SC Freiburg:Gegen die Urangst

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Freiburger Winter-Zugang und möglicher Vertreter des verletzten Torjägers Nils Petersen: der aus Mainz geliehene Florian Niederlechner.

(Foto: Buthmann/imago)

Der sonst zurückhaltende SC Freiburg hat im Winter drei neue Spieler verpflichtet - alles spricht für den Wiederaufstieg.

Von christoph ruf, Freiburg

Der Schein der Computer-Bildschirme ist die auffälligste Lichtquelle in dem kleinen Raum, in dem die Co-Trainer Patrick Baier, Andreas Kronenberg und Lars Voßler ein paar Spielszenen für das Nachmittagstraining zusammenschneiden. Irgendwo im Halbdunkel zischt kaum hörbar eine Kaffeemaschine. Der Blick fällt nun auf zwei Männer, die weiter hinten im Raum ins Gespräch vertieft sind. Ihre Mimik verrät, dass sie eine Frage erörtern, die viele Fürs und Widers beinhaltet. Irgendwann löst sich die Spannung. Sportdirektor Jochen Saier und Trainer Christian Streich schauen sich tief in die Augen und schlagen ein.

So oder so ähnlich könnte es im Trainerzimmer des SC Freiburg in den vergangenen Wochen gleich dreimal zugegangen sein, bevor Saier zum Telefon griff und kurz darauf die Rückennummern 7, 14 und 15 auf drei Sätze neuer Trikots geflockt werden konnten. Ja, es ist wahr. Die gewöhnlich knauserigen Badener haben im Winter gleich drei neue Spieler verpflichtet: Florian Niederlechner (geliehen aus Mainz), Pascal Stenzel (geliehen aus Dortmund) und Havard Nielsen (Salzburg) starten mit ihren neuen SC-Kameraden an diesem Freitag in die Mission Wiederaufstieg - mit einem Auswärtsspiel beim VfL Bochum.

Wenn Freiburg in einer Winter-Transferperiode drei Spieler holt, ist das in etwa so ungewöhnlich, als würde Felix Magath im Sommer nur zehn Neue holen. Nichts fürchtet SC-Coach Streich schließlich mehr als einen zu großen Kader, aus dessen Tiefen Zwietracht und Intrigen steigen könnten: "Ich will nicht vier, fünf Jungs sagen, dass sie am Wochenende auf die Tribüne müssen", hat er gerade erst wieder gesagt, "so etwas birgt immer die Gefahr, dass das Gruppengefüge leidet." Wenn die Macher beim SC ihre Urangst nun also überwunden haben, hat das allerdings gute Gründe. Sie werden nämlich lange Zeit niemanden zusätzlich auf die Tribüne schicken müssen, nur weil jetzt drei gute Kicker dazugekommen sind.

"Spieler, die bei der Videoanalyse in den Bildschirm reinkriechen."

Gut ein Viertel des Kaders fehlt derzeit verletzungsbedingt, darunter Nils Petersen, Maximilian Philipp und Mike Frantz - fast die komplette bisherige Offensive. So etwas wäre wohl bei jedem Klub misslich. Beim SC, der traditionell mit kleinen Kadern arbeitet, ist es jedoch ein Schlag ins Kontor. Zumal sich in Petersen auch der Mann verletzt hat, der die Torschützenliste der zweiten Liga mit 15 Treffern anführt. In der Hinrunde erzielte Freiburg vor allem dank Petersen weit mehr Tore (43) als Tabellenführer Leipzig (31).

Streich ("in dieser Liga kann jeder jeden schlagen, außer Leipzig") wähnt das Team des Kollegen Ralf Rangnick dennoch in anderen Dimensionen als normale Zweitligisten. Allerdings hörte er in der Hinrunde von jedem zweiten gegnerischen Trainer, dass es eigentlich zwei Mannschaften sind, deren Aufstieg in dieser Saison nicht zu verhindern ist. Leipzig. Und eben Freiburg, das zwar drei Zähler hinter RB, aber immer noch acht Punkte vor dem ersten Nicht-Aufstiegsplatz rangiert. In Fürth, Nürnberg, Braunschweig oder St. Pauli arbeiten Trainer, die hohe Wetten darauf eingehen würden, dass sie die künftigen Erstligisten schon nach der Hälfte der Saison kennen. Nürnberg, das seinen besten Spieler, Alessandro Schöpf, im Winter nach Schalke ziehen lassen musste, hat als härtester Verfolger dann auch folgerichtig den Relegationsrang als Ziel ausgegeben.

Allerdings hören sie die Ehrenbezeugungen der Konkurrenz in Freiburg nicht sonderlich gerne, selbst dann nicht, wenn sie von Ewald Lienen kommen, den Streich als Mensch, Trainer und politischen Kopf sehr schätzt. Doch als der FC-St. Pauli-Trainer nach dem Hinrundenspiel Ende Oktober betonte, wie albern er es finde, dass Freiburg seine Favoritenrolle kleinrede, guckte Streich nicht fröhlich drein. Schon wieder einer, dessen Worte zu Konzentrationsabfall und Nachlässigkeit führen können.

Eine der Lehren aus der vergangenen Saison ist es schließlich, jeden Anflug von Selbstzufriedenheit im Keim zu ersticken. Schließlich stieg man 2015 ab, weil sich vier, fünf Spieler nach dem Sieg gegen den FC Bayern (2:1) am vorletzten Spieltag zu sicher fühlten. Es folgte eine ebenso verdiente wie unnötige Niederlage in Hannover, bei der mancher Spieler erst nach dem Abpfiff zu verstehen schien, worum es in diesem Spiel ging. Diese Saison scheint der Geist des Teams ein anderer zu sein, einige Diven sind weitergezogen.

Stattdessen sind ein paar Neue im Team, "die bei der Videoanalyse fast in den Bildschirm reinkriechen", wie Streich berichtet. Was diese Spieler beim Blick aus wenigen Zentimetern Entfernung in dieser Woche auf den Bildschirmen gesehen haben, sind Szenen einer Bochumer Mannschaft, die im Grunde einen Fußball spielt, den auch Streich schätzt: Beim VfL wird kombiniert und Fußball gespielt, nicht gemauert und dem langen Ball gefrönt.

In einer Liga, die ein weiterer Bruder im Geiste, Fürths Trainer Stefan Ruthenbeck, jüngst eine "Scheißliga" nannte, "weil es dir nicht unbedingt etwas bringt, einen klaren Plan zu haben, Wert auf Ballbesitz und Passqualität zu legen", treffen in Streich und Gertjan Verbeek zwei Trainer aufeinander, die sich persönlich nicht mögen, deren Idee von Fußball aber besser zur ersten als zur zweiten Liga passt. Und wenn die nächsten 15 Spiele in etwa so laufen wie die vergangenen 19, spielt Freiburg dort oben ja auch bald wieder.

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