Achtelfinale der Europa League:Hannover hofft, Schalke schimpft

Gegen Standard Lüttich erkämpft sich Hannover 96 ein 2:2 und hat damit gute Chancen, das Viertelfinale zu erreichen. Der wertvolle Ausgleich gelingt einem Winter-Zugang. Schalke präsentiert sich beim 0:1 in Enschede viel zu harmlos - und ärgert sich über eine entscheidende Fehleinschätzung des Schiedsrichters. Böse erwischt es auch die Manchester Top-Klubs.

Es war hin und her gegangen, Hannover 96 hatte geführt, lag zurück und geht nun doch mit einer guten Ausgangsbasis ins Rückspiel gegen Standard Lüttich. Dank zweier Auswärtstore darf die Mannschaft von Trainer Mirko Slomka auf das Viertelfinale der Europa League hoffen. Mit dem 2:2 (1:2) in Belgien erspielte sich der Bundesligist am Donnerstag ein vielversprechendes Resultat, mit dem die nächste Runde durchaus möglich scheint.

R. Standard de Liege v Hannover 96 - UEFA Europa League Round of 16

Traf in Lüttich per Elfmeter: Hannovers Lars Stindl. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Lars Stindl per Foulelfmeter (22. Minute) und Mame Diouf (56.) trafen für die Niedersachsen, denen ausgerechnet in dieser Partie wichtige Spieler fehlten. Die Tore für den belgischen Pokalsieger erzielten vor etwa 22.000 Zuschauern Yoni Buyens (27.) und der quirlige Mohammed Tchite (30.). Zum Weiterkommen reicht 96 nun schon ein torloses Remis oder auch ein 1:1 in der heimischen Arena. Noch im November war Hannover beim 0:2 im Gruppenspiel an gleicher Stelle ohne Chance gewesen.

"Wir haben eine recht ordentliche Ausgangsposition. Es war entscheidend, dass wir nach dem Rückstand noch einmal zurückgekommen sind. Mit dem 2:2 sind wir außerordentlich zufrieden, " sagte Slomka nach dem Spiel lächelnd bei Kabel 1. Und er ergänzte: "Wir haben Spaß an der Europa League und würden gerne noch eine Runde drinbleiben - im Rückspiel müssen wir aber hellwach sein."

Auch diesmal übernahm Standard im Maurice-Dufrasne-Stadion gleich die Kontrolle - rasch und zielstrebig spielten die Wallonen nach vorne und setzten Hannover unter Druck. Die umformierten Gäste hatten Mühe, ins Spiel zu finden und verloren auf dem ramponierten Rasen oft zu schnell den Ball. Das Fehlen des gelb-gesperrten Jan Schlaudraff und des kranken Stürmers Mohammed Abdellaoue merkte man den Niedersachsen an. Überraschend hatte Coach Slomka zudem Linksverteidiger Christian Schulz auf der Bank gelassen, Christian Pander übernahm den Posten.

Unüberwindbar wirkte die 96-Defensive aber nach dem Umbau nicht. Torwart Ron-Robert Zieler musste zu Beginn gleich zweimal gegen Gohi Bi Cyriac retten, zunächst bei einem Heber aus 30 Metern, dann bei einem Versuch aus spitzem Winkel. Der Bundesliga-Siebte machte es bei seinem ersten Angriff besser: Der neu ins Team gerückte Konstantin Rausch zog in den Strafraum und fiel über das Bein von Lüttichs Abwehrmann Kanu. Referee Tony Chapron aus Frankreich entschied zurecht auf Elfmeter. Stindl verwandelte in Abwesenheit des "Lupf-Künstlers" Jan Schlaudraff sicher. Doch die Führung hielt nur fünf Minuten - dann ließ Tchite nach einem Konter 96-Kapitän Steven Cherundolo stehen, seine Flanke versenkte Buyens per Direktabnahme im langen Eck - das 300. Europapokal-Tor für die Belgier.

Und es kam noch schlimmer für die Slomka-Elf: Nur 177 Sekunden später köpfte Tchite nach einem Eckball aus sechs Metern zum 2:1 ein. Sein Bewacher Sofian Chahed hatte ihn nicht genug gestört. Dennoch meinte Manager Jörg Schmadtke zur Pause: "Die Mannschaft macht es gut." Wie zur Bestätigung steigerte sich sein Team nach der Pause deutlich. Einmal mehr war es Winter-Neuzugang Diouf, der Hannover mit dem Ausgleich jubeln ließ. Die feine Vorarbeit kam von Sturmpartner Didier Ya Konan per Flachpass.

Der Ivorer war morgens noch Vater einer Tochter geworden, ließ sich den Einsatz aber nicht nehmen. Seine Hereingabe am Fünf-Meter-Raum entlang drückte Diouf ein. Kurz danach humpelte der Torschütze vom Feld - die spätere Diagnose ergab einen Bänderriss, der den Angreifer die Teilnahme am Rückspiel kosten dürfte. Sein Treffer schien die Belgier aus dem Konzept zu bringen und gab 96 noch mehr Sicherheit. Fast durchweg präsentierten sich die Gäste nun in guter Form und ließen kaum noch Chancen der Hausherren zu. Lüttich konnte das Tempo der ersten Hälfte nicht mehr wiederholen und ließ nach.

Erst in den Schlussminuten wackelten die Niedersachsen noch einmal. Tchite prüfte neun Minuten vor dem Ende Zieler per Fallrückzieher, ehe Hannovers Keeper kurz vor dem Abpfiff bei Kanus Kopfball glänzend mit einer Hand das Remis rettete, nachdem ihm ein einfacher Ball aus den Händen gekullert war. Doch es blieb beim 2:2 - für Hannover könnte der Aufenthalt in der Europa League damit durchaus noch weitergehen.

Geschenkter Sieg für Enschede

Eigentlich war es gar kein richtiges Auswärtsspiel, das die Schalker da in Holland bestreiten mussten. Nur 80 Kilometer trennen die Orte Gelsenkirchen und Enschede, so dass die Fans des Bundesligisten den Kurztrip ins Nachbarland gerne in Kauf genommen hatten. Hätten sie vorher gewusst, was sie für ein müder Kick erwartet, wären sie vielleicht lieber zuhause geblieben. 0:1 (0:0) verlor das Team von Trainer Huub Stevens das Hinspiel im Achtelfinale der Europa League, was angesichts des Spielverlaufs ein ziemlich ärgerliches Ergebnis für die Schalker ist.

Twente Enschede's De Jong challenges Schalke 04's Raul during the Europa League soccer match in Enschede

Ohne Durchschlagskraft: Auch der Spanier Raúl (li.) konnte die Schalker Pleite nicht verhindern. 

(Foto: REUTERS)

Eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters Craig Thompson kostet den Ruhrpottklub nun möglicherweise den Einzug ins Viertelfinale. Zu Unrecht bestrafte der schottische Unparteiische S04 mit einer Roten Karte für Joel Matip und einem Foulelfmeter, den Luuk de Jong in der 61. Minute zur Führung des niederländischen Pokalsiegers verwandelte.

Dabei hatte Matip gar nichts verbrochen, bei einem Sprint stolperte sein Gegenspieler de Jong über die eigenen Füße. "Der Elfmeter war sehr unglücklich für uns. Kämpferisch war es heute eine starke Leistung - wir können es im Rückspiel noch umbiegen," sagte Abwehrmann Christian Fuchs. Drastischer formulierte es Horst Heldt: "Der fällt über seine eigenen Füße. Das ist eine Vollkatastrophe. So macht das echt keinen Spaß, wenn da solche Amateure stehen", schimpfte der erzürnte Schalker Manager auf die Schiedsrichter.

Mit zehn Mann schaffte es der Bundesligist nicht mehr, die Partie gegen die heimstarken Gastgeber zu wenden und kassierte nach neun Spielen in der Europa League die erste Niederlage. Im Rückspiel am nächsten Donnerstag könnten die Schalker, wenn sie wieder ihr bestes Personal aufbieten können, die Enttäuschung aufarbeiten. Denn fußballerisch überlegen war der niederländische Meister von 2010 den Königsblauen nicht. In den verletzten Klaas-Jan Huntelaar, Benedikt Höwedes, Christoph Metzelder und den gesperrten Jefferson Farfan fehlten den Westfalen im nahe gelegenen Enschede zu viele wichtige Kräfte.

Vor allem in der Abwehr musste Stevens mit dem Ausfall der Innenverteidiger improvisieren, was letztlich eine recht defensive Aufstellung ergab, mit der ein gutes Ergebnis erzielt werden sollte. Statt dem erwarteten Julian Draxler brachte der holländische Coach Atsuto Uchida und stellte vor die Vierer-Abwehrkette drei defensive Mittelfeldspieler. Nur Raul, Chinedu Obasi und Ciprian Marica sollten in der Grundformation mit Offensivaufgaben beschäftigt sein. 30.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion "Grolsch Veste" sorgten für gute Europapokal-Stimmung.

Die Partie gestaltete sich in der ersten Halbzeit ausgeglichen, Enschede hatte zwar die besseren Torchancen, ließ aber bei der Verwertung der Möglichkeiten höheres Niveau vermissen. Zudem zeigte sich Timo Hildebrand im Tor sehr wachsam. Ein Kopfball und ein Schuss von Nacer Chadli (13./35.) und zwei Schüsse von Leroy Fer (27./32.) stellten ihn vor die schwierigsten Aufgaben, die er aber souverän löste. Schalke stand recht gut organisiert in der Defensive und kam zumindest ab und zu entlastenden Angriffen - Erwähnenswertes sprang dabei aber selten heraus.

Jermaine Jones, der nach einer Erkältung etwas geschwächt in das Spiel ging, besaß in der ersten Halbzeit die beste Chance. Der US-Nationalspieler eroberte im Mittelfeld den Ball, stand nach einem Doppelpass mit Obasi frei vor dem Tor, schoss den Ball aber mit zu viel Rücklage hart über das vom Bulgaren Nikolay Mihajlow gehüteten Twente-Kasten. Es sollte bis zum Ende die einzige echte Schalker Gelegenheit bleiben.

"Selbst mit zehn Leuten haben wir noch versucht, nach vorne zu spielen," sagte Trainer Stevens, der jedoch ähnlich wie Horst Heldt ziemlich angefressen war. "Dann sind wir bei dieser Szene: Der Schiedsrichter hat gepfiffen, aber es war der Pfiff des Tages, des Jahres. Das war einfach lächerlich. Da stehen schon drei Leute an der Linie, da sollten am Besten acht stehen. Ich bin einfach nur wütend." Dieses Ärgernis hätte wohl auch er sich gerne erspart.

ManU und City vor dem Aus

Den Mitfavoriten Manchester City und Manchester United droht unterdessen schon im Achtelfinale der Europa League das Aus. Beide Klubs verloren am Donnerstag ihre Hinspiele. Englands Tabellenführer City unterlag bei Sporting Lissabon mit 0:1 (0:0). Der Brasilianer Xandao erzielte mit einem listigen Hackentrick in der 51. Minute das Siegtor für die Gastgeber, nachdem ManCity-Schlussmann Joe Hart den Ball nicht aus der Gefahrenzone befördern konnte.

Stadtrivale Manchester United musste sich sogar im eigenen Stadion Athletic Bilbao 2:3 (1:1) geschlagen geben. Stürmer Wayne Rooney hatte Manchester zwar 1:0 (22.) in Führung geschossen, Fernando Llorente glich jedoch kurz vor der Halbzeitpause (44.) für die überlegenen Spanier aus. Oscar de Marcos (72.) traf, allerdings aus abseitsverdächtiger Position, zum 2:1. Iker Muniain (90.) machte den Überraschungs-Sieg perfekt. Rooney (90.+2/Foulelfmeter) sorgte nur noch für Ergebnis-Kosmetik - damit könnte das Viertelfinale tatsächlich ohne beide Teams aus Manchester stattfinden.

Auf dem besten Weg in die nächste Runde ist Atlético Madrid. Der Europa-League-Sieger von 2010 bezwang nach starker erster Halbzeit Besiktas Istanbul mit 3:1 (3:0). Der überragende Eduardo Salvio schoss die ersten beiden Treffer (24./27.) für Madrid, Adrian sorgte noch vor der Pause nach feinem Solo für die Vorentscheidung (37.). Simao machte dem türkischen Spitzenclub, bei dem auch der frühere Bundesliga-Profi Fabian Ernst zum Einsatz kam, mit seinem herrlichen Tor (51.) zumindest etwas Hoffnung für das Rückspiel.

Eine gute Ausgangslage für den zweiten Vergleich verschafften sich auch Olympiakos Piräus und AZ Alkmaar. Die Griechen gewannen bei Metalist Charkow mit 1:0 (0:0). Bei den Ukrainern sah Edmar zudem kurz vor Schluss die Rote Karte. Alkmaar siegte gegen Udinese Calcio 2:0 (0:0).

Hoffnungsvoll nach Eindhoven reisen kann der FC Valencia. Die Spanier besiegten den PSV zu Hause 4:2 (3:0). Schon nach 13 Minuten lag Valencia nach Treffern von Victor Ruiz (11.) und Roberto Soldado (13.) 2:0 in Führung. Soldado (43./Foulelfmeter) und Pablo Piatti (56.) erhöhten sogar noch auf 4:0. Ola Toivonen (83./Foulelfmeter) und Georginio Wijnaldum (89.) gelangen die Ehrentreffer für die Niederländer.

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