Schalke 04:Anfänger mit Routine

Lesezeit: 3 min

Mirko Slomka hat bislang gelassen als Trainer bei Schalke 04 agiert - die schweren Prüfungen kommen erst.

Christoph Biermann

Vielleicht ist das Erstaunlichste, wie unbeeindruckt Mirko Slomka bislang geblieben ist. "Ob da vier Kameras stehen oder fünf Millionen Leute zuschauen, das bewegt mich wenig", sagt der Trainer des Fußball-Bundesligisten Schalke 04.

Keine demonstrative Coolness ist das, Slomka erzählt, dass ihm öffentliches Sprechen nie etwas ausgemacht hat.

Schon früher auf Familienfeiern hätten die älteren Geschwister ihn vorgeschickt, wenn es kleine Ansprachen zu halten galt.

In der Schule war er Klassensprecher, und zum Sprecher wurde er auch bei der Ausbildung zum Fußballlehrer gewählt, obwohl da etliche gestandene Profis waren. "Das zieht sich so durch", sagt Slomka achselzuckend, und vielleicht überwiegen die strukturellen Ähnlichkeiten von Geburtstagsreden und Fernsehauftritten.

Doch nicht nur Kameras lassen Slomka unbeeindruckt. Bemerkenswert gelassen agiert er bei den Spielen am Seitenrand, leitet das Training oder stellt sich dem gestiegenen Interesse der Fans. Und schien er sich am Anfang wie ein Gast durch diese neue Welt zu bewegen, hat man nun den Eindruck, als würde die angenehme Mischung aus Verbindlichkeit und Distanz seinem Wesen entsprechen.

Zugleich gilt jedoch alles, was man über Slomka sagt, genauso auf Probe, wie er selber Trainer von Schalke ist. Denn noch ist keine der Annahmen über ihn durch eine überstandene Krise erhärtet und veredelt, weil seit seiner überraschenden Amtsübernahme fast alles geklappt hat. In der Bundesliga gewann Schalke unter seiner Leitung sechs von acht Spielen und verlor keines.

"Er hat an sich geglaubt"

Im Uefa-Cup besteht am Donnerstag die Chance, das 0:1 von Palermo im eigenen Stadion zu drehen und ins Viertelfinale einzuziehen, auch wenn das ohne den verletzten Lincoln schwer werden dürfte. Am Sonntag folgt beim FC Bayern München die nächste Prüfung für den 38 Jahre alten Coach.

"Er hat an sich geglaubt", sagt Schalkes Stürmer Ebbe Sand, "und es ist wichtig, dass er nicht unruhig ist." Der Unbeeindruckte ist der Ansicht, dass er die Mannschaft durch seine Arbeit erst einmal von sich überzeugen konnte. "Die Spieler haben gemerkt, dass ein paar Dinge, die ich ihnen vor dem Spiel oder in der Halbzeit mitgegeben habe, aufgegangen sind, und das hat meine Position gefestigt", sagt Slomka.

Letztlich schauen alle Spieler, ob sie mit einem Trainer Erfolg haben oder nicht. Dann zählt irgendwann weder Stammbaum noch Vorgeschichte, sondern ob einer die Schwächen des Gegners und die eigenen Stärken richtig analysiert hat, und ob ein Sieg dabei herauskommt.

Man kann Slomka in diesem Zusammenhang als blutigen Anfänger sehen, weil er zuvor nur einmal für acht Monate Cheftrainer des damaligen Regionalligisten Tennis Borussia Berlin war. Man kann jedoch auch auf seine große Routine hinweisen, weil er seit anderthalb Jahrzehnten mit Fußballmannschaften arbeitet und einer dieser geborenen Trainer zu sein schien, wie auch Michael Skibbe einer ist, der ihm schon als Jugendtrainer oft begegnete.

So erstaunt es nicht, dass bei Slomka ein eigener Stil erkennbar wird, der einerseits aus klaren Vorgaben besteht und andererseits auf der Betonung von Eigenverantwortung und Entkrampfung. "Ich lache gerne auf dem Trainingsplatz und lege Spieler mal rein", sagt Slomka. Die öffentliche Beobachtung sei doch so groß, "da muss ich nicht auch noch Stress machen".

Die Leichtigkeit verfliegt nur, wenn man ihn nach seinem Verhältnis zu Ralf Rangnick fragt. "Es ist nicht richtig gut, aber auch nicht schlecht", sagt er mit etwas gequältem Gesicht. Die beiden Trainer hatten sich kennengelernt, als Slomka bei Hannover 96 ein Praktikum für seine Ausbildung zum Fußballlehrer machte: "Wir hatten sofort eine gemeinsame Wellenlänge."

Nachdem der damalige 96-Assistent den Cheftrainer Rangnick öffentlich attackiert hatte, bot dieser den Job Slomka an. Drei Jahre arbeiteten die beiden in Hannover zusammen; als sie zu Schalke wechselten, wurde das Verhältnis noch enger. Sie verbrachten nicht nur ihre Arbeitstage zusammen, sondern auch viele Abende, weil beide ohne Familie quasi auf Montage in Gelsenkirchen lebten.

Das Angebot von Schalke war die Chance seines Lebens

"Ich war glücklich damit, sein Co-Trainer zu sein, und er hat mir immer gesagt, dass ich auch Cheftrainer sein könnte." Man kann aber verstehen, dass Rangnick damit nicht meinte, er könne seinen Job als Cheftrainer übernehmen. "Er glaubt, ich hätte sein Vertrauen missbraucht, deshalb ist die Kommunikation gestört." Die beiden reden noch miteinander, aber es gibt Regeln, die den Gesprächen Grenzen setzen.

Rangnick will nicht auf Schalke angesprochen werden, aber bei Slomka geht es derzeit fast nur um Schalke. "Es ist komisch, wenn man nicht darüber redet, was einen beschäftigt." Slomka seufzt leise. "Das ist schade, denn Ralf ist ein Mensch, mit dem ich mich sehr gerne unterhalte."

Slomka wäre jedoch verrückt gewesen, wenn er im Januar das Angebot von Schalke nicht angenommen hätte. Es war die Chance seines Lebens, wo sonst Angebote aus der Regionalliga realistisch gewesen wären oder von Zweitligisten im Abstiegskampf.

Und wer schafft es von dort bis zu einem Spitzenklub, ohne auf ein Fußballerleben im Nationalteam oder viele hundert Bundesligaspiele zurückblicken zu können? Slomka hat in der fünften Liga gespielt und mit 23 Jahren aufgehört. "Diese Mannschaft ist ein echter Traum", sagt er fast schwärmerisch, aber es hat alles auch gerade erst angefangen.

© SZ vom 16.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: