SC Freiburg:Schwarzes Loch im Schwarzwald

FC Schalke 04 - SC Freiburg

Wöchentliche Talkshow mit dem Referee: Freiburgs Trainer Christian Streich bei einer seiner kräftezehrenden Debatten, hier bei seinem Feldverweis während der Partie auf Schalke.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Der Klub, der bereits gerettet zu sein schien, findet sich auf einem Relegationsplatz wieder. Schuld sind auch strukturelle Mängel im Team.

Von Christoph Ruf, Freiburg

In Freiburg haben sie in den vergangenen Tagen viele Videos angeschaut, die Aufarbeitung des mit 0:1 verlorenen Spiels gegen Hamburg stand auf dem Programm. Über das Abwehrverhalten beim Gegentor dürfte geredet worden sein. Und weil Trainer Christian Streich ein studierter Pädagoge ist, gab es sicher auch Szenen zu sehen, in denen sich der Sportclub weit besser präsentierte als in den deprimierenden beiden Spielen zuvor. Die Dynamik der vergangenen Wochen wird man hingegen nicht thematisiert haben. Während die bei den anderen 17 Vereinen in der Form einer Fieberkurve darzustellen wäre, ist Freiburg im freien Fall.

Derzeit steht der SC Freiburg, der im Frühjahr bereits gerettet zu sein schien, auf dem Relegationsplatz. Zu allem Unglück ist die Stimmung noch schlechter als der Tabellenplatz. Seit Wochen sind an der Schwarzwaldstraße vor allem bedrückte Mienen zu sehen, aus den Aussagen der Funktionäre spricht selten Optimismus. Niemals hört man ein trotziges Jetzt-erst-recht. Dabei liegt der HSV immernoch fünf Punkte hinter Freiburg. Um direkt abzusteigen, müsste es also sehr dumm für Freiburg laufen. Selbst im Dreikampf um Platz 16 hat der SC keine ganz schlechten Chancen. Wolfsburg ist Wolfsburg. Und Mainz hat das schwierigere Restprogramm.

Dass im Breisgau dennoch Fatalismus herrscht, liegt auch an den Begleiterscheinungen der jüngsten Niederlagen. Die ersten drei von vier aufeinanderfolgenden Spielen gegen Abstiegskonkurrenten (Wolfsburg, Mainz, HSV) gingen allesamt verloren, ohne dass der SC Freiburg dabei ein einziges Tor erzielt hätte. In zwei dieser Spiele wurde allerdings auch extremes Pech mit Schiedsrichterentscheidungen beklagt; nach der jüngsten in Hamburg, die in einen Platzverweis für den starken Verteidiger Caglar Söyüncü mündete, trat ein Spieler die Kabinentür ein. Nils Petersen ("Hoffentlich steigen die Hamburger ab") hat sich im Kabinengang ebenfalls echauffiert. Es war der Frust über die Leistung des eigenen Teams, aber auch darüber, dass Freiburg in dieser Saison tatsächlich, insgesamt betrachtet, wenig Glück mit den Referees hatte.

In einer normalen Spielzeit könnte man solche Widrigkeiten wegstecken; doch diese Saison ist keine normale. Der Kader ist deutlich schwächer besetzt als in den meisten früheren Freiburger Bundesligajahren. Vor allem der Weggang von Maximilian Philipp und Vincenzo Grifo, die in der Vor-Saison an fast allen Toren beteiligt waren, wurde nicht ansatzweise aufgefangen. Im Oktober verletzte sich Florian Niederlechner, der beste Stürmer der vergangenen Saison. Wie groß das Schwarze Loch in der Offensive seither ist, dokumentiert der Fakt, dass Petersen heute der einzige ist, dem man zutraut, ein Tor zu schießen - in der vorigen Saison war er noch nicht einmal Stammspieler. Die anderen Angreifer, Marco Terrazzino, Tim Kleindienst und Lucas Höler, die es zusammen auf mehr als 50 Einsätze bringen, haben nicht getroffen. Und hinten erlahmt der Widerstand, wenn die oft solide Defensive den ersten Gegentreffer fängt. Anders gesagt: Um in der jetzigen personellen und mentalen Verfasstheit überhaupt zu punkten, muss alles klappen.

Vielleicht stünde der SC allerdings heute auch besser da, wenn er im Winter einen torgefährlichen Angreifer gekauft hätte. Dass Florian Niederlechner in dieser Saison wohl nicht mehr zum Einsatz kommen würde, war schließlich klar. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das leichter gesagt als getan ist: Seitdem Darmstadt wieder in der zweiten Liga spielt, hat der SC Freiburg erneut den geringsten Etat der Liga. Im Winter gelang es nicht, Luca Waldschmidt vom HSV loszueisen, die Angreifer Admir Mehmedi (Bayer Leverkusen) und Renato Steffen (FC Basel) entschieden sich für Wolfsburg. Stattdessen kam Höler, der in der Hinrunde ein paar Mal für Sandhausen getroffen hatte und ein fleißiger junger Mann ist.

Alles in allem könnte es bessere Ausgangslagen geben vor dem vierten Spiel gegen einen Abstiegskandidaten. Zumal selbst der 1. FC Köln noch in der Liga bleiben könnte - wenn er drei Mal gewinnt und alle anderen mitspielen. Immerhin: In Mike Frantz hat sich ein wichtiger Spieler zurückgemeldet, der seit dem 11. Spieltag verletzt gewesen war. Zudem hat Kapitän Julian Schuster noch in den Katakomben des Volksparkstadions energisch gefordert, man solle auf "Ablenkungsmanöver" wie Debatten um Verletzungspech und Schiedsrichterentscheidungen verzichten.

Und schließlich haben sie im engen Freiburger Trainerzimmer ja sicher auch noch den Video-Mitschnitt vom Hinspiel am 10. Dezember 2017 parat liegen. Damals führte der FC im Kölner Schneegestöber bereits 3:0. Am Ende gewann Freiburg 4:3. Die Spieler hatten jenen trotzigen Siegeswillen gezeigt, der ihnen nun abhanden gekommen zu sein scheint.

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