Ruud Gullit in Tschetschenien:Der PR-Coup des Ramsan Kadyrow

Der Fußballverein Terek Grosny eignet sich gut, um in Tschetschenien Normalität vorzutäuschen. Nun gelingt den Verantwortlichen eine Überraschung: Ruud Gullit wird neuer Trainer.

Johannes Aumüller

Zwei Lieblingsklubs hat Russlands Premierminister Wladimir Putin in der heimischen Premjer-Liga, Zenit St. Petersburg und Terek Grosny. Die Liebe zu Zenit ist leicht zu verstehen, schließlich ist das der Klub aus Putins Heimatstadt. Das Faible für Terek hingegen ist etwas erstaunlicher und entspringt eher politischen Überlegungen.

Ruud Gullit Terek Grosny

Ruud Gullit ist neuer Trainer in Tschetschenien (Bild: während einer Pressekonferenz im November 2007 in Los Angeles).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Denn Terek Grosny ist mehr als nur ein Fußballverein, er ist zugleich auch eine Art sportlicher Krisenhelfer. Grosny ist die Hauptstadt von Tschetschenien - und auch wenn der Konflikt in der Region offiziell für beendet erklärt wurde, so schwelt er doch weiter. Erst im vergangenen Oktober starben sieben Menschen, als Rebellen das Parlament stürmten.

Aber was eignet sich in solch einer Situation besser, um eine gewisse Normalität vorzutäuschen, als ein Fußballverein? Passenderweise ist Ramsan Kadyrow, kremltreuer Präsident der autonomen tschetschenischen Republik, auch Präsident des Klubs, und ebenso passenderweise entwickelte sich der Klub in den vergangenen Jahren auch ziemlich passabel - wenngleich bisweilen von Korruptionsvorwürfen begleitet.

2004 gewann Terek den russischen Pokal und qualifizierte sich so für den Uefa-Cup, 2007 stieg er in die erste Liga auf, 2008 durfte er sogar in sein Stadion in Grosny zurückkehren. Zuvor hatte er seine Heimspiele aus Sicherheitsgründe in Städten austragen müssen, die einige hundert Kilometer entfernt liegen.

Und von nun an gibt es noch einen Grund mehr, dass sich die Einwohner der Region mehr auf den Fußball als auf den Terror konzentrieren. Am Dienstagabend gab der Klub eine spektakuläre Verpflichtung bekannt: Ruud Gullit, früherer Weltfußballer, schillernde Figur des niederländischen Fußballs, unterschrieb einen Vertrag über 18 Monate und ist neuer Trainer in Grosny. "In Ruud Gullit haben wir einen echten Star des Weltfußballs und einen Trainer mit der Erfahrung aus Spitzenvereinen verpflichten können", sagte der stellvertretende Terek-Präsident Haidar Alchanow.

Eine seltsame Verbindung

Eine seltsame Verbindung beginnt da in Südrussland. Immerhin ist Gullit bekannt als Kämpfer gegen Rassismus und hat sich in den Niederlanden immer wieder in die politische Debatte eingebracht. Oft betonte der Spieler mit Vorfahren aus Surinam, dass er selbst wegen seiner dunklen Hautfarbe einst angegriffen wurde - und schon Anfang der neunziger Jahre regte er an, das Spielfeld zu verlassen, sollten Fans rassistische Pöbeleien rufen. In Russland aber gab es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Probleme mit rassistischen Fußballfans.

Nun soll Gullit am Samstag Ramsan Kadyrow treffen. Gegen den 34-jährigen Machthaber stehen schwere Vorwürfe im Raum, er würde seine politischen Gegner foltern und sogar ermorden lassen. Im Januar 2009 wurde in Wien ein Kadyrow-kritischer Flüchtling auf offener Straße erschossen. Gerüchte, der als äußerst brutal geltende Kadyrow habe seine Hände im Spiel gehabt, wollen nicht verstummen. Es könnte interessant werden, was Gullit mit Kadyrow zu besprechen hat.

Immerhin wird Gullit ein paar Rubel verdienen können in Grosny. Die Tschetschenen werden sich ihren PR-Coup einiges kosten lassen. Und Gullits Trainerkarriere war zuletzt abgerissen. Beim FC Chelsea war er 1996 zum jüngsten Spielertrainer der Vereinsgeschichte aufgestiegen, später trainierte er Newcastle United, Feyenoord Rotterdam und Los Angeles Galaxy. Seit 2008 trat er aber nur noch als Experte im niederländischen Fernsehen in Erscheinung.

In rund einem Monat beginnt die Saison (die Premjer-Liga spielt nach dem Kalenderjahr), und auf die "schwarze Tulpe" wartet viel Arbeit. Im Vorjahr landete Terek nur auf Platz zehn. Terek wollte offenbar unbedingt einen ausländischen Trainer verpflichten, neben Gullit waren noch Victor Munoz, Christian Gross und Martin Jol im Gespräch.

Doch wenn prominente ausländische Trainer nach Russland kommen, sind die Erwartungen stets groß - und scheitern viele, wie zum Beispiel Nevio Scala (Spartak Moskau, 2004) oder Artur Jorge (Dynamo Moskau, 2004), Michael Laudrup (Spartak Moskau, 2008/09) oder Jürgen Röber (Saturn Ramenskoje, 2008/09). Der Hauptvorwurf an ihre Adresse lautete stets: Die ausländischen Trainer verstünden die russischen Mentalität nur unzureichend.

Andererseits ist der Trainer des amtierenden russischen Titelträgers Zenit St. Petersburg aber der Italiener Luciano Spalletti und scheint es so zu sein, als könnten vor allem niederländische Trainer die russische Mentalität doch verstehen. Denn sowohl Guus Hiddink als auch Dick Advocaat feierten bei ihren Engagements für die russische Nationalmannschaft und Zenit St. Petersburg große Erfolge.

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