Schalke-Trainer Jens Keller:Breitbeinig wie John Wayne

Schalke-Trainer Jens Keller: Triumphmarsch mit den Fans im Rücken: Jens Keller hat mit dem Derbysieg wieder für Ruhe auf Schalke gesorgt.

Triumphmarsch mit den Fans im Rücken: Jens Keller hat mit dem Derbysieg wieder für Ruhe auf Schalke gesorgt.

(Foto: AP)

Wieder gelingt es Jens Keller, die Trainerdebatte auf Schalke mit einem wichtigen Sieg zu bremsen. Er ist jetzt 21 Monate im Amt - und in hektischen, aber auch in erfolgreichen Phasen vor allem eines: unbeeindruckt.

Von Milan Pavlovic, Gelsenkirchen

Es lohnte sich, das ganze Spielfeld im Auge zu behalten. Links versammelte sich der Kader des Derby-Siegers vor dem härtesten Kern seiner Fans, und Geburtstagkind Ralf Fährmann erklomm freudetrunken den Zaun.

Sechzig Meter weiter rechts schlug Jens Keller auf seinem Triumphmarsch zu den TV-Kameras einen letzten Bogen; breitbeinig wie einst John Wayne in seinen besten Western nahm der oft gescholtene Trainer der Schalker die letzten Ovationen entgegen, bevor er im Kabinentrakt verschwand.

Keine Angst vor Pathos

Dass er wie John Wayne ging, könnte einige Gründe gehabt haben: nachvollziehbaren Stolz; das Bewusstsein, höhere Gerechtigkeit erfahren, ja vielleicht sogar selbst dafür gesorgt zu haben; oder schlichtweg muskuläre Wehwehchen, die einen runden Gang unmöglich machten.

Keller hat an der Seitenlinie schon oft sichtbar mitgefiebert, aber diesmal gab er in den letzten Minuten des nervenzehrenden Kampfs gegen den ewigen Rivalen Borussia Dortmund alles, sogar den Animateur an der Seitenlinie, als er mit den Armen rudernd die ohnehin schon entfesselten Fans antrieb, ihr Team noch lauter anzupeitschen.

Als das packende 2:1 in die Geschichtsbücher eingemeißelt werden konnte, schnappte Keller sich zum Jubeln jeden, den er packen bekam. Feuriger als den Schalker Trainer hat man seinen Gegenüber Jürgen Klopp kaum je jubeln sehen.

Als Keller dann vor den Reporter-Mikrofonen ankam, war die Glut fast schon wieder erloschen. Alle anderen Beteiligten dieses hitzigen (aber angenehm friedlichen) Nachmittags schwelgten in Momenten und hatten keine Angst vor Pathos ("Dieses Spiel an meinem Geburtstag war ein Geschenk Gottes", sagte Ralf Fährmann); sie suchten aufgeregt nach Worten, um die Laufbereitschaft des Stürmers Huntelaar zu loben, der gefühlt so viel gelaufen war wie alle Dortmunder zusammen, oder um den Einsatz des Japaners Uchida zu würdigen, der von Krämpfen geschüttelt wurde und sich doch kamikazeartig in den nächsten Zweikampf warf.

Der Coach hingegen sagte Sachen wie: "Es ist etwas Besonderes, das Derby zu gewinnen", "Es war ein wichtiger Erfolg", "Wir sind überglücklich", "Auch für diesen Sieg gibt es nur drei Punkte". Er war so nüchtern, dass der Verdacht aufkam, einer der beiden Kellers an diesem Nachmittag wäre ein Double gewesen. Andererseits: Was will man groß einwenden? Er hatte ja mit allen Sätzen Recht.

"Jetzt soll ich unkündbar sein?"

Vielleicht ist letztlich genau diese geerdete Art Teil des Geheimnisses, warum der Schleudersitz unter Jens Kellers Trainerstuhl bisher stets geklemmt hat. Immerhin 21 Monate hat er trotz aller vorzeitigen Nachrufe hinter sich, angesichts der durchschnittlichen Amtszeit der Trainer bei diesem Klub ist das fast schon eine Ära.

Zu Beginn dieser Saison, als der Klub in sechs Pflichtspielen ohne Erfolg geblieben war, hatte Keller schon ein bisschen arg mit seiner Erfahrung im Schalker Überlebenskampf kokettiert. Jetzt blieb er in der allgemeinen Euphorie genauso unbeeindruckt: Vor zwei Wochen, Schalke hatte gerade auf grausame Weise 1:4 in Gladbach verloren, "war ich noch entlassen", rief Keller noch einmal den jüngsten dunklen Moment in Erinnerung.

Keller hat natürlich Recht

"Und jetzt soll ich unkündbar sein? Diese Ausschläge sind mir zu extrem." Und auch damit hatte er natürlich Recht. In dieser Saison hat Schalke noch keine der drei Partien gegen große Klubs (Bayern, Chelsea, Dortmund) verloren. Sollten aber die scheinbar leichteren Aufgaben gegen Maribor (am Dienstag in der Champions League) und am Samstag (in Hoffenheim) missraten, wird es schnell wieder ungemütlich werden.

Oft hat man sich gefragt, wie groß Kellers Anteil an den beiden vergangenen Qualifikationen für die Champions League wirklich war - und mit welchen Worten und Anweisungen er das Team aufs Feld geschickt hat. Die Partie gegen Dortmund begann mit der Überraschung, dass die Elf zum ersten Mal in dieser Saison furios startete - und das "von der ersten Minute an", wie Sportchef Horst Heldt lächelnd feststellte.

Böse Menschen werden behaupten, das könnte auch mit der leidenschaftlichen Ansprache zu tun haben, die Christian Wetklo, der dritte Torwart, vor der Partie hielt, Heldt nannte sie "Samstagspredigt" und lächelte noch eine Spur intensiver.

So oder so überzeugten die Gastgeber mit kurzen, präzisen Passpassagen in der Anfangsphase, in der viele Aktionen Zug zum Tor hatten und in der - eine Rarität in der Keller-Ära - einige wiederkehrende Spielzüge zu erkennen waren, vor allem dank des einfallsreichen Zugangs Choupo-Moting. 25 Minuten lang, bis kurz nach dem 2:0, dauerte diese inspirierte Phase. Dann leitete der in der Personalnot zum Innenverteidiger umfunktionierte Roman Neustädter mit seinem einzigen derben Fehler das Dortmunder Anschlusstor ein, und vorbei war es mit der Herrlichkeit.

"Das 2:1 hat einen Knick gebracht, was das Spielerische angeht", analysierte Keller. Was folgte, war ein aufopferungsvoller, erfolgreicher Abnutzungskampf, der laut Keller "bestimmt für einen Schub sorgt". Zumindest bis zur nächsten Trainer- Diskussion auf Schalke.

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