SC Freiburg:Christian Streich, Experte für Taktik - und Menschen

FC Ingolstadt 04 v SC Freiburg - Bundesliga

Seit Dezember 2011 Trainer des SC Freiburg: Christian Streich.

(Foto: Marc Mueller/Bongarts/Getty)

Christian Streich ist der dienstälteste Trainer der Bundesliga und inzwischen das Gesicht des SC Freiburg - weil er sich nicht scheut, eine Meinung zu haben.

Von Christoph Ruf

Am nächsten Montag bittet Christian Streich zum ersten Training im Jahr 2017. Sollte ihm dann einer der Spieler zu seinem Jubiläum als Trainer des SC Freiburg gratulieren, dann wird derjenige vermutlich eine wegwerfende Handbewegung ernten. Dass Streich nun seit exakt fünf Jahren im Amt ist und damit längst vor Peter Stöger (Köln) und Roger Schmidt (Leverkusen) der dienstälteste Coach der Bundesliga ist, interessiert ihn nach eigenem Bekunden nicht - oder nur insofern, als diese Statistik beweise, wie "schnelllebig das Fußballgeschäft geworden ist".

Dass die Freiburger Pressestelle seit Wochen alle Interviewanfragen mit dem Betreff "Dienstjubiläum Streich" abgewiesen hat, lag allerdings auch daran, dass sie beim SC seit jeher ein bisschen panisch werden, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an einem Vereinsthema den gewohnten südbadischen 50-Kilometer-Radius überschreitet.

Als jüngst nach Streichs klugen Äußerungen über Facebook, Flüchtlinge und die AfD ("Man muss sich da jetzt bekennen") mehrere Dutzend Interviewwünsche den Verein erreichten, ließ man deshalb die Jalousien herunter - auf Geheiß von Streich, dem zuletzt einige Menschen einen Hang zur Selbstdarstellung andichteten. Womit diese Menschen im Übrigen ziemlich danebenlagen.

Streich, der früher mit Freiburgs heutigem Sportdirektor Klemens Hartenbach in einer WG wohnte, ist vor 30 Jahren in der Freiburger Studentenszene politisch sozialisiert worden. Eine Meinung zu haben, gilt da nicht als Verhaltensauffälligkeit. Und wer gesehen hat, wie der emotionale Trainer bei seinen öffentlichen Aussagen nach Worten rang und wie sein Blick dabei hin und her wanderte, der kann gar nicht auf die Idee kommen, dass sich da jemand selbst inszenieren wollte. Wenn Streich das Gefühl hat, im kleinen Kreis frei reden zu können (und wenn dann vielleicht sogar noch eine Zigarette in der Nähe ist), dann ist seine Körpersprache genauso entspannt wie sein Redefluss. Ein Freund der großen Bühne ist er nicht.

Dass es ihm rund um die Spieltage auch nach fünf Jahren im Amt nur schwer gelingt, gelassener zu werden, ist allerdings ein echtes Problem. Wenn Streich sich provoziert fühlt - wie zuletzt von Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen, der den Freiburgern erhöhte Aggressionsbereitschaft in Zweikämpfen unterstellt hatte -, dann kann der SC-Coach solche Dinge auch noch Monate danach nicht vollständig abhaken. Nervenschonend dürfte diese Angewohnheit für einen 51-Jährigen nicht sein.

Streichs Stärken erschöpfen sich nicht im Fußballtaktischen

Er sei den Freiburgern "dankbar, dass sie nicht gleich anfangen zu spinnen, wenn man mal ein Spiel verliert", hat Streich zuletzt gesagt - und dabei an den Abstieg im Mai 2015 gedacht, der ihm selbst sehr zugesetzt hatte und den er mit der Bundesliga-Rückkehr im Frühjahr 2016, als Zweitliga-Meister vor RB Leipzig, unverzüglich korrigieren konnte.

Mit Ausnahme des Abstiegs hätte seine Amtszeit bisher kaum erfolgreicher verlaufen können. Als Streich kurz vor Silvester 2011 die Nachfolge von Marcus Sorg antrat, übernahm er einen entmutigten Tabellenletzten - und führte ihn in der Rückrunde noch auf Rang zwölf. In der darauffolgenden Saison qualifizierte sich der Sportclub sogar für das internationale Geschäft. Und aktuell hat Freiburg nach einem starken Herbst als Tabellenachter zehn Zähler Vorsprung auf die Abstiegszone.

Dabei erschöpfen sich Streichs Stärken nicht im Fußballtaktischen. Es überrascht immer wieder, dass unterschiedlichste Spielertypen geradezu euphorisch über seine Menschenführung reden - schlichtere Gemüter, aber auch auffallend reflektierte Spieler wie Nils Petersen, Julian Schuster oder der nicht unkomplizierte Jan Rosenthal, der inzwischen in Darmstadt spielt.

Streich ist am stärksten, wenn er mit seinen Spielern arbeiten kann, und wenn es um Fußball geht. Mit seiner Art und seinen Aussagen ist er das Gesicht des SC Freiburg geworden. Ob ihm und dem Klub das nun gefällt oder nicht.

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