Schalke siegt mit Kevin-Prince Boateng:Wachgeküsst vom Gangsterboss

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Starker erster Auftritt auf Schalke: Kevin-Prince Boateng. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Beflügelt von der Wucht seines neuen Mittelfeldspielers tritt Schalke 04 so energisch auf wie noch nie in dieser Saison und bezwingt Bayer Leverkusen. Mit Kevin-Prince Boateng hat sich Schalke den lange vermissten Hauch Gemeinheit eingekauft.

Von Daniel Theweleit, Gelsenkirchen

Es ist keine besonders feinsinnige Analyse gewesen, die Felipe Santana formulierte, und vermutlich stand er auch noch unter den Eindrücken aus der Schalker Dusche, wo es seit dieser Woche so viele pralle Muskelpakete und großflächige Tätowierungen zu bestaunen gibt, wie noch nie. Aber irgendwie traf der Innenverteidiger den Kern dieses Fußballabends.

"Wir haben jetzt eine richtige Gangstertruppe", stellte Santana nach dem beachtlichen 2:0-Sieg von Schalke 04 über Bayer Leverkusen fest, der weniger der Lohn für brillante Fußballkunst gewesen ist, als vielmehr die Folge einer neuen Wucht.

Einer Wucht, einer Energie und diesem Hauch Gemeinheit, die erfolgreiche Teams brauchen. All diese Eigenschaften hat Manager Heldt unter der Woche eingekauft, seit Freitag ist ja Kevin-Prince Boateng ein Schalker. Und es scheint, als hätte der beeindruckende Mittelfeldspielers Schalke 04 den Zugang zu neuen Energiequellen verschafft.

Er ist viel gelaufen, war auf Anhieb eine Instanz im Mittelfeld, spielte einige gute Pässe. "Kevin-Prince hat einfach die Autorität, die Präsenz auf dem Platz, flößt dem Gegner Respekt ein und er reißt andere mit", meinte Heldt.

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Gegen Leverkusen hat Boateng, dessen Habitus tatsächlich zu einem Gangsterboss aus Los Angeles South Central passen würde, vor allem Jefferson Farfan mitgerissen. Der Flügelstürmer spielte die Defensive der Gäste schwindelig und trat den Freistoß in den Strafraum, den Marco Höger durch eine leichte Schulterberührung zum 1:0 ins Leverkusener Tor beförderte (30.). Am Ende verwandelte Farfan auch noch den Elfmeter zum 2:0 (83.), den er zuvor selbst herausgearbeitet hatte, "überragend" sei der Kollege gewesen, schwärmte Julian Draxler.

Aber auch der unermüdliche Adam Szalai und die stark verbesserten Höger und Roman Neustädter wirkten beflügelt von der Energie, die Boateng ausstrahlt. So wurde der Leistungsschub jedenfalls von der Mehrzahl der Experten interpretiert, wobei Heldt nicht überzeugt war von dieser naheliegenden Konklusion. "Ich sage ehrlich: Ich weiß es nicht", erwiderte er auf die Frage nach den Ursachen für die königsblaue Metamorphose und spekulierte: "Es ist wohl eine Mischung aus dem Weiterkommen in der Champions League, den neuen Spielern und der guten Stimmung im Stadion."

Dass Boatengs Aura das Team mit einer neuen Qualität ausstattet, scheint aber schon nach diesem ersten Spiel klar zu sein. "Ich kenne Kevin schon seit wir 16 Jahre alt waren, er hat schon in der Jugend mit seinem robusten Auftreten und seinem Selbstbewusstsein für Angst beim Gegner gesorgt", sagte Dennis Aogo, der zweite Zugang, dem ebenfalls ein starkes Debüt gelungen war. Und in der Tat wirkte Leverkusen, das zuletzt acht Spiele in Serie gewonnen hatte, gehemmt, und eingeschüchtert. "Wir hatten heute nicht die Mittel und nicht die Zielstrebigkeit", räumte Sportdirektor Rudi Völler ein.

Bis auf einen Kopfball von Emir Spahic nach einer Ecke (80.) hatte die zuletzt so gefeierte Offensive der Werkself keine einzige gute Torchance, und das war auch der Verdienst Aogos, dem gelang, was Christian Fuchs seit vielen Monaten vergeblich versucht: die linke Abwehrseite abzudichten. Trainer Jens Keller bescheinigte dem Leihspieler aus Hamburg ebenfalls ein "überragendes Debüt".

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Wie nachhaltig die erstaunlichen Effekte der Transfers sind, ist aber völlig unklar, denn vor allem die Ankunft Boatengs birgt Risiken. Julian Draxler muss dem Anschein nach seine Lieblingsposition in der Offensivzentrale an den Deutsch-Ghanaer abgeben und fortan links spielen, tapfer sagte er: "Es geht nicht um Kevin-Prince oder um mich, sondern um Schalke". Außerdem habe der neue Anführer "vor dem Spiel zu mir gesagt, wir können gerne rochieren, das wird sich schon finden."

Immerhin scheint sich Boateng der Gefahren bewusst zu sein. Er war eindeutig um Demut bemüht, gestenreich entschuldigte er sich für jeden Fehlpass und nach dem Spiel sagte er: "Ich sehe mich nicht als Leader, ich versuche nur, die Mannschaft zusammen zu halten." Es wird spannend, wie sich das Gefüge dieses charakterlich nicht ganz einfachen Kaders in der neuen Konstellation sortieren wird.

Wobei sich die ja noch verändern kann. Manager Heldt schloss weitere Transfers nicht aus, nicht einmal der Verbleib Draxlers ist zu 100 Prozent gewiss. "Wenn der Verein zu mir kommt, und sagt, wir wollen Dich unbedingt verkaufen, dann werde ich natürlich nicht sagen: Hey, ich will jetzt aber hier bleiben", sagte der 19-Jährige. Dieses Szenario ist aber höchst unwahrscheinlich, denn mit so einer Aktion wäre der ganze schöne Stimmungsumschwung mit einem Schlag wieder zerstört.

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