Schalke nach Pokal-Aus:Kommt ein Santana geflogen

SG Dynamo Dresden - FC Schalke 04

Selten rustikal: Felipe Santana (l.) verursachte gegen Dresdens Luca Dürholtz einen Elfmeter.

(Foto: dpa)

Die Macher des FC Schalke 04 reagieren verärgert auf das 1:2 in der ersten Pokal-Runde bei Dynamo Dresden. Besonders Verteidiger Felipe Santana steht in der Kritik. Doch auch Trainer Jens Keller muss damit rechnen, bereits wieder misstrauisch beäugt zu werden.

Von Thomas Hummel

Benedikt Höwedes muss das Verlieren erst wieder lernen. Im fernen Brasilien gelang es ihm und seinen Kameraden, sieben Mal unbesiegt zu bleiben. Zurück in Deutschland feierte er wenig später die Stadtmeisterschaft seines Heimatklubs TuS Haltern. Auch da gab es einen schönen Pokal, den der Weltmeister in den Händen hielt. Den Pokal des Deutschen Fußball-Bundes hingegen, den wird Benedikt Höwedes so schnell nicht mehr berühren.

Sein FC Schalke 04 flog am Montag bereits in der ersten Runde raus aus dem Wettbewerb des DFB-Pokals. Beim Drittligisten Dynamo Dresden gab es ein 1:2. Benedikt Höwedes sah die Niederlage seiner Mannschaft von der Ersatzbank aus. Nach nur wenigen Trainingseinheiten seit seinem WM-Urlaub wollte ihn Trainer Jens Keller nicht von Beginn an bringen. Und um einen Rückstand aufzuholen, wechselt man nicht einmal einen Weltmeister-Verteidiger ein.

"Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß"

Ohne Höwedes erlebte Schalke das, was man im Fußballland eine Blamage nennt. Wenn ein Champions-League-Teilnehmer gegen einen Drittligisten verliert, ergießt sich Hohn und Spott über den Favoriten. Die Verantwortlichen selbst versuchten erst gar nicht, etwas zu verharmlosen.

"Die Enttäuschung ist natürlich riesengroß. Wir haben den Fehler gemacht, dass wir hinten zu fahrlässig agiert haben. Vorne haben wir die Möglichkeiten nicht konsequent zu Ende gespielt", sagte Sportdirektor Horst Heldt. Sein Trainer Jens Keller kritisierte: "Wir haben viel zu langsam gespielt und waren nicht druckvoll genug. Viele Spieler sind nicht an ihre Leistung gekommen, wir hatten fünf oder sechs Totalausfälle."

Im Grunde war das nicht einmal verwunderlich. Schalke hatte schon Testspiele zuvor verloren, wenngleich gegen nominell stärkere Gegner aus England. Tottenham Hotspur (1:2), West Ham United (6:7) und Newcastle United (1:3) waren zu gut. Nur gegen Stoke City gelang ein 2:1. Dass bei Schalke vieles noch nicht passt, ist bekannt. Mit Jan Kirchhoff, Jefferson Farfán, Leon Goretzka haben sich drei Stützen des Teams mit Verletzungen abgemeldet. Mit Höwedes, Julian Draxler und Klaas-Jan Huntelaar kamen drei weitere Stars sehr spät zurück von der WM.

Auf der anderen Seite wartete Dynamo Dresden: Eine nach dem Abstieg völlig neu zusammengestellte Mannschaft mit vielen verheißungsvollen Talenten. Der ehemalige U17-Trainer beim DFB, Stefan Böger, brachte sein Wissen um den deutschen Nachwuchs in der Akquise ein. Die Dresdner waren mit zehn Punkten aus vier Partien glänzend in die Saison gestartet und hatten den Schalkern einige Wochen an Pflichtspielbetrieb voraus. Diesen Nachteil hatten bereits der VfB Stuttgart, der FC Augsburg, der SC Paderborn und der FSV Mainz 05 gespürt, die ebenfalls gegen unterklassige Klubs ausgeschieden waren.

Beginnt gleich eine neue Keller-Debatte?

Dazu kam ein wie so häufig enthusiastisches Publikum in Dresden, in dem diesmal die bekannten Chaoten stillhielten. Dynamo war ja nach Zuschauer-Randalen in der vergangenen Saison vom DFB für den Pokal gesperrt worden.

So kam es, dass die Schalker zwar ihre Klasse am Ball demonstrierten und zunächst ein Übergewicht erspielten. Doch Dresden präsentierte sich forsch in den Zweikämpfen und scharf in den Kontern. Einer kam nach 24 Minuten bei Luca Dürholtz an, den Felipe Santana in selten gesehener Rustikalität ummähte. Der Elfmeter war glasklar und Justin Eilers verwandelte zum 1:0. Santana zog sich ob der tollpatschigen Aktion den Unmut seiner Vorgesetzten zu: "Der Elfmeter war berechtigt. Diese Situation muss man ganz anders lösen", schimpfte Heldt.

Doch nicht nur Santana, die gesamte Schalker Defensive schien am Montagabend noch nicht im Pflichtspiel-Modus zu laufen. Vor dem 0:2 stiefelte Rechtsverteidiger Marco Höger im Laufduell dem Dresdner Marvin Stefaniak hinterher, dessen Hereingabe verstolperte Joel Matip, erst so kam Nils Teixeira in die Situation, den Ball herrlich per Volleyabnahme ins Eck zu versenken (49.).

Sogar Huntelaar hatte gegen die Drittliga-Abwehr kaum eine Torchance

Dass den Schalkern auch im Spiel nach vorne Entschlossenheit und Tempo fehlte, zeigte die Tatsache, dass erst eine Aktion der beiden gescholtenen Innenverteidiger zum Anschlusstreffer führte. Santana scheiterte noch an Torwart Benjamin Kirsten, den Abpraller köpfte Matip zum 1:2 ins Tor (78.). Der eingewechselte Julian Draxler kurbelte das Spiel zwar zielstrebig an, doch selbst der sonst so treffsichere Huntelaar kam gegen die Drittliga-Abwehr zu kaum einer Torchance. Der beste Offensivspieler war noch der aus Mainz gekommene Eric Maxim Choupo-Moting.

Jens Keller wirkte hochgradig verärgert nach der Partie. Er wird spüren, dass ihn trotz der famosen Rückrunde in der vergangenen Saison weiterhin viele in und um Schalke misstrauisch beäugen. Die Geschichte rund um die Geheimgespräche mit Thomas Tuchel flog auf und verstärkte den Eindruck, dass die Klubspitze lieber einen anderen auf dem Trainerposten sehen würde. Jens Keller wartet derzeit darauf, dass der Klub mit ihm über die Verlängerung seines 2015 auslaufenden Vertrags spricht. Die Niederlage in Dresden hat den Eifer seiner Chefs sicher nicht angespornt. "Wir werden in aller Ruhe einen Zeitpunkt finden und uns dem Thema annehmen. Dann werden wir uns erklären", sagte Heldt dazu.

Am Samstag beginnt die Bundesliga-Saison für Schalke in Hannover, dann kommt der FC Bayern, anschließend geht's nach Mönchengladbach. Mit der Leistung von Dresden droht nach drei Spieltagen ein Abstiegsplatz. Allerdings wird in diesen Partien bestimmt wieder Benedikt Höwedes dabei sein. Und der Weltmeister hat wenig Lust, sich an das Gefühl einer Niederlage zu gewöhnen.

Hier finden Sie alle Ergebnisse der ersten Runde des DFB-Pokals

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