Schalke-Remis in Hoffenheim:Spiel ohne Abwehr

1899 Hoffenheim v FC Schalke 04 - Bundesliga

Mann für Alles bei Schalke 04: Kevin-Prince Boateng.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Wer braucht schon eine Defensive? Dank unzulänglicher Abwehrarbeit entwickelt sich zwischen Schalke 04 und 1899 Hoffenheim eine torreiche Partie. Am Ende müssen sich vor allem die Schalker über das 3:3 ärgern. Aushilfs-Mittelstürmer Kevin-Prince Boateng übt deutliche Kritik an seinen Kollegen.

Von Johannes Mitterer

Die Liste der Verletzten ist lang beim FC Schalke 04. Und sie wurde noch länger, als sich vor dem Spiel gegen Hoffenheim auch noch Julian Draxler (Knie) und Huntelaar-Vertreter Adam Szalai (Grippe) zu ihren zahlreichen Kollegen ins Mannschafts-Lazarett gesellten. Vielleicht hätte sich Trainer Jens Keller hinsichtlich dieser Vorzeichen mit dem 3:3-Unentschieden seiner Mannschaft in Sinsheim zufrieden gegeben, doch der Spielverlauf sorgte für reichlich Frustration auf Seiten der Königsblauen.

"Ich bin stinksauer, wir führen hier 2:0, dann 3:1, das darf nicht passieren. Und dann spielen wir bisschen Hacke hier, Hacke da, und dann kommt Hoffenheim zurück", wütete Kevin-Prince Boateng nach der Partie. "Am Ende müssen wir froh sein, dass wir nicht verloren haben", pflichtete ihm Trainer Keller bei, "eine Leistung wie in der zweiten Halbzeit kann ich nicht akzeptieren."

Boateng selbst hatte in der dritten Minute den Führungstreffer erzielt. Joel Matip (13.) und Marco Höger (40.) erhöhten, die Hoffenheimer Anthony Modeste (16.), Roberto Firmino (48.) per Foulelfmeter und David Abraham (61.) erarbeiteten noch den Ausgleich. Sechs Treffer in 61 Minuten - zweitweise wirkte es, als hätten beide Teams ihre Abwehrreihen zu Hause gelassen. "Wir müssen für unsere Spiele bald einen Erlebniszuschlag erheben", scherzte Hoffenheims Coach Markus Gisdol.

Sein Kollege Keller sah sich vor dem Spiel mit einer klaffenden Lücke im Schalker Sturmzentrum konfrontiert, die er mit reichlich Kreativität stopfte, indem er den ursprünglich als Mittelfeld-Stütze verpflichteten Kevin-Prince Boateng ins Sturmzentrum beorderte. Der 18-jährige Max Meyer übernahm dafür Boatengs Posten im offensiven Mittelfeld. Selten zuvor dürfte sich eine derartige Umstellung schneller bezahlt gemacht haben. Exakt 158 Sekunden waren gespielt, als Marco Höger auf den startenden Meyer verlängerte, der von rechts mit einem klugen Pass Boateng bediente. Der einstige Milan-Akteur schob bei seinem ersten Ballkontakt zum 1:0 ein (3. Minute).

Beflügelt von den Anfangsminuten dauerte es gerade einmal weitere zehn Minuten, bis Joel Matip einen Farfan-Freistoß aus dem Halbfeld zur 2:0-Führung an Hoffenheim-Keeper Koen Casteels vorbei ins Netz köpfte. Überhaupt boten die Schalker in Halbzeit eins eine souveräne Leistung dar, Hoffenheims Abwehr machte einen bemitleidenswerten Eindruck. Lediglich ein individueller Fehler unterlief den Gästen, als Schlussmann Timo Hildebrand eine Hereingabe von Kevin Volland nicht festhalten konnte: Modeste nutzte die einzige Gelegenheit und schob zum Anschlusstreffer ein (16.).

Kuriose zweite Halbzeit

Ansonsten sorgte Jermaine Jones von der Sechser-Position aus für defensive Kompaktheit auf Seiten der Schalker, während sein Nebenmann Höger zusammen mit seinen Vorderleuten Meyer und Boateng, der sich zwischendurch immer wieder als Ballverteiler ins Mittelfeld zurückzog, die offensiven Impulse gab. Da sich die hoch stehenden Gastgeber in der Defensive deutlich weniger sattelfest präsentierten, legten die Schalker kurz vor der Pause sogar noch das 3:1 nach: Diesmal war es Höger, der mit einem absurd unbedrängten 30-Meter-Solo die gesamte Hoffenheimer Hintermannschaft in Verlegenheit brachte und schließlich den heraneilenden Casteels tunnelte (40.).

Alles klar schon zur Halbzeit? Von wegen. Die defensive Disziplin, die die Schalker in den ersten 45. Minuten ausgezeichnet hatte, schien auf dem Weg in der Halbzeitpause allerdings irgendwo verloren gegangen sein. Kaum war die Partie wieder angepfiffen, foulte Dennis Aogo den angreifenden Volland fernab jeglicher Torgefahr im eigenen Sechzehner. Den fälligen Elfmeter verwandelte Roberto Firmino ohne Probleme (47.).

Im Anschluss übernahmen die Hoffenheimer die Initiative, während sich die Gäste zusehends in die eigene Hälfte zurückdrängen ließen. Der Treffer zum 3:3-Ausgleich war demnach weniger überraschend als seine Entstehung: Innenverteidiger David Abraham zirkelte einen Freistoß gekonnt über die Mauer in den linken Winkel. Diesmal war die Gelsenkirchener Defensive chancenlos.

Den Schalkern gelang es anders als in Hälfte eins nicht mehr, die Lücke zu füllen, die im Mittelfeld durch Boatengs Vorrücken auf die Stürmerposition entstanden war. Dies erkannte auch Coach Keller, der im Sinne einer letzten Schlussoffensive doch noch den angeschlagenen Stürmer Szalai aktivierte und Boateng ins Zentrum zurückbeorderte.

Doch auch das sollte den Schalkern nicht zu mehr Stabilität verhelfen, die sich letztlich glücklich schätzen müssen, dass den Hoffenheimern nicht noch der Siegtreffer gelang. Zuerst enteilte Firmino all seinen Gegenspielern, setzte seinen Schuss aber über Hildebrand an die Latte (84.). Danach umdribbelte Sven Schipplock den Schalker Schlussmann, scheiterte aber aus spitzem Winkel an den herbeigrätschenden Schalker Verteidiger-Beinen (88.).

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