Schalke 04:Träumen mit Huub

Lesezeit: 3 min

Einer der Garanten dafür, dass es Schalke nicht noch schlechter geht: Ralf Fährmann, einer der besten Linien-Torhüter der Bundesliga. (Foto: Pretty/Getty)

Zur nationalen Spitze zählt Schalke 04 nur noch in der Disziplin Nostalgie-Seligkeit.Deshalb erhöht Manager Heidel jetzt den Druck auf Trainer Weinzierl.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Am Sonntagabend war die Welt auf Schalke für ein paar schöne Stunden wieder sehr in Ordnung. Während auf der Trainerbank Huub Stevens neben Rudi Assauer Platz nahm - dem "Vater der Väter des Erfolges", wie Olaf Thon ihn nannte - bemühten sich auf dem Rasen andere königsblaue Helden um Haltung, soweit ihnen dies das Alter erlaubte: Ergraute wie Johan de Kock und Jiri Nemec bewegten sich im Trimmtrab neben Männern mit beachtlichen Bäuchen wie Youri Mulder und Dario Rodriguez, und Klaus Fischer machte zwar keinen Fallrückzieher, aber mit 67 Jahren eine gute Figur.

Der Jubiläumsgipfel der Uefa-Cup- Sieger von 1997 war ein typischer Schalke-Termin, der an anderen Standorten des deutschen Profifußballs schwer vorstellbar wäre. In seiner Nostalgie-Seligkeit setzte er sich, was nicht die Absicht war, schroff von der grauen Gegenwart ab. Gefeiert wurden die Wehmut und der Glaube an die Schalker Weltwunder. So berichtete Olaf Thon den 32 000 Zuschauern, dass ihn der an Alzheimer erkrankte Assauer, 73, zum ersten Mal seit drei Jahren erkannt habe. "Oh Kleiner, du bist ja auch da", soll der ehemalige Manager ausgerufen haben.

Kolasinac geht zum FC Arsenal - Gehälter wie in England kann der FC Schalke nicht zahlen

Außer als Klassentreffen war dieser Abend vor allem als Abschiedsspiel für Stevens annonciert, und weil man gerade dabei war, ehemalige Ikonen zu feiern, reihten sich ins "Team Eurofighter & Friends" auch zwei sehr verehrte Spieler ein, die noch, aber nicht mehr lange, auf der aktuellen Lohnliste stehen: Während Klaas-Jan Huntelaar (der mit Ebbe Sand einen Traumsturm bildete) schon mehrmals mit Blumen, Musik und Sonderapplaus verabschiedet worden war, sagte Sead Kolasinac an diesem altmodischen Abend auf die diskrete Art Adieu zu dem Klub, zu dem er als 17-Jähriger gekommen war.

Kolasinac, 23, ist neben dem Maskottchen Erwin der einzige echte Gewinner der vergangenen Saison. Erwin, weltweit berühmt geworden, indem er dem Schiedsrichter nach dem Derby die rote Karte vorhielt, behält seinen Stammsitz in Gelsenkirchen; Kolasinac dagegen wird dank eines auslaufenden Vertrages nach London zum FC Arsenal ziehen. Das macht ihn, so wird aus der Kabine berichtet, selbst ein bisschen traurig, doch auch als überzeugter und anerkannter Schalker bleibt der bosnische Nationalspieler zuerst Profi. So berichtete Manager Christian Heidel aus den Vertragsverhandlungen einerseits Erfreuliches ("es gab null Rumgezicke mit ihm und überhaupt keinen Stress mit seinem Berater") und andererseits Frustrierendes. "Er hat offen gesagt, was da im Raum steht - und da muss Schalke Nein sagen." Das Problem ist nicht, dass Heidel zu wenig zu bieten hatte, sondern die Tatsache, dass England ungefähr das Doppelte bietet. "Das Fußballgeschäft hat sich brutal verändert", sagt Heidel, "die Gehaltsangebote haben Dimensionen erreicht, die jenseits von Schalke liegen."

Kolasinac ist nach Joel Matip der nächste im Haus herangebildete Musterschüler, der ohne Ablöse die Heimat verlässt, der Angreifer Eric-Maxim Choupo-Moting könnte im Laufe der kommenden Wochen folgen. Heidel macht es angeblich aber nicht nervös, dass wertvolles Betriebskapital einfach aus dem Bestand verschwindet. "Ich glaube, dass das immer wieder passieren wird", sagt er unter Verweis auf den entfesselten Markt. Bei den Mittelfeldspielern Max Meyer und Leon Goretzka könnte er mit der unguten Prophezeiung schon im Sommer 2018 recht behalten, denn dann enden die Verträge mit den beiden ehrgeizigen Nationalspielern.

Doch so weit will es Heidel nicht kommen lassen. In der nächsten Saison soll Schalke wieder eine erstklassige Adresse für ambitionierte Profis sein und sich dort einreihen, wo es nach Ansicht des Managers hingehört: unter den ersten sechs der Tabelle. Diese mit forciertem Ton formulierte Absichtserklärung ist nicht nur als Ermutigung an das enttäuschte Publikum zu verstehen, sondern auch als Botschaft an den Trainer Markus Weinzierl, der sein zweites Jahr auf Schalke unter deutlich gesteigertem Erfolgsdruck angehen wird. "Ich möchte, dass die Mannschaft auf dem Platz ein klares taktisches Konzept zu erkennen gibt - das habe ich bisher nicht erkannt. Der Plan ist da - aber er geht nicht auf", stellte Heidel am Montag unzweideutig fest. Aus diesem Satz abzuleiten, dass der Trainer von seinem Vorgesetzten angezählt worden wäre, liegt vielleicht nicht in der unmittelbaren Absicht des Sportchefs. Es kommt aber dem Kern des Sachverhalts nahe. Für die sportliche Verbesserung will Schalke keinen Großeinkauf veranstalten, drei, vier Neulinge sollen zur Mannschaft kommen, während einige aus dem vorhandenen Kader den Klub gern verlassen dürfen (allen voran der teure, aber unergiebige Flügelstürmer Konoplyanka). "Nächstes Jahr darf es nur um eines gehen: dass wir wieder dort oben mitspielen, wo wir hingehören", sagt Heidel. Denn Nostalgie ist auf Dauer ein schwacher Trost.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: