Schalke 04:Neuer bester Kumpel

Bei seiner Vorstellung als Trainer des FC Schalke 04 übt sich Domenico Tedesco in Demut. Er soll sein großes Talent als Taktiker beweisen.

Von Sebastian Fischer

Als der Fußballtrainer Domenico Tedesco im Frühling seinen Job als Trainer des Zweitligisten FC Erzgebirge Aue antrat, war er nicht nur ein Neuling im Profifußballgeschäft, sondern auch neu im Erzgebirge. Er wusste wenig über die Region, so hat er es später erzählt. Er stellte sich seinen neuen Kollegen auf der Geschäftsstelle vor, steckte hier mal seinen Kopf in die Tür und lauschte dort. Und in jedem Gespräch registrierte er eine ihm unbekannte landestypische Grußformel. Doch anstatt die Augen zu verdrehen, hat er sie sich gemerkt. Und bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Auer Trainer wiederholte er sie einfach: "Glück auf!"

Etwa drei Monate später hat Tedesco sich schon wieder in einer neuen Stadt vorgestellt. Wieder sagte er zur Begrüßung "Glück auf", so sagt man das halt auch im Ruhrgebiet. Tedesco, noch immer erst 31 Jahre alt, aber mittlerweile bekannt als einer der talentiertesten Vertreter seiner Branche, ist nun Trainer beim FC Schalke. "Ich gehe mit Demut an die Sache heran", sagte er am Mittwoch etwas zittrig in die Kameras, die ihn bei seiner ersten Pressekonferenz filmten. So etwas musste er fast schon sagen, denn er weiß auch, dass die Anstellung eines so jungen Trainers bei einem so alten Verein als Wagnis gilt. Andererseits: Da kann er nix dafür. Fußball, findet Tedesco nämlich, ist überall gleich.

FC Schalke 04 Unveils New Signing Head Coach Domenico Tedesco

Der Neue trägt schon Königsblau: Domenico Tedesco bei seiner Vorstellung auf Schalke.

(Foto: Christian Charisius/Getty Images)

Die Erklärung der Personalie war Manager Christian Heidel vorbehalten, der auf dem Podium neben Tedesco saß. Heidel hat vor zwei Wochen den Trainer Markus Weinzierl entlassen, den er vor einem Jahr verpflichtet und Kontinuität auf Schalkes traditionell von Fluktuation geprägter Trainerstelle versprochen hatte. "Es war im Nachhinein eine falsche Entscheidung", sagte Heidel. Er schaute, als hätte ihm jemand einen BVB-Schal umgelegt. Und dann erklärte er seine Überzeugung, nun mit einem Zweijahresvertrag für Tedesco eine richtige Entscheidung zu treffen.

Dass Tedesco taktisch sehr versiert sei, sagte Heidel zunächst. Doch das war ja durchaus schon bekannt. Tedesco, geboren in Kalabrien, aufgewachsen in Esslingen, arbeitete sich als junger Trainer in der Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart nach oben, studierte und arbeitete, wurde von der TSG Hoffenheim abgeworben. Als Hoffenheimer A-Jugend-Trainer absolvierte er den Fußballlehrer-Lehrgang und schloss mit der Note 1,0 ab, gemeinsam mit Julian Nagelsmann. Seit Tedesco in der vergangenen Zweitliga-Rückrunde bewies, sein Wissen auch anwenden zu können - er schaffte mit den im Winter längst abgeschriebenen Auern den Klassenverbleib -, wurden die beiden oft hintereinander genannt. Nagelsmann, 29, der in der kommenden Saison mit Hoffenheim in der Champions-League-Quali antritt, auch Stuttgarts Hannes Wolf, 36, und Tedesco: Sie sind die Vertreter der jungen Trainergeneration, die lieber eine Analyse auf dem Taktik-Portal Spielverlagerung.de liest als die Bild-Kolumne von Peter Neururer.

Der Spieler Konopljanka nannte Markus Weinzierl einen Feigling - mit Tedesco ist er schon per Du

Wobei: Das Klischee vom Taktik-Streber hat Tedesco bereits in Aue widerlegt. Zwar überzeugte er den Vorstand damals auch mit einem Fachvortrag über das Verteidigen von Eckbällen im Raum, doch später vor allem mit der Gabe, Menschen verbinden und verstehen zu können. Die Geschichte vom "Glück auf!" ist nicht der einzige Beleg. Er begann den Abstiegskampf damit, jeden Spieler in einem mindestens 15 Minuten langen Gespräch kennenzulernen. Heidel lobte Tedescos "sehr große Kommunikationsbereitschaft".

14 Jahre, 14 Chefs: Die Trainer des FC Schalke 04 seit 2003

Jupp Heynckes * 7/2003 - 9/2004

Ralf Rangnick 9/2004 - 12/2005

Mirko Slomka 1/2006 - 4/2008

Mike Büskens 4/2008 - 6/2008

Fred Rutten 7/2008 - 3/2009

Mike Büskens 3/2009 - 6/2009

Felix Magath 7/2009 - 3/2011

Ralf Rangnick 3/2011 - 9/2011

Huub Stevens 9/2011 - 12/2012

Jens Keller 12/2012 - 10/2014

Roberto Di Matteo 10/2014 - 6/2015

André Breitenreiter 7/2015 - 6/2016

Markus Weinzierl 7/2016 - 6/2017

Domenico Tedesco ab 7/2017

* Interimstrainer für wenige Tage nicht berücksichtigt

Auch wenn Heidel dies nicht darlegte, war es eben jene Eigenschaft, die der ebenfalls als talentiert geltende Weinzierl nicht mehr einzubringen vermochte. Er habe mit manchen Mitarbeitern und Spielern wochenlang nicht geredet, heißt es - und scheiterte daran, seine Spielidee zu vermitteln. Schalke wurde Zehnter. Der Spieler Jewgeni Konopljanka nannte Weinzierl jüngst in einem Interview einen "Feigling". Tedesco nennt Konopljanka bereits "Kono", er habe den Ukrainer beim Frühstück kennengelernt und sich mit ihm geeinigt, dass solche Interviews "nicht gehen". Jetzt soll er eine neue Chance erhalten.

Nun ist es nicht unüblich, dass mit einem neuen Trainer allerlei neue Chancen und Hoffnungen einziehen. Aber Heidel konnte immerhin ein paar historische Belege anführen, warum es diesmal funktionieren könnte. Er sei immer schon ein Förderer junger Trainer gewesen, sagte Heidel, der in Mainz zunächst mit Jürgen Klopp und später mit Thomas Tuchel arbeitete.

Über seine Pläne hat Tedesco noch nicht gesprochen, sie entstehen gerade erst. In Aue stellte er auf Dreierkette um, mit einer Art Quarterback im Zentrum. Und auf Schake? Die Qualität der Spieler stehe im Vordergrund, "der Trainer hat sich ein Stück weit anzupassen", sagte er, fast schüchtern. Er will erst mal die Spieler kennenlernen. Sie dürfen ihn duzen, sagt er. Außerdem sucht er noch einen Co-Trainer.

Mit den Mitarbeitern hat Tedesco, wie in Aue, derweil schnell Bekanntschaft gemacht. Offenbar mit Gewinn. Denn als sie ihn, den jungen Neuen, in die Schalker Fußballkultur einwiesen, da habe er "Glanz in den Augen" gesehen, berichtete er.

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