Schalke 04:Abschied mit Adelstitel

FC Schalke 04 v RB Leipzig - Bundesliga

"Natürlich bin ich ehrgeizig. Das bleibe ich, bis ich unter der Erde liege": Klaas-Jan Huntelaar will Schalke nach sieben Jahren mit einem Erfolgserlebnis verlassen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Klaas-Jan Huntelaar darf gegen Leipzig mal wieder stürmen - und sichert Schalke mit seinem erst zweiten Saisontor einen Punkt. Es soll nicht sein letztes Erfolgserlebnis gewesen sein, bevor der Niederländer den Klub im Sommer nach sieben Jahren Dienstzeit verlässt.

Von Philipp Selldorf

Im August 2010 klingelte Youri Mulders Mobiltelefon, in der Leitung war ein gewisser Klaas-Jan Huntelaar. Dieser wollte von Mulder, den Felix Magath gerade aus dem Trainerstab von Schalke 04 entfernt hatte, Informationen über den seltsamen Klub im Ruhrgebiet bekommen; vor allem wollte er wissen, ob es eine gute Idee wäre, sich Schalke anzuschließen. Huntelaar saß beim AC Mailand fest, der Transfermarkt stand kurz vor der Schließung. "Schalke ist gut für dich, da brauchst du dir keine Sorgen zu machen", antwortete Mulder und dachte dabei an einen großen Schalker: "Rudi Assauer hätte gesagt: Huntelaar und Schalke - das passt! Klaas ist ein nüchterner Bursche, kein Prototyp von Fußballprofi. Er ist kein Spieler, der nur jeden Monat sein Gehalt will. Er ist professionell und macht keine komischen Sachen."

Knapp sieben Jahre später steht Benedikt Höwedes nach dem 1:1 gegen Leipzig im Schalker Stadion und bestätigt Mulders Urteil über Huntelaar, mit dem er seit jenem Spätsommer 2010 die Kabine teilt. "Es ist keine einfache Situation für ihn, aber er ist super-professionell und bringt immer noch Spaß und Freude mit, obwohl er schon etwas älter ist", sagt der Kapitän. Allerdings bekommen verdiente Mitarbeiter solche Worte auch zu hören, bevor ihnen der Chef verspricht, demnächst werde man mehr Zeit für sich und die Familie haben.

Das 1:1 gegen Leipzig ist erst sein zweites Liga-Saisontor

So ähnlich ist es nun für Huntelaar, der in zwei Wochen beim Heimspiel gegen Hamburg Abschied nimmt von seiner deutschen Zweitheimat. Mit freundlichen Worten von Klubboss Clemens Tönnies ist zu rechnen und mit Lobgesängen der Fans. Huntelaar ist zwar all die Jahre immer Profi geblieben (die Gespräche vor Vertragsverlängerungen waren geprägt vom Geschäftssinn der niederländischen Kaufmannszunft), aber die Leute werden ihn als echten Schalker in Erinnerung behalten, was in diesem Klub eine Art Adelstitel ist. Der Hunter, wie er seit Tagen beim SC Heerenveen heißt (ein Fan hatte ein Plakat aufgehängt, auf dem der Spitzname stand und ein Gewehr aufgemalt war), ist ein Markenzeichen der Schalke-Dekade.

Außer seinen Toren wird auch der Klang seines Namens fehlen, der sich ideal eignete für ein Echo von den Rängen: "Klaas! Jan!", begann der Stadionsprecher, "Huuuntelaaar!", schallte es daraufhin donnernd durch die Arena. Am Sonntag um kurz nach halb sieben war es wieder soweit: Huntelaar erhielt, frivol freistehend, eine Flanke von Daniel Caligiuri, und die Sympathisanten auf der Tribüne bangten, dass er diese einzigartige Torgelegenheit bitte nicht vergeben möge. Traurige Abgesänge wären angestimmt worden. Aber Huntelaar traf zum 1:1-Endstand gegen Leipzig. Und eines wird er niemals verlernen, vermutlich nicht mal dann, wenn er eines Rollators bedarf: Immer wird er einen Weg finden, um den Ball im Tor zu versenken: "Wenn er die Flanken bekommt, dann ist er eiskalt", stellte Trainer Markus Weinzierl fest und sagte damit genau das, was schon all seine Vorgänger über den Torjäger gesagt haben. In 237 Pflichtspielen für Schalke hat der Niederländer aus dem Örtchen Hummelo in der Provinz Gelderland 126 Tore erzielt.

Trotzdem wird Huntelaar, 33, im Sommer den Verein verlassen, diesen Entschluss hat er kürzlich bekanntgegeben und damit den Verein überrascht. Nicht inhaltlich, sondern wegen des Zeitpunkts. Dass er weggehen würde, war abzusehen: Huntelaar hat kaum noch gespielt, seit er im Februar aus einer Knieverletzung zurückkam, gegen Leipzig fiel erst sein zweites Bundesligator der Saison - eine lachhafte Zahl für ihn.

Manager Christian Heidel beeilte sich trotzdem, die Sache nicht zum Politikum werden zu lassen: Ein öffentlicher Streit mit der Mittelstürmerlegende würde schlecht in diese Zeit passen, in der sich viele Fans um die Schalker Identität sorgen. Als Huntelaar am Sonntag im Trainingsanzug vor die Reporter trat, merkte man ihm an, dass er zwar immer noch einen gewissen Groll in sich trägt, weil er über so lange Zeit so wenig hat spielen dürfen wie nie zuvor in den sieben Jahren. Es war aber zu spüren, dass er sich loyal und professionell verhalten will: "Enttäuschung gehört zum Geschäft, aber jeder Spieler will spielen. Natürlich bin ich ehrgeizig, und das bleibe ich, bis ich unter der Erde liege."

Dieser Zeitpunkt liegt hoffentlich noch fern. Huntelaar fühlt sich fit und will noch einige Jahre spielen, das hat er energisch versichert, als man ihn nun wieder auf sein vorgerücktes Alter ansprach. Angeblich weiß er noch nicht, bei welchem Klub er landen könnte. Aber er weiß genau, was passieren muss, damit es ein gutes Ende auf Schalke für ihn wird: "Vier Spiele gewinnen und Europa erreichen!" Da sprach sein königsblaues Herz.

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