SC Freiburg - Schalke 04 (17.30 Uhr):"Europa ist immer gut"

SC FREIBURG - BORIUSSIA DORTMUND

Kampfeslustig: Als Spieler war Tobias Willi nie der begnadedste Techniker. Er fiel eher durch engagiertes Zweikampfverhalten auf, wie hier gegen den Brasilianer Dédé.

(Foto: dpa)

Der SC Freiburg hat alle Chancen, sich für die Europa League zu qualifizieren. Der ehemalige SC-Profi Tobias Willi erinnert sich an die ersten internationalen Auftritte des Klubs.

Interview von Anna Lammers

Tobias Willi hat bereits das erlebt, wovon Vincenzo Grifo, Nils Petersen und Christian Günter aktuell noch träumen: Der ehemalige Fußballprofi lief 2001 für den SC Freiburg im Uefa-Cup auf. Heute ist Willi nicht nur BWL-Student und hat ein Unternehmen gegründet, das sich um die Versicherung von Sportlern kümmert, sondern ist auch Dauergast im Schwarzwald-Stadion und kennt die Situation des SC Freiburg sehr gut.

Herr Willi, Sie haben 2001 als Spieler mit dem SC Freiburg im Uefa-Cup gespielt. Wie war es damals, als sich Ihre Mannschaft qualifiziert hat?

Die Qualifikation zum Uefa-Cup hat uns damals ziemlich überrascht. Unser Ziel war nur der Klassenerhalt, und auch während der Saison haben wir als Mannschaft nie über die internationalen Plätze nachgedacht. Wir haben eher gezählt, wie viele Spiele wir noch bis zum sicheren Klassenerhalt gewinnen müssen. Dann kam der 4:1-Sieg am 34. Spieltag zu Hause gegen den VfL Wolfsburg. Nach dem Abpfiff war uns plötzlich allen klar: Wir stehen auf dem sechsten Platz und spielen im Uefa-Cup. Das war ein riesiges Ereignis.

Was sind Ihre besonderen Erinnerungen?

Ich erinnere mich noch recht gut an unsere erste Partie im Uefa-Cup. Wir mussten in den Norden der Slowakei zu Matador Púchov reisen. Die hatten nur ein kleines Stadion, und eigentlich waren sie kein großer Gegner. Das Spiel fand allerdings am 11. September 2001 statt und war überschattet von den Anschlägen in New York. Positiv in Erinnerung habe ich vor allem die Heimspiele in Freiburg. Die Stimmung der Fans war einfach unbeschreiblich. Aber auch die Auswärtspartien gegen St. Gallen im Stadion in Zürich oder in Rotterdam waren beeindruckend.

In der dritten Runde war dann gegen den späteren Sieger Feyenoord Rotterdam Schluss.

Wir haben den Uefa-Cup von der ersten Minute an ernst genommen. Unser damaliger Trainer Volker Finke war voll motiviert, und auch wir wollten natürlich jedes Spiel gewinnen. Im Rückspiel gegen Feyenoord Rotterdam haben wir zu Hause durch die Tore von Sebastian Kehl und Levan Kobiaschwilli sogar 2:0 geführt, das hätte für ein Weiterkommen gereicht. Da war eine Stimmung im Stadion, die ich so selten erlebt habe. Umso enttäuschter waren wir dann, als wir ausgeschieden sind. Wenn Freiburg einmal international spielt, ist das für alle etwas Besonderes. Nach dem Spiel waren alle traurig und wütend - verständlich. Aber mit etwas Abstand habe ich gemerkt, wie stolz die Fans und die Stadt dennoch auf uns waren.

Woran lag es, dass es in der Bundesliga immer schlechter lief und der SC Freiburg am Ende in die zweite Liga abstieg?

Ich bin mir nicht sicher, ob alleine die Uefa-Cup-Teilnahme für die schlechte Leistung verantwortlich war. Sicherlich war es ein Grund, da der Wechsel zwischen den internationalen Highlights unter der Woche und der Ernüchterung am Wochenende in der Liga nicht immer leicht war. Hinzu kamen verletzte Spieler, Pech und schlechte Spiele. Wenn diese Faktoren alle zusammen kommen, dann steigt ein Verein eben ab. In Freiburg ist das aber der normale Zyklus, damit rechnet man jede Saison aufs Neue.

Freiburg steht aktuell auf Platz acht in der Bundesligatabelle, kurz vor Europa. Wie schätzen Sie die Leistung der Mannschaft ein?

FC Schalke, Bayer Leverkusen oder auch der VfL Wolfsburg: Ich bin wirklich erstaunt, welche Spitzen-Vereine in der Tabelle momentan hinter dem SC Freiburg stehen. Der Fußball, den die Freiburger derzeit bieten, ist einfach beeindruckend. Jeder hier genießt diese erfolgreiche Phase, gerade weil Verantwortliche, Spieler und Fans ganz genau wissen, dass es schnell wieder vorbei sein kann. Daher darf auch so ein Spiel gegen den SV Darmstadt mit 3:0 verloren werden - und keiner ist wirklich böse.

Sie sind regelmäßig bei Spielen im Stadion. Wie gefällt Ihnen der Freiburger Fußball 2017?

Seit zwei Jahren bin ich wieder zurück in Freiburg und seitdem habe ich eine Dauerkarte beim SC. Gemeinsam mit meinem Vater bin ich fast bei jedem Heimspiel im Stadion, ich bin hier aufgewachsen, daher lässt mich der Verein bis heute nicht los. Jetzt bin ich aber ein ganz normaler Fan. Das ist herrlich und deutlich entspannter, als selbst auf dem Platz zu stehen. Freiburg hatte schon immer seine ganz eigene Spielweise, die geprägt ist von der Laufleistung und vor allem der Emotionalität und dem Einsatz der Spieler. Das ist das Besondere beim SC Freiburg und etwas, das die Mannschaft und ihr Spiel speziell macht.

Und Trainer Christian Streich?

Christian Streich kenne ich noch aus meiner Zeit bei der A-Jugend des SC Freiburg, da war er zwei Jahre lang mein Trainer. Ich bin, wie jeder Freiburger, fasziniert von seiner Arbeitsweise. Es ist absolut kein Zufall, was sich da gerade in Freiburg abspielt. Der Erfolg ist das Resultat harter und jahrelanger Arbeit. Ich bin immer wieder beeindruckt, was in diesem Verein, mit so einem geringen Etat, alles geleistet wird. So zum Beispiel auch letzte Saison, als Freiburg nach nur einem Jahr in der zweiten Liga noch vor RB Leipzig wieder aufgestiegen ist, obwohl sehr viele Stammspieler den Verein verlassen hatten.

Würden Sie sich mit Ihren Erfahrungen von damals eine Teilnahme in der Europa League für den SC Freiburg überhaupt wünschen?

Wenn ich mich entscheiden könnte, würde ich dem SC Freiburg, der Mannschaft und den Fans auf jeden Fall die Teilnahme an der Europa League wünschen. Europa ist immer gut und eine einmalige Erfahrung. So wie ich Christan Streich aber kenne, wird momentan Europa kein Thema in der Kabine oder bei der Ansprache sein. Aus meiner eigenen Erfahrung von damals weiß ich aber auch, wie überraschend die Uefa-Cup-Teilnahme bei uns war. Und Freiburg ist immer für eine Überraschung gut. Es wäre am Ende einer erfolgreichen Saison eine Belohnung für alle Spieler und Fans.

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