Schalke in der Champions League:Erst Schlagbohrer, dann Frauenkloster

Galatasaray vs Schalke 04

Jermaine Jones: Zunge raus nach dem Treffer zum 1:1.

(Foto: dpa)

Mit einem couragierten Auftritt erarbeitet sich Schalke 04 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League ein 1:1 bei Galatasaray Istanbul, das sich in der Winterpause noch prominent mit Wesley Sneijder und Didier Drogba verstärkt hat. Schalkes Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale sind beachtlich.

Seit Anfang November befindet sich Schalke 04 in einer Krise. Doch in der Champions League schlägt sich das nicht nieder. Der Bundesligist hat etwas geschafft, das sogar dem FC Bayern oder Barça versagt blieb: Er hat sich noch keine Niederlage geleistet. Das blieb auch im Achtelfinal-Hinspiel so, weil sich die Westfalen bei Galatasaray Istanbul ein 1:1 verdienten - und das, obwohl sich die Türken in der Winterpause prominent verstärkt hatten: mit Wesley Sneijder (2010 mit Inter Champions-League-Sieger gegen Bayern München) und Didier Drogba (2012 mit Chelsea Champions-League-Sieger gegen Bayern München).

Schalkes Chancen auf den Einzug ins Viertelfinale sind im Rückspiel am 12. März unerwartet groß. "Im Großen und Ganzen war das eine sehr gute Leistung", lobte der umstrittene Trainer Jens Keller sein Team und sich selbst.

Schon der Auftakt in Istanbul war verheißungsvoll für den Bundesligisten. Vom Anstoß weg gelang den Gästen eine Kombination über fast 20 Stationen - bis Jermaine Jones über links in den Strafraum eindrang und Torwart Muslera zu einer Parade in der ersten Spielminute nötigte.

Zehn Minuten lang kontrollierten die Schalker das Geschehen souverän, von Nervosität in der oft (und zu Recht) gescholtenen Abwehr war zunächst nichts zu spüren - auch weil Trainer Keller vorab reagiert hatte. Christian Fuchs hatte Schalke zwar durch sein Fernschusstor im November gegen Piräus den Gruppensieg beschert, doch in seiner ursprünglichen Rolle als Linksverteidiger war er zuletzt zum Sicherheitsrisiko geworden.

Statt auf ihn setzte Keller auf Sead Kolasinac, noch keine 20 Jahre alt und in dieser Saison erst mit einer Aufstellung in der Startelf - beim 0:4 in München vor elf Tagen. Doch Kolasinac war nicht nur eifrig (oft gegen den ehemaligen Schalker Hamit Altintop und den auf den Flügel ausweichenden Stareinkauf Didier Drogba), sondern auch konzentriert. So wie auch Innenverteidiger Joel Matip, der ebenfalls schwere Wochen hinter sich hat.

Aber was hilft das, wenn andere patzen?

Jones trifft, Draxler vergibt

In der zwölften Minute unterlief Roman Neustädter ein Fehlpass im Spielaufbau, und er konnte für diesen Lapsus nicht einmal den schlüpfrigen Rasen verantwortlich machen, aus dem fast bei jedem Abstoppen oder Grätschen ein großer Fladen rausgerissen wurde. Der zentral am Strafraumrand eingesetzte Burak Yilmaz setzte sich im Zweikampf geschickt per Hackentrick gegen Benedikt Höwedes durch und schoss den Ball hart zum 1:0 in die Mitte des Tores über den früh Richtung Boden gehenden Torwart Hildebrand - bereits das siebte Tor des Mittelstürmers im siebten Champions-League-Spiel dieser Saison.

Die Schalker zeigten sich aber nicht sonderlich schockiert, spielten wie schon am Samstag beim 2:2 in Mainz nach vorne und fanden schon bald Lücken beim Gegner.

In der 16. Minute standen nach Höwedes' Kopfballverlängerung Huntelaar und Verteidiger Matip völlig frei am zweiten Pfosten, doch obwohl Matip die bessere Position zum Ball hatte, versuchte der gerade ins Team zurückgekehrte Niederländer, die Kugel ins Tor zu bugsieren. Das klappte nicht, der Ball kullerte ins Toraus. Zyniker werden behaupten, dass es an der jüngsten Augenverletzung des Torjägers lag, die ihn zu einer Pause gezwungen hatte, dass er den Mitspieler nicht sah.

Nur wenn es Galatasaray gelang, direkt zu kombinieren, brachte es die Schalker in Verlegenheit. Drogba vernaschte Neustädter (18.), bekam den Ball anschließend von Sneijder maßgerecht in den Lauf gespielt. Hildebrand parierte den scharfen Linksschuss, Hamit Altintops Nachschuss knallte an die Latte - bereits sein siebter Aluminium-Treffer in dieser Spielzeit. Später bediente Drogba (38.) Burak Yilmaz, doch Hildebrand verkürzte geschickt den Winkel und verhinderte noch einmal das 2:0. Ansonsten spielten sich die brisanten Situationen bis zum Wechsel auf der Gegenseite ab. Draxler und Farfan kombinierten bis in den Strafraum (20.) und zwangen Semih fast zu einem Eigentor. Huntelaar verpasste bei einem Konter den Moment fürs Abspiel (39.).

Wie es besser geht, demonstrierte Jefferson Farfan. Er zog bei einem Schnellangriff zwei Gegner auf sich (45.), behielt im vollen Lauf die Übersicht, legte zwischen den Gegnern quer auf den frei in den Strafraum eindringenden Jermaine Jones, der aus zwölf Metern mit rechts kühl zum verdienten 1:1 abschloss - eine Entschädigung für den Mittelfeldrackerer, der im Rückspiel fehlen wird, da er für das Fordern einer Verwarnung (36.) seine dritte gelbe Karte im Wettbewerb sah. "Das war dumm", gab Jones später zu.

Hatte die Geräuschkulisse vorher an eine Baustelle mit mehreren Presslufthämmern erinnert, wähnte man sich nun in einem Frauenkloster. Und auch Galatasarays Spieler waren beeindruckt. In der zweiten Halbzeit fanden sie lange nicht ins Spiel, zu ungenau wurden die Bälle in die Spitze gespielt. Schalke hatte mehr vom Spiel und die große Chance zur Führung (55.), doch nach einer klugen Vorlage von Draxler in den Rücken der Abwehr nahm Farfan dem einschussbereiten Neustädter den Ball am Elfmeterpunkt vom Fuß und scheiterte an Verteidiger Sabri, der für Muslera rettete.

Der Istanbuler Acker verhinderte zunehmend flüssige Kombinationen, Höwedes' vertändelter Ball blieb folgenlos (65.), Huntelaar schoss in seiner letzten Szene (75.) deutlich über das Tor, eröffnete damit aber eine lebhafte Schlussphase, in der auch die Türken wieder aktiver wurden. Burak Yilmaz verzog knapp (77.) nachdem er Höwedes zum wiederholten Mal versetzt hatte. Hildebrand parierte einen Fernschuss von Sabri (79.). Draxler ließ im Gegenzug eine gute Konterchance aus (80.). Danach passierte nichts mehr, so dass Jones frech bilanzieren konnte: "Ich hoffe, dass ich im Viertelfinale wieder mitspielen kann."

Statistiken zum Spiel

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