Schalke 04:Festklammern an positiven Gedanken

VfL Wolfsburg v FC Schalke 04 - Bundesliga

Schalker in der Bundesliga: Gegen Wolfsburg nicht in bester Verfassung

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Schalke 04 erlebt gegen den VfL Wolfsburg einen Tiefpunkt.
  • Trainer André Breitenreiter wähnt sein Team trotzdem auf einem guten Weg.
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Von Javier Cáceres, Wolfsburg, Wolfsburg

Als die Partie vorüber war, suchte André Breitenreiter den Schulterschluss. Er rief seine Spieler auf dem Rasen der Wolfsburger Arena zusammen, ließ sie einen Kreis bilden und redete auf sie ein. Was er gesagt habe, wurde der Trainer des FC Schalke 04 später bei der Pressekonferenz gefragt, und er machte darum keine Geheimnisse: "Das gleiche, was ich Ihnen gesagt habe." Und das wiederum konnte nur heißen, dass er sich darin geübt hatte, positives Denken zu vermitteln. Allen Dingen zum Trotz.

Gemessen an den ziemlich genau 90 Minuten, die dem Schlusspfiff-Appell vorangegangen waren, konnte man über so viel Goodwill auch verwundert sein. Ziemlich genau 90 Minuten, ein Spiel ohne Nachspielzeit also, waren es nur deshalb geworden, weil das 3:0 für den VfL Wolfsburg sogar in den Augen von Schiedsrichter Felix Brych Bände sprach. Und selbst diese 90 Minuten waren im Grunde ein Exzess.

"Nach dem 3:0 war das Spiel erledigt", sagte Breitenreiter, wozu man wissen muss, dass das dritte, ultimative Tor bereits nach 61 Minuten gefallen war, durch den Schweizer Innenverteidiger Timm Klose. Zuvor hatten Bas Dost (17. Minute) sowie Ricardo Rodriguez (Foulelfmeter/59. Minute) für die Wolfsburger getroffen.

Dass sich Breitenreiter nach dem Ende der Partie der psychologischen Aufbauarbeit widmete, lag vor allem daran, dass er bereits in der Halbzeitpause Tacheles geredet hatte. Zumindest nach eigenen Angaben. Grund dafür gab es genug. Die ersten 25 Minuten der Partie nannte Breitenreiter wahrheitsgetreu "unterirdisch", das sei auch in der Halbzeitpause deutlich angesprochen und von den Schalker Profis offenbar auch selbstkritisch vermerkt worden.

Die Verbesserungen, die es sicherlich auch gab und in Chancen für Klaas-Jan Huntelaar (29.) und Johannes Geis (47.) mündeten, jazzte er zwar eine Spur zu doll auf. Doch wer will ihm schon verdenken, dass er mit seiner Belegschaft nach vier Pflichtspiel-Einsätzen noch pfleglich umgeht, auch wenn so mancher Schalker bereits alarmiert sein dürfte. Oder: sollte. Und vielleicht sogar müsste.

Die Euphorie, die Breitenreiter im Schalker Umfeld wahrgenommen hatte, dürfte jedenfalls, wenn es sie denn gab, wieder weg sein. Im Lichte des Wolfsburger Ausflugs wirkte sie jedenfalls völlig deplatziert. "Wenn die ersten drei Saisonspiele hervorragend laufen", sagte Breitenreiter und meinte damit: den Pokalsieg beim unterklassigen MSV Duisburg, den deutlichen Auswärtssieg gegen traumatisierte Bremer (ihr Stürmer Franco Di Santo war unmittelbar zuvor nach Schalke geflohen) sowie das Remis gegen Darmstadt 98, wenn also nach zwei Saisonspielen immerhin vier Bundesligapunkte zu Buche stehen, setze in Schalke Amnesie ein. "Wir vergessen immer, was vor ein paar Wochen war", haderte Breitenreiter. "Fakt ist: In der vergangenen Saison gab es ein Mentalitätsproblem."

Auch um Draxler wird gebuhlt

Dessen Überwindung werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen: "Die restlose Überzeugung kriegt man natürlich nur über viele Erfolgserlebnisse." Gleichwohl wähnte er "die Jungs trotz der Niederlage auf einem guten Weg", sie hätten ja nach der Pause Sekundärtugenden gezeigt und die Aggressivität an den Tag gelegt, die unabdingbar sei. "Nur schön zu spielen, so gewinnt man keine Kriege", sagte Breitenreiter.

Erst recht nicht, wenn sich ein Hochbegabter wie Weltmeister Julian Draxler derart versteckt, dass man die Schalker für jede Million, die sie im Falle eines Transfers noch zusätzlich herausschlagen, nur beglückwünschen kann. Vielleicht hat dabei sogar geholfen, dass auch der VfL Wolfsburg Interesse angemeldet haben soll. Das nötige Kleingeld dafür hätten die Wolfsburger, die Abschiede von Kevin de Bruyne und Ivan Perisic zu Manchester City beziehungsweise Inter Mailand spülen angeblich knapp 100 Millionen Euro in die Kasse. Die sollen zu einem erheblichen Teil wieder in Spieler investiert werden. De Bruyne und Perisic standen gegen Schalke schon nicht mehr im Kader, sie saßen allerdings auf der Tribüne und schauten Ihren Noch-Kollegen beim Sieg zu, offenkundig prächtig amüsiert über den Umstand, dass es auch ohne sie läuft und läuft und läuft. Besser sogar als zuletzt in Köln.

Trainer Dieter Hecking berichtete hinterher, dass die beiden Abtrünnigen auch noch in der Kabine gewesen seien "und mit der Mannschaft abgeklatscht" hätten. Zum Abschied, sozusagen. "Man hat gesehen, wir können auch ohne Kevin De Bruyne und Ivan Perisic Fußball spielen. Wenn man 3:0 gegen Schalke gewinnt, ist das eine Antwort", sagte VfL-Manager Klaus Allofs. Hecking allerdings unterstrich: "Die Mannschaft muss mir nichts beweisen." Er vertraue ihr auch so. Ob sie ohne De Bruyne auf Dauer die Klasse der vergangenen Spielzeit erreicht, darf freilich bezweifelt werden. Am Samstagvormittag soll De Bruyne einen Privatjet mit dem Ziel Manchester bestiegen haben, auch Ivan Perisic setzte sich am Samstag in einen Flieger. "Ich bin glücklich. Forza Inter!", sagte er nach seiner Landung in Italien.

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