Bundesliga:Schalke 04 wird zu Buddha 04

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Patzten vor beiden Gegentoren in Berlin: die neuen Schalke-Sechser Stambouli (links) und Bentaleb.

(Foto: imago/Contrast)

Von Javier Cáceres, Berlin

Immerhin ist Benedikt Höwedes, dem Kapitän des FC Schalke 04, der Sinn für feinen Humor nicht abhanden gekommen. Das war gut zu beobachten, als er, die Fußballschuhe noch unterm Arm, versuchte, im Bauch des Berliner Olympiastadions die Partie bei Hertha BSC aufzuarbeiten: "Gute Idee!", sagte der Nationalspieler mit trockenem Sarkasmus, als ihn die Frage ereilte, ob es nicht angebracht wäre, an diesem Mittwoch gegen den 1. FC Köln zu punkten - und endlich mal auch ein Tor zu erzielen. Nun, es wird ohne Frage Zeit: Drei Spieltage ist die Bundesliga-Saison nun alt, drei Mal hat Schalke verloren und dabei tatsächlich nicht einen einzigen Treffer erzielt. In Berlin setzte es eine 0:2-Niederlage, in der Tabelle steht nicht einmal der HSV schlechter da als die Gelsenkirchener. Dennoch ist es im Moment so, dass ausgerechnet das für blitzschnelle Erregbarkeit bekannte Schalker Umfeld sich verhält, als bereite es sich auf die Spiele des eigenen Teams mit Meditationsübungen aus dem Mahayana-Buddhismus vor.

Denn wahrlich begab es sich in Berlin, dass die Schalker Mannschaft, angeführt von Höwedes, in die Kurve mit den Fans ging, und dabei womöglich sogar die üblichen Missfallensbekundungen erwartet hatte: "Wir ham die Schnauze voll", solche Sprüche halt. Doch weit gefehlt. Spielführer Höwedes diskutierte mit den Anhängern in einer Sachlichkeit, die man nach dem schlechtesten Schalker Saisonstart seit einer Menschengeneration nicht ernsthaft erwarten hatte können. Mehr noch: Als sich die Spieler anschickten, die Kabine aufzusuchen, brandete in ihrem Rücken Beifall auf. Mehr Zen geht kaum.

Es sei "immer noch gegenseitiges Verständnis und Vertrauen da", berichtete Diskutant Höwedes später, und der frisch installierte Manager der Schalker, Christian Heidel, war nachgerade begeistert: "Ich finde es überragend, wie die Zuschauer reagiert haben." Und wüsste man es nicht besser, hätte man die Äußerung des neuen Innenverteidigers Naldo ("Das ist nicht Schalke") auf die erstaunliche Gelassenheit des Publikums beziehen können. Der Brasilianer aber meinte ausdrücklich die karge Punkt- und Torausbeute, die den drei Siegen aus drei Spielen der Hertha diametral entgegengesetzt ist.

Offenkundig erachtet die Kundschaft der Schalker die Haltungsnoten der Mannschaft als passabel, wozu der Europa-League-Sieg vom Donnerstag in Nizza (1:0) einiges beitrug. Kurioser Weise erweiterte diese Partie aber nicht nur die Kreditlinie der Schalker, sondern stellte auch eine Hypothek dar: "Vielleicht klingt das wie eine blöde Ausrede", entschuldigte sich Höwedes, "aber man hat uns angemerkt, dass wir nicht mit der letzten Spritzigkeit zu Werke gehen konnten." Schalke kam in 90 Minuten auf eine einzige wirkliche Torchance (in der ersten Halbzeit durch Eric Maxim Choupo-Moting).

Doch das größere Problem war, dass die Schalker der "kleinen, fleißigen Mannschaft" namens Hertha (Trainer Pal Dardai) beim Sieg assistierte: "Wenn keiner einen Fehler macht, geht's nullnull aus", sagte Schalkes Manager Heidel mit bestechender Logik, aber Schalke leistete sich gleich "zwei kapitale Böcke".

Verantwortlich dafür waren Benjamin Stambouli und Nabil Bentaleb, die von Paris St. Germain beziehungsweise Tottenham Hotspur ins zentrale Mittelfeld der Schalker gestoßen sind - "ausgerechnet die, die die ganze Zeit gelobt worden waren", bedauerte Heidel. Stambouli ließ sich den Ball vor dem 1:0 durch Herthas Mitchell Weiser von Peter Pekarik (64.) klauen, Bentaleb leistete sich vor dem 2:0 durch Valentin Stocker (74.) einen fatalen Fehler im Aufbauspiel. "Da war vielleicht auch ein Quäntchen Überheblichkeit dabei", diagnostizierte Heidel, warb aber um Sympathie: "Die beiden hängen jetzt natürlich ein bisschen in den Seilen."

Ganz grundsätzlich wähnt sich Schalke auf Kurs. Heidel betonte, dass nicht außer Acht gelassen werden dürfe, wie schwierig es sei, gegen Hertha BSC Torchancen herauszuspielen. Weder sei Schalke am Boden zerstört, noch würden grundsätzliche Überlegungen angestellt, ob die Mannschaft überhaupt Fußball spielen könne, versicherte der Manager.

Dazu passten die Einlassungen von Spielführer Höwedes, der sein Team ebenfalls "auf dem richtigen Weg" sieht, weil es in den ersten Spielen unter Trainer Markus Weinzierl "als Mannschaft gearbeitet" habe: "Wir waren füreinander da, hatten gute Aktionen, haben konzentriert verteidigt und große Laufbereitschaft an den Tag gelegt", sagte Höwedes - konzedierte aber, dass dies in Berlin nicht in letzter Konsequenz zu sehen gewesen sei.

Die Dringlichkeit, gegen Köln zu punkten, diskutiert niemand weg - weil man die derzeitige Malaise nur "ungern noch wochenlang vor uns herschieben" wollte, wie Heidel erläuterte. Und weil aus der Bundesliga-Geschichte etliche Beispiele überliefert sind, dass eine negative Dynamik mitunter schwer umkehrbar wird.

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