Schalke 04:Raus aus der Randexistenz

23 10 2016 Max Meyer FC Schalke 04 freut sich über sein Tor zum 2 0 beim BL Spiel Saison 2016 1

"Der Junge ist gebrummt ohne Ende", lobte Schalke-Manager Christian Heidel den Angreifer Max Meyer, 21, nach dem 3:0 gegen Mainz.

(Foto: Pakusch/imago)

In seiner neuen Rolle erhält Schalkes junger Nationalspieler Max Meyer viele Komplimente - inzwischen auch nicht mehr bloß von sich selbst.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

An Komplimenten für Max Meyer hat es am Sonntagabend im Schalker Stadion nicht gemangelt, sie hatten allerdings einen auffallend pädagogischen Unterton. "Der Junge ist gebrummt ohne Ende", stellte Manager Christian Heidel in seiner ganz eigenen Fachsprache fest, "auch er hat verinnerlicht, dass für einen offensiven Mittelfeldspieler die Defensivarbeit auf dem Stundenplan steht." Ähnlich äußerten sich die anderen Lobredner von Kapitän Benedikt Höwedes ("Max hat vorne die erste Abwehrreihe gebildet") bis Trainer Markus Weinzierl, der ebenfalls lieber die Verteidigerdienste des 21 Jahre alten Nationalspielers hervorhob als dessen offensive Künste und den Treffer, den er zum 3:0-Sieg gegen Mainz 05 beitrug.

Der Einzige, der Meyer diese spezielle Anerkennung versagte, das war Meyer selbst. Ihm war sichtlich unbehaglich zumute, als er mit den freundlichen Worten der Schalker Autoritäten konfrontiert wurde. "Vielleicht" habe es "so ausgesehen", dass er sich mehr als sonst um das Stören des gegnerischen Spiels bemüht habe, bemerkte er spitz. Man durfte diese Bemerkung durchaus als Distanzierung interpretieren. Er mag es nicht, auf die Mängel in seinem Spiel angesprochen zu werden.

Max Meyers Karriere hat in dieser Saison zwei Wege genommen, die auf widersprüchliche Art auseinanderführten. Der eine in die nationale Prominenz, der andere in die Schalker Randexistenz. Einerseits hat ihn Horst Hrubesch bei Olympia in Rio zum Kapitän der deutschen Elf befördert und Joachim Löw ihn nachfolgend zu zwei Länderspielrunden eingeladen, wobei es der Bundestrainer nicht unterließ, die Talente des Neulings zu preisen. Andererseits sah sich Meyer im Verein gleich doppelt auf ungeliebte Positionen verschoben: entweder auf einen Außenposten im Mittelfeld oder auf die Ersatzbank. Dass ihm das nicht gefallen hat, das hat Meyer, 21, während der vergangenen Wochen nicht verschwiegen, sobald ihn, was regelmäßig geschah, ein Reporter darauf ansprach. Auch jetzt wies er wieder darauf hin, dass ihn sein Schalker Dasein wochenlang nicht befriedigt habe. "Der Trainer hatte seine Gründe, warum er mich nicht hat spielen lassen. Das muss ich akzeptieren", sagte er.

Die Gründe hat Weinzierl am Sonntag ohne Rücksicht auf Diskretion in Erinnerung gerufen. Es ging darum, dass Meyer im offensiven Mittelfeld das defensive Engagement respektive "das Anlaufverhalten" hatte vermissen lassen. Weshalb der Trainer die Aufgabe des zentralen Spielgestalters an Leon Goretzka weiterreichte. Dass Weinzierl damit keinen Fehler gemacht hat, das hat unter anderem das 1:0 gegen Mainz beispielhaft belegt: Erst raubte Goretzka dem Mainzer Yunus Malli rigoros den Ball, dann schlug er die Flanke in den Strafraum, die Franco di Santo zur Ablage auf den Torschützen Nabil Bentaleb nutzte. Ein Spielzug, den der Trainer Weinzierl garantiert genossen hat. Er drückte wesentliche Elemente seiner Lehre aus. Dynamik, Tempo, Entschlossenheit, Aggressivität und noch mehr Aggressivität gegen Ball und Gegner - das waren die Attribute, die in den besten Tagen seine Mannschaften beim FC Augsburg auszeichneten.

Jetzt mehren sich die Hinweise, dass auch die Schalker willens und bereit sind, diese aufreibende Spielweise anzunehmen. Erstmals in der laufenden Saison langten Spielvermögen und Einsatzkraft für zwei Halbzeiten und den Eindruck von Souveränität. "Ich glaube, dass die Tendenz stimmt", sagte Weinzierl mit aller gebotenen Vorsicht. Nächste Woche steht das Derby in Dortmund an.

Max Meyer hat es zwar geleugnet, aber auch er gab deutlich zu erkennen, dass er nicht zu den Verlierern der Schalker Systemwende gehören möchte. Dieser Mannschaft gehörten sehr viele nette Jungs an, hat Heidel zu Beginn der Saison konstatiert, er hat das aber nicht als Kompliment gemeint. Schalke sei zu brav und zu bequem und zu selbstgefällig, lautete die erste Bestandsaufnahme, die auch den zwar ehrgeizigen, aber nicht sonderlich selbstkritischen Meyer einbezog, weshalb das amtlich anerkannte Groß-Talent vermehrt auf der Bank landete. Nun hat Weinzierl einen Platz für den begnadeten Techniker gefunden, als zweite Spitze hinter dem aus der Versenkung hervorgeholten Mittelstürmer di Santo (der außer von Breel Embolos Verletzung von Klaas-Jan Huntelaars Kursverfall profitiert). Es ist eine Position, die vielfältige Perspektiven schafft: Für di Santo und für Meyer und für die Mannschaft, die mehr Torgefahr hervorbringt, weil auch die spielstarken Goretzka und Bentaleb öfter in Schussposition kommen. "In der letzten Zeit sprechen die Leistungen für mich", glaubt Max Meyer. Dieses Kompliment hat er immerhin gelten lassen.

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