Saisonfinale in der Bundesliga:Erlösung 20 Sekunden vor Schluss

Florian Kehrmann Trainer TBV Lemgo Handball 1 Bundesliga MT Melsungen vs TBV Lemgo

Weltmeister, Europameister und Deutscher Meister als Spieler, als Trainer immerhin nicht abgestiegen: Lemgos Coach Florian Kehrmann.

(Foto: imago/Eibner)

Der traditionsreiche TBV Lemgo sichert sich in einer nervenaufreibenden Partie den Verbleib in der Bundesliga. Der Bergische HC steigt ab und hadert mit den verpassten Chancen.

Von Tim Brack, Lemgo/München

Florian Kehrmann riss die Arme hoch, doch sein Blick sah merkwürdig apathisch aus. Der Trainer des Handball-Bundesligisten TBV Lemgo war zu sehr mitgenommen von der Spannung, die seine junge Mannschaft ihm bis zum sicheren Klassenverbleib aufgebürdet hatte. Dabei ist der 39-Jährige mit dem dichten Bart fast so etwas wie ein Handball-Weiser. Kehrmann war 2007 Weltmeister mit Deutschland, und als der Traditionsklub Lemgo 2003 zuletzt die Meisterschaft holte, spielte der ehemalige Rechtsaußen mit Handball-Granden wie Daniel Stephan und Markus Baur an seiner Seite.

Doch all diese Erfahrungen bereiteten ihn nicht auf die Gefühlslage des letzten Spieltags vor, an dem der TBV den Klassenverbleib durch einen hoch spannenden 32:31 (15:13)-Sieg gegen den VfL Gummersbach sicherte. "Dass es am Ende gereicht hat, macht mich stolz. Das haben die Jungs echt gut hinbekommen", lobte Kehrmann nach dem Spiel bei Sport1. Das Ergebnis in der erstmals in dieser Saison ausverkauften Halle in Ostwestfalen löste die Spannung auf, die sich im Tabellenkeller zuletzt aufgestaut hatte.

Drei Vereine befanden sich am letzten Spieltag in der Verlosung um die Zweitklassigkeit. Neben dem TBV Lemgo waren das der TVB 1898 Stuttgart und der Bergische HC, der unter den schwierigsten Voraussetzungen in das letzte Duell der Saison ging. Der Tabellen-16. hätte sein Spiel gegen den TSV Hannover-Burgdorf gewinnen müssen, um in der ersten Liga zu bleiben. Zusätzliche Voraussetzung: Lemgo musste verlieren.

Lemgo muss bis 20 Sekunden vor Schluss zittern

Doch als die Botschaft des Lemgoer Siegs 183 Kilometer südwestlich beim Bergischen HC ankam, waren alle mathematischen Überlegungen hinfällig, obwohl die Partie des BHC noch lief. Die Zuschauer in Wuppertal erhoben sich, spendeten den sicher abgestiegenen Spielern Applaus und warteten, bis die Hallenuhr das Ende der Bundesliga-Zeit offiziell verkündete. "Das fühlt sich richtig scheiße an, wir sind selber schuld", klagte BHC-Torwart Björgvin Gustavsson: "Wir hatten es in dieser Saison selber in der Hand. Wir müssen nach vorne schauen." Der 32:24 (17:12)-Sieg gegen Hannover war nur noch ein leises Rauschen. Ebenso wie das 26:26 (14:16)-Unentschieden von Stuttgart in Göppingen, das dem Stuttgart-Trainer und ehemaligen Weltmeister Markus Baur die Rettung brachte.

Sein Leidensgenosse in Lemgo, Kehrmann, musste bis knapp 20 Sekunden vor Schluss warten, um von Tim Suton erlöst zu werden, der den 32:31-Endstand herstellte. Der 21-Jährige war ein wichtiger Faktor, mit sieben Treffern, aber auch als Spielgestalter. Das galt vor allem für die Phase der zweiten Hälfte, als der TBV-Trainer seinen Torhüter im Angriff auswechselte, um einen weiteren Feldspieler in den Abstiegskampf zu schicken. Suton initiierte nun die Spielzüge. Zielspieler der Aktionen war meist Rechtsaußen Tim Hornke, der insgesamt zehn Tore zum rettenden Sieg beisteuerte.

Kehrmann darf sich nun die Erfahrung "Klassenverbleib" in die Vita schreiben, neben die vielen Titel aus seiner Zeit als Spieler. Gefeiert wird die Rettung im letzten Spiel aber wie sämtliche Meisterschaften. "Ich freue mich so, dass ich gleich ein Bier trinken werde", sagte Kehrmann.

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