kommunikationsprobleme zwischen mir und dem Verein" gegeben, sagt Kehrer heute, aber ganz so harmlos war die Sache nicht. "Thilo drohten riesige Probleme, er hätte für den Fußball gesperrt werden können. Es war sehr eng", erzählt Heldt.

Der Manager trat in Verhandlungen mit Inter ein, aber es ging nicht um Kehrer, sondern um den ehemaligen Bayern-Spieler Xherdan Shaqiri, den die Italiener zum Verkauf angeboten hatten. Heldt knüpfte die Gespräche mit Inter an die Bedingung, den Vertrag mit Kehrer aufzulösen - und erreichte damit, was er wollte. Das Interesse an Shaqiri diente bloß als Mittel zum Zweck, er steht heute bei Stoke City in England im Dienst. Wenn Kehrer am Samstag gegen den SC Freiburg so gut spielt wie gegen Leverkusen, dann darf sich Heldt ein weiteres Mal bestätigt fühlen, dass er damals gut getrickst hat.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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