Schalke 04:Merkmale einer Hetzjagd

Schalke's Sead Kolasinac

Nur auf den ersten Blick erinnert die Maske des Schalkers Sead Kolasinac an einen Karnevalsgag. Dahinter steckt eine gebrochene Nase, die er sich bei einem seiner unzähligen Kämpfe zugezogen hat.

(Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Die Leistungsträger sind angeschlagen, die Pfade Richtung Europa werden enger: Schalke 04 steht in Liga und Pokal vor schweren Wochen.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Sead Kolasinac schien auf dem Weg in den Karneval zu sein, als er nach Schalkes 1:1 gegen Hoffenheim aus der Kabine kam. Schwarze Abdrücke auf den hohen Wangenknochen zierten sein Gesicht, offenbar gedachte er als Indianer mit Kriegsbemalung zu gehen - eine Verkleidung, die durchaus mit seiner Berufsauffassung als Guerilla-Verteidiger korrespondiert. Auch in der Partie am Sonntag machte Kolasinac immer wieder den Eindruck, als wäre er auf dem Kriegspfad, wobei er es auch diesmal nicht versäumte, sich um das Wohlergehen der Gegenspieler zu kümmern, nachdem er sie gerade noch zielsicher niedergestreckt hatte. Es war daher keine Schminke, die der Schalker Linksaußen am Sonntagabend aufgetragen hatte, es waren die Spuren von tausend Zweikämpfen, die ihn zurzeit zeichnen. In der Vorwoche hatte Kolasinac einen Nasenbeinbruch erlitten, und am Sonntag zeigte er nach 79 Minuten an: Es geht nicht mehr. Feierabend. Kaputt.

Markus Weinzierl wusste möglicherweise in diesem Moment nicht, was er lauter beklagen sollte: Dass Hoffenheim eben den Ausgleich erzielt hatte, oder dass Kolasinac den Gegentreffer nicht verhinderte, weil er wegen einer Verletzung nicht mehr hinterherlaufen konnte. Der 23-Jährige, zum Saisonende ablösefrei und international begehrt (u. a. Juventus Turin, FC Chelsea), erfüllt in Schalkes Spiel mehrere elementare Aufgaben: Einerseits treibt er den Ball über links nach vorn und ist damit einer der wichtigsten Offensivleute, andererseits schirmt er die linke Seite gegen Bedrohungen fremder Mächte ab und ist damit einer der wichtigsten Defensivleute. So hatte er neulich in München auch sehr überzeugend Arjen Robben die Freude am Spiel verdorben, weshalb er beim Wiedersehen am Mittwochabend im DFB-Pokal den gleichen Spezialauftrag erfüllen sollte. Dass Kolasinac sich nun vom Dienst abmeldete, war eine denkbar schlechte Nachricht vor den K.-o.-Spielen in München und gegen Mönchengladbach in der Europa League.

Sieben Spiele hat Schalke im Februar bereits bestritten, der Manager Christian Heidel hatte den Monat zu einer Phase der Vorentscheidung erklärt. Doch entschieden ist gar nichts. Schalke ist noch an allen Fronten tätig nach sieben Partien ohne Niederlage, sieht aber nun einem Monat März entgegen, der ungleich höhere Anforderungen an Mensch und Material stellt. Auch die nächsten drei Wochen gibt es alle drei Tage ein Spiel, die typischen Merkmale der Hetzjagd waren am Sonntagabend zu sehen. Hier die gestressten Schalker, die ihre frühe 1:0-Führung durch Alessandro Schöpf mit einem Energiesparprogramm zu verteidigen suchten, dort die Hoffenheimer, die frisch und ausgeruht die Initiative übernahmen und dank des Mittelfeldes mit Kerem Demirbay, Nadiem Amiri und Sebastian Rudy spielerisch die bessere Figur abgaben. Die Aussagen der Beteiligten ergänzten das Bild: Die Schalker argumentierten defensiv, die Hoffenheimer nahmen offensiv Enttäuschung in Anspruch.

Mit dem Ergebnis sei er "nicht zufrieden", sagte Trainer Julian Nagelsmann, "dominant" und "überlegen" sei seine Elf aufgetreten. Das Selbstbewusstsein war allerdings größer als die Torgefahr, die Hoffenheim entwickelte. Rudys 1:1 in der 79. Minute war kein Treffer, der sich zwingend abgezeichnet hatte.

Während Hoffenheim die Saison als mehr oder weniger unbeschwertes Wochenendprogramm bestreitet, improvisiert sich Schalke angestrengt dem nächsten Saisonfinalmonat entgegen. Drei Wege zur Europacup-Qualifikation stehen noch offen, doch jeder Pfad wird zunehmend enger und beschwerlicher. Den Posten des bis Sommer verletzten Abwehrchefs Naldo übernimmt nun die Bayern-Leihgabe Holger Badstuber, der nach seinen vielen Verletzungen behutsam herangeführt werden sollte, jetzt aber im Hochleistungsrhythmus gefordert ist. "Da muss ich auf meinen Körper hören", sagte er, bisher sei er aber gut aus seinen Spielen herausgekommen. Auf Sead Kolasinac' Hilfe braucht er in München wohl nicht zu verzichten. Seine Beschwerden beruhten lediglich auf einer Muskelverhärtung. Er gab vorläufig Entwarnung.

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