Ryder Cup:Kirmes für Golfer

*** BETSPIX *** Morning Fourballs - 2014 Ryder Cup

Geht der rein? Der amerikanische Golfer Rickie Fowler beim Ryder Cup.

(Foto: Getty Images)

Ein liebliches Tal in Schottland, Menschen mit Perücken und dazwischen fliegt was kleines Weißes. Der Ryder Cup ähnelt einer Jahrmarktveranstaltung. Doch hier kämpfen die besten Golfer aus Europa und den USA um die Vorherrschaft in ihrem Sport.

Von Gerald Kleffmann, Gleneagles

Orhan ist Fenerbahçe-Fan. Im Fußball. Damit das gleich mal klar ist, sagt er das sofort. Geboren ist Orhan in Istanbul, seit 18 Jahren lebt er in Schottland. Golf? Na ja. "Ein bisschen hacke ich rum", sagt er fröhlich. Lieber spiele er mit seinen Mädchen, wenn er frei hat, acht und elf Jahre, sein Stolz. Es ist 5.30 Uhr, Freitagmorgen, und stockdunkel.

Orhan ist einer von Dutzenden Fahrern, die Menschen zu einem speziellen Ort kutschieren. Aus Glasgow im Südwesten, aus Edinburgh im Südosten, aus Perth im Nordosten kommen sie angereist, in Autos und Bussen, aber auch mit der Bahn, wie in einem Trichter werden die Horden an einem abgelegenen Ort zusammengeführt: Gleneagles, das schöne Tal mit den Ochil Hills.

Der 40. Ryder Cup startet gleich, der emotional aufgeladene Kontinentalkampf zwischen den besten Golfprofis aus Europa und den USA, Tag eins von dreien. Orhan sagt: "Hoffentlich finde ich zurück." Der Verkehr, die kleinen Straßen und Abzweigungen rund um das edle Gleneagles Hotel machen ihm zu schaffen.

Die Fans singen laut

Es ist jetzt nicht mehr stockdunkel. Nur dunkel. Rund 500 Personen in Outdoorkleidung sitzen schon auf einer Tribüne und starren auf zwei Personen, die weiße Bälle ins schwarze Nichts schlagen. Ein Fernsehreporter geht auf Sendung, spricht in die Kamera, dass der eine, Henrik Stenson, vor 20 Minuten gekommen sei. Er sagt, der Schwede schlage sich ein und, ach, das da sei Thomas Björn. Der schlage auch Bälle.

Der Reporter klingt aufgeregt, obwohl der Moment, nun gut, unspektakulär ist. Aber es sind eben die letzten Minuten vor dem ersten Abschlag zu einem Ereignis, das angeblich 600 Millionen vor den Fernsehern verfolgen. "Where legends are forged", wo Legenden geformt werden - dieses Motto formten Marketingleute, nur: Wer in der Golfwelt mag das für übertrieben halten? Ist ja so, das mit den Legenden.

7.35 Uhr, Stenson und sein Partner, der lässige Justin Rose aus England, betreten Abschlag eins, auf den Tribünen herrscht Stadionatmosphäre wie beim Fußball. Überhaupt ist die erste Bahn, ein Par 4 mit 390 Metern, ein Meer aus Menschen, nur ein grüner Streifen in der Mitte verrät den Golfplatz. "There's only one Paul McGinley", singen die Fans laut, der Ire ist Europas Kapitän.

Aber auch US-Teamchef Tom Watson, 65, der renommierte Altmeister, den sie in Schottland verehren, bekommt sein Ständchen. Jedem wird gehuldigt, auch Martin Kaymer, statt "Karma, Karma, Karma Chameleeeeon", dem früheren Hit von Culture Club, ertönt "Kaymer, Kaymer, Kaymer Chameleeeeon".

Auch nett: Vor jedem ersten Abschlag spricht Ivor Robson. Graue Haare, distinguierte Erscheinung, seit 40 Jahren Ansager bei Golfturnieren. Eine Institution. Der Brite stellt mit liebenswerter Fistelstimme, sein Markenzeichen, die Spieler vor. "On the tee from Team USA: Bubba Watson", sagt er. Gelächter. Er korrigiert sich. "On the tee from Team USA: Webb Simpson." Simpson, Majorsieger bei der US Open 2012, zeigt prompt Nerven, haut den Ball neben die Bahn. Nicht optimal, einen Ryder Cup so zu beginnen.

"A good start by Herr Kaymer"

Vier Gruppen gehen in Abständen von 15 Minuten los, je zwei Europäer und Amerikaner spielen am Vormittag zunächst im Vierballformat: Jeder den eigenen Ball, das beste Teamergebnis zählt pro Loch. Man gewinnt (ein Punkt), teilt (halber Punkt) oder verliert. Kaymer, 29, aus Mettmann, Weltranglisten-Zwölfter, US-Open-Champion, ein Kreuz wie ein Holzfäller, findet rasch Rhythmus und Schwung. "It was a good start by Herr Kaymer", sagt ein Brite im Ryder-Cup-Radio.

Als erstes Duo gehen Stenson/Rose in Führung, an Bahn zwei, 1 up, 1 auf, aber Kaymer zieht nach mit Björn, er spielt gleich das Birdie an Bahn eins, braucht drei statt vier Schläge. Europa erlebt das erste Hoch. Tosender Applaus, während die Sonne über der Hügelkette aufsteigt. Kitschiger geht's kaum. Ein Traum für Golffans, von denen sich viele beim Einkleiden Mühe gemacht haben.

Blaue und gelbe und orange Perücken, Kilts, Amerikaner in Stars&Stripes-Hosen, mit Zylinderhüten und Frack, so sieht die Ehrerbietung aus, wenn der Ryder Cup, seit 1927 alle zwei Jahre durchgeführt, in Schottland, dem Mutterland des Golfs vorbeischaut. War ja auch eine Weile her: das letzte Mal 1973 in Muirfield.

Spielerfrauen lassen sich hinterherchauffieren

Der Platz, Centenary Course heißt er, wurde 1993 neben zwei bestehende gebaut, vor drei Jahren von Jack Nicklaus erneuert, dem mit 18 Majorsiegen besten Spieler der Geschichte. 6624 Meter lang ist der Par72-Kurs, der sich die Hügel hinauf und hinunter schlängelt und ideale Aussichtsplattformen bietet. Die Bahnen haben Namen wie Bracken Brae, Gowden Beastie oder Crookit Cratur.

Aus dem Flugzeug betrachtet dürfte das Gesamtbild wie eine Landschaft von Termitenhügeln aussehen, und dazwischen fliegt etwas kleines Weißes. Nur manche VIP-Behausung erinnert an Aquarien, das Publikum hier drückt sich schon mal die Nase an den Scheiben platt. Dabei muss man so einen Ryder Cup samt Atmosphäre doch draußen spüren, die "Yeaaaahs" und "Ohhhs", die Füße sollten schmerzen am Ende des Tages, als Zeugnis erlebter Golfgeschichte.

Was die Spielerfrauen machen, geht natürlich auch. Einige lassen sich in Carts hinterherchauffieren. Von den 24 Spielern sind nur drei ohne Partner (Kaymer, Rory McIlroy, Rickie Fowler), und doch düsen wesentlich mehr Damen im Tross umher als angegeben. Vielleicht sind ja Schwestern und Cousinen dabei. Bei Kaymer marschiert ja auch Vater Horst mit. Und Bruder Philip. Sie sehen, wie Martin sich Birdiechancen erarbeitet, aber nur zwei spielt. Das wir noch Konsequenzen haben.

Europa gelingt der erste von 28 Punkten, die bis Sonntag noch vergeben werden: Rose/Stenson besiegen Watson/Simpson, doch dann verliert die Einheit mit dem extrovertierten Ian Poulter aus England und dem Schotten Stephen Gallacher gegen die Ryder-Cup-Neulinge Patrick Reed und Jordan Spieth. Kaymer verzockt mit Björn die Führung von zwei Lochgewinnen drei Bahnen vor Schluss.

Remis - "enttäuschend, wenn die Putts nicht fallen", sagt der Deutsche ernüchtert. Später, bei den vier angesetzten Foursomes, den Vierern, bei dem zwei Spieler abwechselnd einen Ball schlagen, wird er von McGinley nicht aufgestellt. Erster Zwischenstand am Mittag: Die USA führt 2,5:1,5. Die Nachmittagsschicht für Spieler, Kapitäne, Helfer, Fans, Sponsorengäste und 1300 Journalisten startet um 13 Uhr, alles beginnt von vorne, das Jubeln, wenn Ivor Robsons Fistelstimme ertönt, das Pilgern, das Verschnaufen an den Essensständen, das Erklimmen der Hügel.

Die Anlage wirkt wie ein Luxuskreuzer, der Schiffbrüchige aufgenommen hat, alles drängt sich, alles ist eng, das wird bis Sonntagabend so bleiben, am Tag der Entscheidung mit den zwölf Einzeln, auch wenn Europa ein Momentum erwischte und den Rückstand vor den je vier Fourballs und Foursomes am Samstag in ein 5:3 verwandelte, angeführt vom starken Duo Rose/Stenson. Erst wenn der 40. Ryder Cup ruhmreiche Sieger hervorgebracht hat und mitgenommene Verlierer, haben die Schafe und Kühe wieder ihre Ruhe im schönen Tal von Gleneagles.

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