Sandro Wagner:Emanzipation von Lewandowskis Schulter

25.07.07,  DFL-Ligacup in Stuttgart, VfB Stuttgart - FC Bayern München

In München ausgebildet: Sandro Wagner 2007 als Jungprofi beim FC Bayern.

(Foto: Bernd Feil/MIS)
  • Um die Abhängigkeit von Robert Lewandowski zu reduzieren, will der FC Bayern Angreifer Sandro Wagner aus Hoffenheim holen.
  • Ein Wechsel im Winter deutet sich an.
  • Offen sind die Ablöse - und die Frage, ob er sich angesichts der bevorstehenden WM wirklich mit einer Rolle als Reservist begnügen will.

Von Christof Kneer

In den vergangenen Tagen sind von unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Eigenschaften definiert worden, die ein möglicher neuer Stürmer des FC Bayern besitzen müsse. Ob der Kandidat Sandro Wagner nun ins Anforderungsprofil passt, das kann man so oder so sehen. "Einen Südamerikaner, der nicht Deutsch spricht", wolle er in der Winterpause auf gar keinen Fall, hat Trainer Jupp Heynckes gesagt, ein Kriterium, dass der in München geborene Wagner eher nicht fürchten muss. Eher schon dürfte er das Beuteschema des Stürmers Robert Lewandowski problematisch finden. Lewandowski hat gerade der Sportbild gesagt, es sei "sicherlich eine Option", als Back-up für ihn selbst "einen jungen, hungrigen Stürmer zu holen, der hinter einem erfahrenen Profi noch lernen will".

Dazu ist zu sagen, dass Sandro Wagner gewiss Appetit verspürt auf Erfolge, Tore und im Übrigen auch auf Ruhm und Anerkennung. Allerdings: Lernen? Und jung? Offen gesprochen ist Wagner ein Dreivierteljahr älter als Robert Lewandowski.

Bilanzierend lässt sich also festhalten, dass Sandro Wagner, 29, als Sturmzugang des FC Bayern zu 50 Prozent perfekt wäre. Zu 50 Prozent wäre er allerdings auch sehr unperfekt. Das ändert aber nichts daran, dass sich nach SZ-Informationen ein Transfer in der Winterpause andeutet: Der FC Bayern hat sein Interesse an Wagner bereits bei der TSG Hoffenheim hinterlegt, und in Hoffenheim haben sie beschlossen, offensiv mit der Personalie umzugehen.

Wie wirkt sich die sportliche Perspektive auf den Willen des Spielers aus?

Alle Parteien seien "bei diesem Thema im Austausch", sagte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann am Donnerstag bemerkenswert offen und ergänzte, man wisse "nicht erst seit den aktuellen Medienberichten vom Interesse des FC Bayern". Auch "der Wille des Spielers" sei im Verein bekannt. Dieser Wille des Spielers ist offenbar einer der beiden Punkte, die am Ende über das Zustandekommen des Transfers entscheiden werden.

Natürlich kennen sie in Hoffenheim Wagners Biografie, sie wissen, dass er dem FC Bayern in seinem siebten Lebensjahr beitrat, dass er später unter Hermann Gerland bei den Amateuren spielte und seiner Heimat immer noch verbunden ist. "Sandros Familie wohnt in der Nähe von München, Bayern ist sein Jugendverein, da kann ich die Interessenslage schon nachvollziehen", sagt Julian Nagelsmann, er hege da "auch keinen Groll".

Dennoch sind sie in Hoffenheim gespannt, inwieweit sich nicht nur die familiäre, sondern auch die sportliche Perspektive auf den Willen des Spielers auswirken wird. Der sehr, sehr, sehr selbstbewusste Robert Lewandowski hat zwar großzügig sein Einverständnis an einer Ergänzung des Sturmressorts signalisiert, aber schon auch ausrichten lassen, wie er sich diese Ergänzung vorstellt. Schonungshalber sei es vielleicht nicht ganz verkehrt, wenn er in manchen Spielen künftig in der 70. oder 75. Minute das Feld räume, hat er gesagt - was schon die Frage aufwirft, ob diese gnädigerweise zur Verfügung gestellte Einsatzzeit einem Stürmer wie Wagner genügen kann, der kommenden Sommer dienstlich zur WM nach Russland reisen möchte.

Der Spätentwickler Wagner wird in zwei Wochen 30 Jahre alt, er weiß, dass die anstehende WM die erste und letzte seiner Karriere wäre. Und er ahnt zumindest, dass Joachim Löw fürs Ressort "Stoßstürmer" im WM-Kader nur eine Planstelle vorgesehen hat, die nach jetzigem Stand an Mario Gomez oder eben an ihn, an Sandro Wagner, fällt. Zieht man sich da freiwillig in eine Reservistenrolle zurück?

Für zehn Millionen Euro dürfte Hoffenheim Wagner kaum ziehen lassen

Das ist der eine Punkt, der noch geklärt werden muss, bei diesen Sondierungsgesprächen sitzt aber praktischerweise nur eine einzige Person am Tisch, Sandro Wagner. Bei Tagesordnungspunkt zwei wird der Raum schon voller: "Bei einem Transfer spielen viele Dinge eine Rolle", meinte Nagelsmann am Donnerstag etwa, "natürlich auch die Ablösesumme."

Von jenen zehn Millionen Euro, die da und dort geflüstert werden, distanzieren sie sich in Hoffenheim ausdrücklich, das sei "eher so ein Testballon" der anderen Seite, sagen sie bei der TSG. Im Angesicht des täglichen Irrsinns würden zehn Millionen selbst bei einem knapp 30-Jährigen als Schnäppchen durchgehen, zumal dieser knapp 30-Jährige noch bis 2020 an die TSG gebunden ist. Hier dürfte verschärfter Verhandlungsbedarf bestehen - für zehn Millionen dürften die Hoffenheimer kaum ihren torgefährlichsten Mann ziehen lassen, auch wenn sie betonen, über einen Plan B zu verfügen.

Für den FC Bayern wäre Wagner wohl genau der Spieler, den sie suchen. Dank seiner Qualität könnten sich die Münchner wenigstens halbwegs von Lewandowskis Schulter und anderen verletzlichen Körperteilen emanzipieren; und Wagner wäre auch in der Champions League spielberechtigt, da die Hoffenheimer die Qualifikation für diesen edlen Wettbewerb in den Playoffs freundlicherweise verpasst haben.

Für den Transfer spricht, dass die Wege kurz sind. Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp versteht sich traditionell tadellos mit Uli Hoeneß, und Sandro Wagner zählt zu den Klienten der Agentur von Roman Rummenigge. Roman Rummenigge ist der Sohn vom Chef des FC Bayern.

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