Sandro Rosell:Die Seleção spielt, der Präsident kassiert

Neymar and Barcelona's president Sandro Rosell walk out to meet the media, after Neymar signed a five-year contract with FC Barcelona, at their offices close to Camp Nou stadium in Barcelona

Unter Verdacht: Sandro Rosell, bis 2014 Präsident des FC Barcelona (hier im Juni 2013 vor der Präsentation des inzwischen abgewanderten Neymar).

(Foto: Albert Gea/Reuters)
  • Sandro Rosell, von 2010 bis 2014 Präsident des FC Barcelona, droht eine Gefängnisstrafe.
  • Es geht um Geldwäsche und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation. Rosell weist die Vorwürfe zurück.
  • Rosell war jahrelang in diversen Strukturen des Weltfußballs eingebunden. Als Kronzeuge könnte er unter anderem Hinweise liefern, ob die WM in Katar gekauft wurde.

Von Thomas Kistner

Reisen nach Madrid waren bis Ende 2014 Höhepunkte für Sandro Rosell, da war er noch Präsident des ewigen Real-Konkurrenten FC Barcelona. Mitte der Woche ging es nun wieder dorthin, aber die Reise fiel nicht so pompös aus wie einst. Statt des Learjets wartete ein gepanzerter Kastenwagen, von der Polizeikaserne in Barcelona ging es in die Kommandantur Tres Cantos in Madrid, wo Rosell die Nacht verbringen musste. Anderntags wartete Carmela Lamela auf ihn, Richterin am Nationalen Gerichtshof. Es geht um Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation. Rosell, 54, weist die Vorwürfe zurück.

Doch es sieht nicht gut aus für den Sportmanager, der Barça von 2010 bis 2014 regiert hatte - und am Dienstag nebst Gattin in Polizeigewahrsam kam. 35 Millionen Euro sollen auf Konten des Paares gesperrt worden seien; Rosell ist auch im Fokus der US-Justiz. Er gilt als ein zentraler Dominostein in jenem Puzzlespiel namens FifaGate, das die Korruption um den Weltverband Fifa beschreibt und am 6. November seinen Prozessauftakt erlebt. Rosell war geschäftlich eng mit Schlüsselfiguren der Affäre vernetzt, mit dem 2016 gefeuerten Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke und dem einstigen Fifa-Vize Ricardo Teixeira. Mit Letzterem, Dunkelmann des brasilianischen Fußballs, soll Rosell die TV- und Werberechte an Brasiliens Nationalelf, der Seleção, skrupellos ausgeschlachtet haben.

Teixeira ließ Teile der Millionengagen für die Seleção-Auftritte nicht an den Nationalverband CBF fließen, den er beherrschte, sondern an eine Privatfirma in New Jersey (USA), die Rosell gehörte. Wer die Stars um Neymar für ein Show- oder Testspiel verpflichten wollte, zahlte nicht an den Verband, sondern an eine Firma in der Karibik.

Ehe Teixeira 2013 seine CBF-Ämter abgab und vor der Justiz nach Miami floh, verhökerte er noch flott die Spielrechte der Seleção bis 2022 an das von ihm und Rosell dominierte Geflecht. Dokumenten zufolge flossen pro Testspiel 1,6 Millionen Dollar Gage an eine Firma namens ISE, hinter der Investoren aus Katar und Saudi-Arabien standen. Die ISE überwies dem Verband CBF nur 1,1 Millionen. 450 000 Dollar flossen an Rosells Firma, die so insgesamt elf Millionen Dollar abräumen sollte.

Der Fall ist doppelt brisant

Und das ist nur ein Teil der Geschichte. Rosell war in Brasilien lange Zeit als Repräsentant des Sportartikel-Riesen Nike für die Seleção zuständig, damals fand er mit Teixeira zusammen. In einem Fall, in dem sich das Duo an der Ausrichtung eines Testspiels Brasilien - Portugal bereichert haben soll, ging es um Staatsmittel. Die Aktivitäten der Bundesjustiz in Brasília und andere Strafermittlungen verdichten seither den Verdacht gegen Teixeira und Rosell. 2011 schickte eine Firma Rosells sogar 1,7 Millionen Euro auf das Konto der elfjährigen Tochter Teixeiras. Viele Millionen soll das Duo in Andorra gewaschen haben.

Der Fall Rosell ist doppelt brisant. Zum einen vernetzt er Hauptverdächtige in FifaGate miteinander: Neben Teixeira, dessen Auslieferung die US-Justiz betreibt, ist Rosell auch eng mit Valcke. Erst im April gründete der Ex-Fifa-General, der im Fokus Schweizer Bundesermittler steht, in Barcelona erneut eine Sportagentur: über die Ehefrau. Die Fifa hat Valcke wegen Deals mit TV-Rechten und WM-Tickets gesperrt.

Zum anderen führt der Fall Rosell auch in ein Schattenreich, das in den Fußball- Ermittlungen noch kaum ausgeleuchtet wurde: das der Sponsoren und anderer Geldgeber. Nikes Rolle interessiert die US-Justiz, der Konzern wird in einer Fifa-Gate-Klage unter dem Begriff Sportbekleidungsunternehmen A erwähnt. Nike erklärt dazu nur, man kooperiere mit den Behörden.

Rosell hat nun das Zeug zum Kronzeugen

Teixeira hatte 1996 einen Zehnjahres-Vertrag mit Nike besiegelt, der dem Konzern enormen Einfluss bis zur Nominierung von Nationalspielern garantierte - dafür sollen dem Funktionär Millionen und andere Gaben zugefallen sein. Nicht zuletzt wechselte ein Privatflugzeug mehrmals unter mysteriösen Umständen den Besitzer. Der Nike-Vertrag beschäftigte 2001 Ausschüsse in Brasília, weil er "Souveränität, Autonomie und nationale Identität" des Landes verletze, wie es im Antrag hieß. Der CBF wurde als "Hort des Verbrechens und der Korruption" klassifiziert, doch Klage-Empfehlungen der Politik verhallten letztlich bei den Richtern, die sich lieber WM-Tickets spendieren ließen.

Rosell hat nun das Zeug zum US-Kronzeugen. Er war auch schon in Barcelona mit Sponsordeals in die Kritik geraten. Barça band er für sechs Jahre an die Qatar Foundation; der 165-Millionen-Euro-Vertrag lief bis 2016, dem vorgesehenen Ende seiner Amtszeit. Besiegelt wurde er Tage nach dem WM-Zuschlag 2022 für Katar. Strafbehörden untersuchen bis heute, ob das Turnier erkauft wurde. Katar bestreitet das vehement. Doch viele Fragen sind offen, weit über die engen Geschäftsbande zu Rosell und Teixeira hinaus, die ihre Millionen aus den Seleção-Auftritten mit Hilfe einer an Investoren aus dem Golf angeschlossenen Firma abschöpften.

Erst Anfang Mai, nach langem Zögern, half Qatar Airways der weiter von Affären umtosten Fifa aus der Finanzklemme: Die Fluglinie stieg als Topsponsor in den stark ausgedünnten Werbepool ein. Tage zuvor hatte der bisher einflussreichste verbandsinterne Fürstreiter des Emirats, Ahmad al-Sabah (Kuwait), im Zuge einer neuen US-Anklage sein Amt als Fifa-Vorstand niedergelegt.

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