Saisonbewertung:Der FC Bayern war nicht da, als es darauf ankam

Die Mannschaft verliert die entscheidenden Spiele gegen Madrid und Frankfurt, die für eine Saisonbewertung relevant sind. Um in Zukunft keine triste Meisterfeier mehr zu erleben, hat der Klub nur zwei Möglichkeiten.

Kommentar von Martin Schneider

Bayern-Trainer Jupp Heynckes sagte: "Das werden wir auch noch überstehen." Mats Hummels meinte: "Ich dachte, das wäre nur im Falle des Pokalsiegs. Ich sag es ganz ehrlich: Ich brauche es nicht." Und Thomas Müller sagte: "Jetzt stehen wir da mit gefühlt leeren Händen."

Alle drei äußerten sich übrigens zur Meisterfeier des FC Bayern, die im Wortsinne daraus besteht, dass sich der Meister feiert und feiern lässt. Aber das mit der Meisterfeier, das war am Sonntag in München so eine Sache. Eigentlich ist es schon seit ein paar Jahren keine richtige Feier mehr. Klar, die Bayern-Spieler stehen auf dem Rathausbalkon am Marienplatz, präsentieren die Schale, manchmal auch noch den Pokal, die Fans freuen sich, dann fahren alle wieder heim.

Aber in diesem Jahr hat die Feier einen Schönheitsfehler: Der FC Bayern hat das DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt mit 1:3 verloren. Es war das letzte Spiel der Saison, folglich stellt sich nun die Frage, ob es eine gute oder eine schlechte Saison für die Münchner war. Selbst unter Angestellten des FC Bayern gibt es zwei Sichtweisen. Da ist einmal die Vorstandsetage, die sinngemäß sagt, man sei immerhin Meister geworden und das lasse man sich nicht kaputt reden. Und da ist die Spielerseite, vor allem vorgetragen von Joshua Kimmich, der sagt, für ihn sei es eine "brutal enttäuschende Saison" gewesen.

Der FC Bayern hat durch seine Überlegenheit in der Liga selbst dafür gesorgt, dass man ihm den Gewinn der Schale außerhalb des Marienplatzes einfach nicht mehr als Erfolg anrechnet, sondern als Pflicht. Es ist ein bisschen wie Blumengießen: Man kriegt kein Lob dafür und es fällt erst auf, wenn es mal nicht passiert.

Addiert man alle Punkte der letzten sechs Spielzeiten zusammen, dann kommt der FC Bayern auf 134 Punkte Vorsprung vor dem Sechs-Jahres-Zweiten Borussia Dortmund. In der Endtabelle waren es 25, 19, 10, 10, 10 und nun 21 Punkte Vorsprung vor dem jeweiligen Tabellenzweiten - also immer zweistellig. Ohne dass es der FC Bayern verhindern kann, entwertet das den Wettbewerb, weil die Stichprobe immer größer wird und der Schlussfolgerung immer klarer: Der FC Bayern ist der Liga entwachsen. Jürgen Klopps Aussage von 2013, er befürchte in der Bundesliga "schottische Verhältnisse" (in Schottland gewinnt immer Celtic Glasgow die Meisterschaft) war die beste Vorhersage der letzten Jahre. Sie traf voll zu.

Ist es fair, ein ganzes Jahr an drei Spielen zu messen? Ja!

Dass der FC Bayern durch Siege in der Liga kaum noch glänzen kann, wertet wiederum die Pokal-Wettbewerbe auf - wobei es scheint, als sei für Bayern-Spieler einzig und allein die Champions League wirklich relevant. Nur in dieser Spielklasse trifft der FC Bayern auf Gegner, die er für ebenbürtig hält. An diesen Spielen misst sich der Klub, und wenn das wie gegen Madrid schief geht, dann ist die Spannung raus, wie Thomas Müller nach dem Pokalfinale andeutete.

Ist es nun fair, ein ganzes Jahr an zwei Spielen gegen Madrid und einem gegen Frankfurt zu bemessen? Das mag auf den ersten Blick hart erscheinen, aber: Ja, natürlich ist das fair. Der FC Bayern war nicht da, wenn es drauf ankam. Daran werden Vereine und Akteure im Sport nun einmal gemessen: Tennisspieler wie Roger Federer oder Rafael Nadal an vier Grand-Slam-Turnieren im Jahr, ein Athlet bei Olympia sogar nur an einem Wettkampf, der alle vier Jahre stattfindet. Der FC Bayern hat es nicht geschafft, auf den Punkt Leistung zu bringen. Und das, obwohl er weiß, dass es in der Fußball-Welt auf diese Spiele ankommt.

Uli Hoeneß lag schon richtig, als er vor der Meisterfeier, bei der wenig gefeiert wurde, sagte: "Es kann nicht sein, dass wir seit Jahren immer wieder kurz vor dem großen Triumph scheitern. Wir werden uns im Sommer gründlich Gedanken machen, woran es liegt." Tatsächlich hat der FC Bayern nur zwei Exit-Strategien aus der trüben Meisterfeier: Entweder hoffen, dass es in der Liga eine Mannschaft gibt, die sie ernsthaft herausfordert (wonach es nicht aussieht) - oder halt da sein, wenn es drauf ankommt.

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