Schalke beim FC Bayern:Großartiger Junge im fremden Trikot

Schalke beim FC Bayern: Ungewohntes Bild: Holger Badstuber im Trikot des FC Schalke 04.

Ungewohntes Bild: Holger Badstuber im Trikot des FC Schalke 04.

(Foto: Günter Schiffmann/AFP)

Das ganze Stadion beklatscht Holger Badstuber, der als Schalke-Spieler nach München zurückkehrt. Dann lässt er gekonnt die alten Kollegen aussteigen.

Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Wenn in München die Fußballer nach einem Spiel aus dem Kabinentrakt Richtung Bus gehen, müssen sie durch eine Milchglas-Tür, danach nehmen die Bayern-Spieler den Gang links und die Gäste-Spieler den Gang rechts. Der frisch geduschte Holger Badstuber machte einen Schritt hinaus, stockte kurz, grinste und wies sich selbst den Weg nach rechts mit dem Zeigefinger. "Da entlang." Zum ersten Mal in seinem Leben betrat er diesen Teil der Münchner Fußballarena.

Es war fast das Ende eines Tages, den der 27-Jährige aus dem Allgäu so schnell nicht vergessen wird. Schalkes Sportdirektor Christian Heidel formulierte es so: "Das war für ihn sicher ein komisches Spiel. Sein erstes Spiel überhaupt für eine andere Mannschaft - und dann gegen die Mannschaft, in der er seit Kindesbeinen gespielt hat." Das Fußballerleben treibt manchmal seltsame Spielchen mit seinen Akteuren.

Badstuber und der FC Bayern - das war seit Jahren eine verschworene Einheit zwischen gemeinsamer Freude und gemeinsamem Leiden. Es gibt kaum einen Profi, den die Fans in München so sehr in ihr Herz geschlossen haben wie ihn. Wegen seines Ehrgeizes, seiner Geradlinigkeit, seiner bayerischen Herkunft natürlich. Und wegen seines Kampfgeistes, sich trotz vieler schwerer Verletzungen immer wieder zurück zu kämpfen. Seine vielen Comebacks wurden in dieser Arena stets lautstark bejubelt. Um bald wieder die nächste Blessur zu bedauern.

Rummenigges Eloge an Badstuber

Und jetzt kam dieser Badstuber in München plötzlich als Angestellter eines anderen Klubs daher. In einem blauen Trikot!

Wie stark die Bindung dennoch ist, verdeutlichte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der im Stadionheft eine kleine Eloge verfasste: "Heute kommt dieser großartige Junge, der immer nach vorne schaut, der nie aufgibt, zum ersten Mal als Gästespieler nach München." Immerhin, so viel ist nun gewiss, können die Bayern nach diesem Samstagnachmittag in den Spiegel schauen und sagen, dass die Zuneigung nicht nur sentimentale Gründe, sondern auch immer sportliche hatte. Badstuber zeigte nämlich in dem ungewohnten blauen Trikot des FC Schalke 04, welche Qualitäten er hat.

Nach einem etwas schwerfälligen Beginn kam bald seine außergewöhnliche Ruhe zurück. Diese Aura der Unangreifbarkeit am Ball. Die kleinen aber schlauen Pässe aus der Abwehr heraus ins eigene Mittelfeld, die dem Spiel einer Mannschaft so viel Sicherheit und Struktur geben. Er gewann zunehmend sicher die Zweikämpfe gegen Robert Lewandowski, spielte einmal Thomas Müller und Arjen Robben mit einer Links-Rechts-Kombination aus. Für die Münchner Zuschauer war es verblüffend zu sehen, wie souverän dieser Gäste-Verteidiger hier auftrat. Um sich daran zu erinnern, dass es ja der eigene Badstuber ist.

Badstuber ist noch zu sehr Bayer

Der bayerische Badstuber hat seinen Teil dazu beigetragen, dass Schalke beim FC Bayern 1:1 spielte und es am Ende sogar noch Grund gab, sich ein klein wenig zu ärgern. So ein Unentschieden sei natürlich schön, erklärte Badstuber. Wobei: "Ich bin nie zufrieden, wir hätten hier auch gewinnen können."

Das waren herrlich ungewohnte Töne eines Gäste-Spielers, der in München gerade einen Punkt ergattert hatte. Wäre Badstuber schon ein ganzer Schalker, er hätte sich wohl stolz feiern lassen. Doch man schüttelt 13 Jahre FC Bayern eben nicht mit einem Spiel ab, und so ist ein Unentschieden für Badstuber eben auch immer ein Grund zum Ärgern. Vor allem, wenn die eigene Mannschaft vor der Pause ein paar glasklare Torchancen versiebt.

Das Schalker Spiel glich sich Badstubers Vorstellung exakt an. Nach neun Minuten sah es so aus, als würde sich der Neue noch in der Mannschaft irren. Er spielte (unfreiwillig) Doppelpass mit Arjen Robben, den Pass von Arturo Vidal konnte er nicht mehr erreichen und Lewandowski schoss das 1:0. Doch mit Naldos Freistoßknaller zum 1:1 vier Minuten später wurde alles besser - Schalke und Badstuber. Sead Kolasinac, Leon Goretzka und vor allem Guido Burgstaller per Lattenschuss hätten Schalke in Führung schießen können.

Das ganze Stadion beklatscht Badstuber

Nach den trüben Partien gegen Ingolstadt und Frankfurt zuletzt überraschten die Schalker in München mit Selbstbewusstsein und technisch feinem Offensivspiel. Kolasinac links hinten bearbeitete Robben auf Weltklasseniveau, Nabil Bentaleb und Goretzka spielten sich schön durch das Mittelfeld, der Winter-Zukauf Daniel Caligiuri setzte sich bisweilen gegen drei Bayern durch. Die Münchner Zuschauer wunderten sich nicht schlecht, wie stark der Tabellenelfte der Bundesliga auftrat.

"Heute haben wir uns mehr zugetraut, haben besser Fußball gespielt", erklärte Trainer Markus Weinzierl, "wir haben unter der Woche darüber gesprochen, dass es kein Ziel sein kann, nur lange Bälle zu spielen. Deshalb haben wir flach gespielt." Zu diesem Plan brauchte er zwingend Holger Badstuber mit seinem sicheren ersten Flachpass aus der Abwehr heraus. Als dieser nach knapp einer Stunde erschöpft runter musste, kamen die Schalker immer stärker in Bedrängnis. Doch das 1:1 hielt.

Für Badstuber ein ideales Ergebnis, mit dem nun "hoffentlich alle zufrieden nach Hause gehen." Er grinste bei diesem Satz, denn wer sollte besser wissen als er, dass drüben am anderen Gang überhaupt niemand zufrieden nach Hause ging. Doch das konnte ihm ausnahmsweise egal sein. Als Badstuber den Platz verlassen hatte, hatte das ganze Stadion geklatscht. Die blauen Schalker genauso wie die roten Bayern. Er warf die Hände zum Winken nach oben und klopfte sich auf die Brust, wobei nachher niemand wusste, ob er mit dieser Geste das blaue Schalker Wappen oder das rote bayerische Herz meinte. Vermutlich beides.

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