Schach-WM:Carlsen rauscht wortlos in die Nacht

Lesezeit: 2 min

Schwer unter Druck: Magnus Carlsen in New York. (Foto: dpa)

Nach der Niederlage im achten Spiel der Schach-WM ist Titelverteidiger Magnus Carlsen wütend. Sein hohes Risiko wird ihm zum Verhängnis.

Von Thomas Hummel

Magnus Carlsen verliert zunehmend die Nerven. Und vielleicht auch bald seinen Titel als Schach-Weltmeister. In der achten von maximal zwölf Partien (plus Tie-Break bei Gleichstand) ging der Norweger mit den weißen Figuren mehrfach großes Risiko, um Sergej Karjakin nach sieben Remis endlich zu besiegen. Doch am Ende konterte der ungerührte Russe seinen Gegner aus, nach 51 Zügen musste Carlsen aufgeben. ( Hier die Partie in der Liveticker-Nachlese)

Damit tritt ein, womit vor dem Duell in New York kaum einer gerechnet hatte: Sergej Karjakin steht vor dem Sieg. Bleibt er weitere vier Partien unbesiegt, ist der auf der Krim geborene Profi neuer Weltmeister. Und der zuletzt in der Welt hoch überlegene Magnus Carlsen ist entthront.

Der Norweger saß anschließend auf dem Pressepodium, die Schachwelt wartete nach der hochspannenden Partie auf seine Erklärungen. Karjakin ließ noch auf sich warten, als Carlsen plötzlich mit den Armen wedelte, aufsprang und wortlos den Saal verließ. Carlsen ist bekannt dafür, nach Niederlagen mächtig sauer zu sein. Auf sich und auf die Welt.

Der 25-Jährige wirkte schon in den vergangenen Tagen aufgewühlt, weil er den in der Weltrangliste an Nummer neun gesetzten Karjakin einfach nicht ausspielen konnte. In ein, zwei Partien hatte er Siegchancen übersehen. Ansonsten verteidigte der Russe brillant, Carlsens Angriffe zerschellten wie an einem Eisblock. In der achten Partie wollte er es nun wissen. Es sehe so aus, meinten zwischendurch einige Kommentatoren, als würde Carlsen lieber verlieren, als wieder Remis zu spielen. So kam es dann auch.

Schach-WM live
:Karjakin gewinnt achte Partie

Bittere Niederlage für Schach-Weltmeister Magnus Carlsen: Trotz mutigen Spiels und weißer Figuren verliert er gegen seinen russischen Herausforderer.

Die Partie in der Liveticker-Nachlese

Karjakin ist auf der Pressekonferenz entspannt und sogar witzig

Carlsen begann die Partie mit einem seltenen Damenbauernspiel. Karjakin reagierte solide und nach der Eröffnung stand eine symmetrische Struktur auf dem Brett. Die Spieler lavierten ihre Figuren, und die Partie kam nur langsam in Schwung.

Vor der ersten Zeitkontrolle im 40. Zug kamen beide Spieler in erhebliche Zeitnot, der Norweger erhöhte das Risiko. Er opferte gleich zwei Bauern, um Angriff gegen den schwarzen König zu erhalten. Beide Spieler übersahen, dass Karjakin mit einer einfachen Wendung alle Drohungen abwehren und den Materialvorteil hätte wahren können. Stattdessen ließ der Herausforderer aus Russland einen Gegenschlag zu. Sein Vorsprung war weg und sein König entblößt.

Dennoch: Im Endspiel erwies sich ein Freibauer auf der a-Linie als Trumpf für den Russen. Carlsen hätte zwar durch Mehrfach-Schach nochmal ein Unentschieden erzwingen können, schlug die Option aber aus. So rutschte er in eine aussichtslose Position.

Während Carlsen wütend und wortlos in die Nacht rauschte, wirkte Karjakin auf der Pressekonferenz entspannt und sogar witzig. Ob er überrascht sei, ausgerechnet mit Schwarz den ersten Sieg geschafft zu haben? Karjakin antwortete mit einer Weisheit: "Es ist viel besser, gut zu spielen als weiß." Und auf die Frage eines Kindes, wie viele Partien er als Übung pro Tag spiele, sagte der 26-Jährige: "Während dieses Turniers? Eine."

Die Situation von Magnus Carlsen erinnert an das Kandidatenturnier vor seinem ersten WM-Kampf im Jahr 2013, als er das vorletzte Spiel verlor und danach so aufgewühlt war, dass er auch in der letzten Partie völlig unterging. Damals gelangte er nur durch Glück (Konkurrent Wladimir Kramnik verlor ebenfalls die letzte Partie) zum Duell gegen Viswanathan Anand, dem er dann die WM-Krone abnahm.

Der hoch favorisierte Titelverteidiger liegt zum ersten Mal innerhalb eines WM-Turniers zurück. Nach dem Ruhetag führt er am Mittwoch die schwarzen Figuren (Liveticker ab 20 Uhr bei SZ.de). Es bleiben ihm nur noch vier Partien, um die Niederlage abzuwenden.

Mit Material von SID

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