Schalke - Hamburg (15.30 Uhr):Keine Zeit für Romantik

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Gehört als Hochbegabter zu den Hamburger Kronjuwelen in Sachen Nachwuchsspieler: der 17-jährige Mittelstürmer Jann-Fiete Arp. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Wieder einmal ist der Sport beim Hamburger SV zur Nebensache verkommen. Weil Investor Kühne kein Geld mehr zuschießen will, bangt der Klub um den Verbleib seiner großen Talente.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Natürlich hatte die Sitzung des Aufsichtsrates der HSV Fußball AG am vergangenen Mittwoch mal wieder in der Hafencity stattgefunden. Im Firmensitz des Logistikkonzerns Kühne & Nagel, der dem noch immer übermächtigen HSV-Investor Klaus-Michael Kühne zum Großteil gehört. Von dort wurde dann auch verkündet, dass die entscheidende Hauptversammlung, in der das neue Kontroll-Gremium der Fußball AG bestellt werden soll, vom 18. Dezember auf das erste Quartal 2018 verschoben worden ist. Was nicht kommuniziert wurde: Es lag noch immer daran, dass Kühne trotz des Austausches vieler E-Mails mit dem Vereinspräsidenten Jens Meier nicht einverstanden war mit allen Vorschlägen des HSV-Beirates.

Wieder einmal ist der Sport beim Hamburger SV zur Nebensache verkommen. Ob die Hanseaten am Sonntag bei Schalke 04 mal wieder etwas für ihr nicht besonders gut gefülltes Punktekonto tun können, ist derzeit nicht das oberste Thema beim HSV. Denn Kühnes Drohung, den Geldhahn zuzudrehen, wenn die Kontrolleure nicht nach seinem Gusto sind, hat gravierende Auswirkungen auf das operative Geschäft. Insbesondere auf jenes, dass der Sportchef Jens Todt bekleidet. Todt wollte in den nächsten Wochen damit beginnen, die Vertragsgespräche mit jenen Profis zu forcieren, deren Kontrakte im Sommer oder 2019 auslaufen. Es sind nicht weniger als 18 von 29 Profis. Doch das neue Budget, das der neue Aufsichtsrat freigeben muss, ist derzeit noch unbekannt - auch deshalb, weil unklar ist, ob Kühne weiter Geld zuschießt.

Der ausgearbeitete Vertrag mit Nicolai Müller, der nicht nur nach Meinung der sportlich Verantwortlichen, sondern auch laut Kühne einer der wichtigsten Spieler ist, liegt deshalb auf Eis. Die Frage, ob Gideon Jung, der diese Woche seinen Vertrag als Erster bis 2022 verlängerte, ein Beispiel für weitere Kollegen ist, bleibt also offen. Trainer Markus Gisdol würde sich jedoch eben jene weiteren Vertragsverlängerungen wünschen, gerade von jenen zwei jungen Spielern, die der HSV gern als Gesichter von Morgen aufbauen würde.

Jann-Fiete Arp hat bereits einen Fünf-Jahres-Kontrakt abgelehnt

Im Falle des technisch außergewöhnlich versierten Japaners Tatsuya Ito, 20, hat Todt derzeit nur die Gewissheit, dass man in guten Gesprächen sei und "Tatsu" genau wisse, was er am HSV habe. Eine schriftliche Vereinbarung über 2018 hinaus gibt es nicht. Mindestens so schwierig wird es bei jenem Mann, den sie am meisten zutrauen. Jann-Fiete Arp, 17, beim 3:1 gegen den VfB Stuttgart zum zweiten Mal Torschütze in der Bundesliga, hat im vergangenen Sommer einen Fünf-Jahres-Kontrakt abgelehnt und nur bis 2019 verlängert. Was bedeuten würde: Will der Abiturient den Klub verlassen, weil er sportlich wie wirtschaftlich bedeutend bessere Angebote erhält, müsste der HSV ihn auch schon im kommenden Sommer verkaufen, um noch eine Ablöse zu erhalten.

24 Stunden am Tag wäre Todt bereit, mit ihm über einen neuen Vertrag zu reden. Doch Arps Berater Jürgen Milewski, 1982 und 1983 mit den Hamburgern deutscher Meister, ist kein Fußball-Romantiker, der es besonders toll finden würde, einen zweiten Seeler im HSV-Dress zu betreuen. "Wenn Fiete neue Verhandlungen aufnehmen möchte, müsste das Signal von ihm kommen", sagte Milewski der Hamburger Morgenpost. Derzeit gibt es keine Gespräche und Todt kann nur darauf bauen, dass er dem Talent mit vielen Einsätzen in der Bundesliga ein paar Argumente für den Verbleib liefern kann.

Ob es der HSV noch schafft, nach dem Abtritt von Kühnes Vertreter im Aufsichtsrat, Karl Gernandt, noch jemanden zu finden, der vor dem Geldgeber Kühne Gnade findet? Jens Meier, der in seiner Eigenschaft als Klubpräsident Mitglied des Kontroll-Gremiums ist, hat Kühnes Vertrauen wohl nicht. Der Vorsitzende der "Hamburg Port Authority", so geht das Gerücht, habe das neue Gremium so zusammenstellen wollen, dass es ihn zum HSV-Vorstandsboss machen könne, wenn 2019 der Vertrag des derzeitigen Chefs Heribert Bruchhagen auslaufe.

© SZ vom 19.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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