Schalke besiegt Dortmund:Magath in der Wagenburg

"Wir haben keine Lobby": Nach dem 2:1 im Revierderby gegen Dortmund setzt Schalke-Trainer Felix Magath auf die Allein-gegen-alle-Taktik und sorgt für einen Eklat im TV-Studio.

Philipp Kreutzer, Gelsenkirchen

Eine Mixed-Zone ist nicht gerade das, was man einen besinnlichen Ort nennt. Das ist auf Schalke nicht anders, auch wenn sich die Fläche, auf der sich Fußballer und Journalisten nach einem Spiel zum Gespräch begegnen, unmittelbar neben der stadioneigenen Kapelle befindet. Aufgeregt und laut ging es dort auch am Freitagabend wieder zu, und doch hat man irgendwann eine Stimme sehr deutlich vernehmen können. Weil sie noch lauter war als alle anderen.

Felix Magath stand dort, nachdem er den üblichen Marathon-Interview nach Spielschluss hinter sich gebracht hatte. Doch entspannt war der Schalker Trainer noch längst nicht. Er klagte zwei Journalisten lautstark sein Leid von seinem Besuch beim TV-Sender Sky unmittelbar nach dem Abpfiff: "Ich habe mich richtig über den Sieg gefreut, war positiv gestimmt - und dann kommt das. Nur Foul und noch mal Foul zeigen die und sonst nichts."

Im Fernsehstudio waren ihm Szenen eines Vergehens von Ivan Rakitic im eigenen Strafraum präsentiert worden. Das Foul zog einen Elfmeter und das 0:1 durch Nuri Sahin (47.) nach sich. Erdulden musste Magath gleich darauf Bilder eines Schubsers von Schalke-Stürmers Kevin Kuranyi gegen Mats Hummels, der daraufhin eine Faust seines Keepers Roman Weidenfeller ins Gesicht bekam und nicht weitermachen konnte (82.). Das war für Magath mehr, als er in diesem Moment ertragen konnte. Er stapfte wütend aus dem Studio.

Statt dieser Bilder, fand der Trainer, hätte man ihn, den Gewinner, zwischendurch ruhig mal mit Erfreulicherem konfrontieren können. Mit dem Schalker Siegtreffer zum Beispiel, den Rakitic mit einem wunderbaren und für BVB-Keeper Roman Weidenfeller unhaltbaren 20-Meter-Schlenzer erzielte (83.). Auch das Kopfballtor von Benjamin Höwedes zum 1:1-Ausgleich (66.) hätte er viel lieber gesehen.

Die Ursache dafür, dass er jedoch die eher unglücklich-destruktiven Aktionen seiner Spieler serviert bekam, glaubt Magath, der ja erst seit dem Sommer auf Schalke tätig ist, längst erkannt zu haben: "Wer hat mehr Lobby? Schalke hat keine, das ist eben so. Wir haben die meisten Fans, aber wir haben keine Lobby."

Die Frage, was seiner Meinung nach wohl geschehen wäre, wenn stattdessen der BVB gesiegt und sich anschließend des Vorwurfs einer überarten Gangart hätte erwehren müssen, musste der Trainer da gar nicht mehr vorbringen. Die hatte er gestellt, ohne sie auszusprechen.

"Wir gegen den Rest der Welt"

Magaths Zorn aufgrund der Szenenauswahl mag verständlich, sein später daraus abgeleiteter Vorwurf überzogen wirken. Doch man sollte sich nicht täuschen: Es ist durchaus möglich, dass der clevere Taktiker die angeblich nicht vorhandene öffentliche Wertschätzung für seine Zwecke instrumentalisiert. "Wir gegen den Rest der Welt", so lautet das Konzept, mit dem sich schon andere Mannschaften eingeschworen und es dann weit gebracht haben. Der Meister dieser Wagenburg-Mentalität ist Otto Rehhagel - und der hat bekanntlich manchen Titel gewonnen.

Von der Meisterschaft allerdings würde Magath öffentlich nie sprechen. Er ist bekanntlich ein Mann des Understatement und betont immerzu, seine Mannschaft sei noch nicht so weit. Diesmal stellte er fest: "Wir haben offenbar wieder das Gegentor gebraucht." Ebenso wie die Fähigkeiten seiner Mannschaft setzt er auch Saisonziele gern möglichst niedrig an.

Wenn es nun also auch noch am nötigen Respekt eines Fernsehsenders fehlt, dann kann es ja nichts werden mit dem Titel. Der Vollständigkeit halber sei allerdings erwähnt: Schalke liegt vor den Spielen am Samstag und am Sonntag nur einen Punkt hinter Spitzenreiter Leverkusen und dem FC Bayern zurück, der Plan von der Meisterschaft mit den Gelsenkirchenern kann noch immer aufgehen. Vielleicht braucht es dafür gelegentlich abwegig wirkende Vorwürfe.

Verbale Giftpfeile nach dem Spiel

Kritik übte auch Magaths Gegenüber. Allerdings an seiner Mannschaft. Jürgen Klopp ärgerte sich, dass sie nach dem Führungstreffer das Angriffsspiel vernachlässigt hatte. "Da ist uns das Herz in die Hose gerutscht", bemängelte der Dortmunder Trainer. Bei der Ansprache in der Kabine hatte sich Klopp zuvor noch deftiger geäußert, wie Mats Hummels verriet: "Der Trainer hat gesagt, wir haben verloren, weil wir keine Eier hatten."

Aber auch Hummels wollte sich nicht lumpen lassen und feuerte Richtung Schalke eine verbalen eine Spitze in Richtung Schalke ab: "Sie haben beide Derbys, heute und schon im Hinspiel, glücklich gewonnen. Es zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Spiele: Sie gewinnen, ohne besser zu sein."

Die Replik von der anderen Seite ließ nicht lange auf sich warten: "Das war ein richtig schönes Derby", konstatierte Kevin Kuranyi, "vor dem Spiel lagen sie sechs Punkte hinter uns, jetzt liegen sie neun Punkte hinter uns." Auf die Frage, ob er nicht etwas hart gegen Hummels eingestiegen sei, entgegnete der Schalker spitz: "Fußball ist für Männer."

So kernig es nach der Partie zur Sache ging, so bedächtig waren beide Teams in die Partie gestartet und neutralisierten sich bis zur Pause auf relativ hohem taktischen Niveau. Nach dem 0:1 kam endlich mehr Dramatik in die Partie. Schalke setzte die Dortmunder nun mit dem größeren Siegeswillen und der lautstarken Unterstützung der Zuschauer in der mit mehr als 60000 Zuschauern ausverkauften Arena unter Druck. "Wir haben einfach nicht mehr die Entlastung hingekriegt, die man braucht", haderte Dortmunds Rechtsverteidiger Patrick Owomoyela.

Höwedes 1:1 nach scharfer Freistoßflanke von Lukas Schmitz folgten später der tragische Ballverlust des jungen Sven Bender und Edus Zuspiel mit der Hacke auf Rakitic, das sehenswert veredelte. Den Fehler vom 0:1 wiedergutzumachen und zugleich das Siegtor in einem Revierderby zu erzielen, das sei "ein unbeschreibliches Gefühl", versicherte der Torschütze später.

Rakitic' Treffer sicherte den Schalkern den insgesamt 26. Bundesliga-Sieg über den großen Rivalen. Vor dem Spiel hatten die Teams in dieser Wertung gleichauf gelegen, nun ist Schalke vorn. Vielleicht kann ja diese Bilanz dazu beitragen, dass Felix Magath sich mit etwas Abstand doch wieder freuen kann über diesen Erfolg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: