SC Freiburg:"Und dann sind wir abgestiegen ..."

SC Freiburg v FC Schalke 04 - Bundesliga

Blick nach Europa? Freiburgs Trainer Christian Streich versucht die Euphorie in der Stadt und im Klub zu bremsen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Bei einem Sieg gegen den FC Bayern ist Freiburg sicher in der Europa League. Bei einer Niederlage müssen sie auf die Konkurrenz hoffen.
  • Die Freiburger wollen Platz sieben und damit eine Qualifikationsrunde in der Vorbereitungszeit vermeiden.
  • Trainer Christian Streich versucht die Europa-Euphorie zu bremsen.

Von Christoph Ruf

Wer sich am Wochenende durch die Fernsehkanäle zappt und bei einer der geschätzt 37 Talkrunden hängen bleibt, bekommt schnell den Eindruck, dass Fußball ein sehr simples Spiel sein muss. Oft genügt manchem Altinternationalen schon ein einziger Satz, um zu erklären, warum eine Mannschaft aus seiner Sicht gewann oder verlor. Vorausgesetzt, der Satz wird eingeleitet mit der Wendung "zu meiner Zeit ..."

Für den Fußball, der im Freiburger Schwarzwaldstadion dargeboten wird, gilt das nicht. Schon das 1:1 gegen Ingolstadt am vergangenen Samstag hatte mindestens drei Analyse-Ebenen. Eine tragische, schließlich stieg der FCI ab. Das fand Christian Streich willkürlich, weil "zwischen Platz fünf oder sechs und Ingolstadt höchstens drei, vier Prozent liegen".

Zum zweiten hatte das Ganze eine existenzialistische Dimension, denn Streich und die Freiburger Journalisten einigten sich nach dem offiziellen Ende der Pressekonferenz darauf, dass das, was man gesehen hatte, nicht viel mit Fußball zu tun hatte. "Ich habe kein Fußballspiel gesehen. Sie etwa?", fragte der Freiburger Trainer unter Verweis auf viele Fouls, viele Unterbrechungen und die Tatsache, dass der Ball fast nur in der Luft war. Auf das Spiel gegen den FC Bayern freut sich Streich allein schon deshalb, weil da Spieler am Werke sind, die den Ball auch mal am Fuß haben wollen.

"Das ganze Team will unbedingt nach Europa"

Zum dritten hatte das Spiel noch eine transnationale Dimension. Hätte Freiburg gewonnen, wäre der SC schon qualifiziert für die Europa League und könnte das Spiel in München locker angehen. Der verpasste Heimsieg - das ist bei allem Mitleid für den Gast fast untergegangen - war aus Freiburger Perspektive ausgesprochen ärgerlich. "Ziemlich enttäuscht" war auch Angreifer Maximilian Philipp: "Das ganze Team will unbedingt nach Europa."

Das war nun ein Satz, den man von Philipps Trainer garantiert nie hören würde. Zwar hat er auch am Samstag betont, dass er an die letzte Europapokal-Saison 2013/2014, die den SC nach Liberec, ins portugiesische Städtchen Estoril sowie nach Sevilla geführt hatte, prima Erinnerungen habe - aber eine Einschränkung hat er auch gemacht: "Europa war wunderbar, aber ich habe noch keinen gefunden, der mir garantieren kann, dass wir dann trotzdem den Klassenerhalt schaffen."

Die Skepsis kommt nicht von ungefähr. Bochum (2005) sowie Augsburg in der vergangenen und Mainz in dieser Saison steckten nach Einschätzung ihrer jeweiligen Trainer weit länger im Abstiegskampf fest als das ohne die Mehrfachbelastung der Fall gewesen wäre. Da Streich aber weiß, dass einige in der Stadt und im Verein am Ende des 33. Spieltages auch mit etwas mehr Europa-Euphorie gut leben könnten, hat er noch mal in seinem erstaunlichen Gedächtnis gekramt: "Da haben wir in der Hinrunde 14 Punkte gehabt und am Ende der Saison 36." Sprich: Wenn 14 Punkte der Preis für ein paar Reisen ins Ausland sind, und man sich erst dann wieder halbwegs berappelt, wenn man aus dem internationalen Business ausgeschieden ist, dann ist ihm das Risiko zu hoch. "In der Saison darauf sind wir dann abgestiegen."

Durchmarsch von der zweiten Liga in die Europa League

Allerdings gibt Streich zu, dass der heutige Kader qualitativ und quantitativ besser besetzt ist als damals. "Man kann nicht vorhersagen, dass uns das Gleiche automatisch noch mal passiert." Das dürfte auch für die kommende Saison gelten, selbst wenn in Vincenzo Grifo, der mit Gladbach in Verbindung gebracht wird, und möglicherweise auch Philipp zwei hervorragende Kicker gehen sollten.

Die Tabelle ist, wie sie ist, und der Fußballer, der am 33. Spieltag auf Rang sechs rangiert und den nicht über die Ziellinie bringen will, der muss auch in Freiburg erst noch gefunden werden. Und natürlich hat Streich vollen Einsatz versprochen, um Platz sechs zu festigen: "Sonst kann ich mich in der Stadt nicht mehr blicken lassen."

Ein Lippenbekenntnis? Mitnichten. Denn wenn Streich eines ganz sicher nicht will, dann ist es, auf Platz sieben statt auf Platz sechs zu landen. In dem Fall müsste der Sportclub nämlich Anfang Juli in eine Qualifikationsrunde zur Europa League. Und die führt in der Regel zu eher exotischen Orten, die mit ziemlicher Sicherheit auch nicht gut mit dem Mannschaftsbus von Schruns/Montafon aus zu erreichen sind. "Ende Juli haben wir Trainingslager", gibt Streich zu bedenken: "Jetzt stellen Sie sich das mal vor!"

Wie gut, dass der SC Freiburg derzeit gerade einen Platz vor dem vermaledeiten siebten rangiert und ganz ordentliche Chancen hat, von der zweiten deutschen Liga in die Europa League durchzumarschieren. Bei einem Sieg am Samstag in München steht der SC sicher im europäischen Wettbewerb. Und wenn die Konkurrenz aus Köln, Berlin und Bremen mitspielt, braucht es nicht mal den.

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