Russland - Deutschland:Väterchen Fußball

Die schwarze Spinne Lew Jaschin, Überraschungen von der Wolga und vereinslose Oligarchen: kuriose, mafiöse und historische Geschichten über Russlands Fußball.

J. Aumüller, C. Eberts und Th. Hummel

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Die Fußballer und der NationalstolzHeftig beschimpft wurde Andrej Arschawin, als er Anfang 2009 seinen Wechsel von Zenit St. Petersburg zu Arsenal London bekanntgab. Aus Kreisen russischer Nationalisten hieß es damals, Arschawin würde mit seinem Wechsel an die Themse auch gleich seine Seele mit verkaufen. Nach den jüngsten Erfolgen ist der russische Fußball fast zwangsläufig mehr in den Fokus der Politik gerückt - und auch in den Fokus derer, die sich Patrioten nennen.Dabei ist Arschawin beileibe keiner, der seine Nationalität verheimlicht. Auf seiner Internetseite gedenkt er etwa offen russischer und sowjetischer Kriegsjubiläen, wie der Befreiung Leningrads von den Deutschen. Außerdem ist er Mitglied der Regierungspartei Einiges Russland. "Ich war noch nie so stolz darauf, Russe zu sein", sagte Arschawin in einem Interview.Dazu passt eine Maßnahme des früheren Nationaltrainers Oleg Romanzew. Er ließ jedem Spieler ein Skript mit dem Text der russischen Nationalhymne aushändigen - den mussten seine Spieler auswendig lernen. "In dieser Mannschaft spielen nur diejenigen, denen der Fußball und das Ansehen Russlands am Herzen liegt", sagte er drastisch. Vom derzeitigen Coach Guus Hiddink sind solche Maßnahmen nicht bekannt. Immerhin: Sein Kapitän Andrej Arschawin dürfte den Text ohnehin kennen.Foto: ddp

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Russen im DFB-TrikotÜppig ist das Kontingent russischer Spieler in der Bundesliga wahrlich nicht. Mit Pawel Progrebnjak vom VfB Stuttgart spielt gerade ein russischer Akteur in Deutschland. Diese Aussage stimmt allerdings nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten muss man Spieler wie den Hoffenheimer Andreas Beck (im Bild), den Nürnberger Andreas Wolf oder einige andere mehr ergänzen, die in der Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten geboren wurden, russische Eltern haben oder als Kinder nach Deutschland übergesiedelt sind.Viel hat Andreas Beck von seiner sibirischen Heimat, der Stadt Kemerowo mit rund einer halben Million Einwohner, nicht mitbekommen. Denn beim Umzug ins schwäbische Wasseralfingen im Jahr 1990 war Beck erst drei Jahre alt. Seine Eltern sprachen zu diesem Zeitpunkt kein Wort Deutsch, Beck lernte die Sprache beim Fußball. Später spielte er 28 Mal für deutsche Jugend-Nationalteams, hat mittlerweile auch vier A-Länderspiele absolviert. Einmal für Russland aufzulaufen, daran dachte Beck nie ernsthaft.Andreas Wolf hingegen schon. Er war acht Jahre alt, als er von Leninabad (heute Chudschand in Tadschikistan) nach Deutschland aussiedelte. Wolf durchlief alle Jugend-Nationalteams von U 17 bis U 21, wurde jedoch nie zum A-Kader eingeladen. Anfang 2008 ließ Russlands Trainer Guus Hiddink dann verlauten: "Wir beobachten einige Spieler, die den russischen Pass bekommen könnten, darunter auch Andreas Wolf." Und dieser kam ins Grübeln. "Ich habe schon mal daran gedacht, für Russland zu spielen", sagte Wolf. Mittlerweile scheint das Thema aber passé zu sein.Und noch einer, den man sich merken könnte: Alexander Merkel, geboren 1992 in Russland, lernte das Kicken beim VfB Stuttgart. Mit 17 Jahren spielt er heute im Jugendteam des AC Mailand - und trägt dort stolz die Nummer 10.Foto: Getty

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Niederländer in RusslandVor kurzem hat Russlands Nationaltrainer Guus Hiddink in einem Interview gesagt, dass er anders als andere im Ausland arbeitende Kollegen bei seinen weltweiten Stationen nie einen ganzen Trainerstab mitgebracht habe und sich so die Integrationszeit immer verkürzt habe. Das ist insofern richtig, als dass an seiner unmittelbaren Seite mit Alexander Borodjuk und Igor Kornejew in der Tat zwei Russen als Assistenten arbeiten.Richtig ist aber auch, dass es im russischen Fußball seit 2006 zu einer wahren "orangenen Revolution" gekommen ist. Bei Zenit St. Petersburg arbeitete bis vor wenigen Wochen Dick Advocaat als Cheftrainer, zunächst assistiert von Cornelius Pot, dann von Bert van Lingen. Der Physiotherapeut der Mannschaft ist Rob Oderlend, der Leiter der Nachwuchsabteilung Arno Pijpers. Überhaupt arbeiten viele Niederländer im Nachwuchsbereich: Jelle Goes verantwortet die Jugendausbildung bei ZSKA Moskau, Niko Labom war bis vor kurzem sein Pendant bei Dynamo Moskau, und die Fußballschule in Toljatti (Togliatti) leiten Louis Coolen und Ronald Vroomans.Und auch Hiddink kam trotz der oben genannten Beteuerung nicht ohne Landsmänner aus: Physiotherapeut Arno Philipps kümmert sich um die verletzten Spieler, in seiner Anfangszeit als Trainer der Sbornaja stand ihm Joop Alberda als Manager zur Seite, und zudem vertraute er bei der Vorbereitung auf die EM 2008 den Fähigkeiten von Fitnesscoach Raymond Verheijen. Der hatte Hiddink schon bei dessen erfolgreichem Engagement in Südkorea (WM-Halbfinale 2002) unterstützt. Damals wie auch sechs Jahre später beim Auftritt der Russen in Österreich und in der Schweiz führte die schier unglaubliche Fitness der jeweiligen Hiddink-Mannschaft zu Dopinggerüchten, die aber stets bestritten wurden und nie bewiesen werden konnten.Foto: AFP

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SpielmanipulationenIm Herbst des vergangenen Jahres schockte eine Meldung die deutschen Fußball-Fans: Das Rückspiel des Uefa-Pokal-Halbfinales zwischen Zenit St. Petersburg und dem FC Bayern (4:0) geriet unter Manipulationsverdacht. Die spanische Justiz hatte Telefonate zwischen russischen Mafia-Bossen mitgehört, in denen diese prahlten, Zenit den Uefa-Pokal-Sieg "für 50 Millionen" gekauft zu haben - und in denen diese sogar getönt haben sollen, das Ergebnis bereits im Vorhinein gekannt zu haben. Der verhafteten Mafiosi Gennadij Petrow war der Anführer einer Gruppe, die aus St. Petersburg stammt und sich "Tambowskaja" nennt.Unabhängig von diesem spektakulären Fall gibt es im russischen Fußball immer wieder Gerüchte, ein Spieler, ein Schiedsrichter oder ein Verein habe ein Ergebnis manipuliert. Vor allem die Teams aus dem Tabellen-Mittelfeld werden verdächtigt, nach dem Motto "Das Heimspiel für mich, das Auswärtsspiel für dich" Partien zu verschieben. Schon des Öfteren sind in den vergangenen Jahren Unparteiische suspendiert worden. In der laufenden Saison sorgte vor allem ein angeblich abgesprochenes Spiel zwischen dem tschetschenischen Hauptstadtverein Terek Grosny und Krylja Samara Sowjetow für Diskussionsstoff. Erst vor kurzem befragte die örtliche Staatsanwaltschaft die Spieler von Samara.Der jüngste Verdacht ist eine Anschuldigung des Besitzers des bulgarischen Klubs Lewski Sofia. Dem fehlten im Derby gegen ZSKA Sofia auf einmal vier Spieler, weil die auf ein angebliches Angebot aus Kasan hin nach Russland geflogen waren - dort aber feststellen mussten, dass Kasan niemals ein Angebot gemacht hatte. Angesprochen auf diesen merkwürdigen Vorgang sagte Lewski-Besitzer Todor Batkow: "Die russische Seite ist interessiert an einer Verfolgung dieses Falls, so wie sie auch interessiert ist an der Verfolgung anderer Ereignisse im August mit russischen Mannschaften. Und vielleicht sind in beiden Fälle ein und dieselben Leute involviert." Batkow spielt damit auf die Nachforschungen der Uefa zu Qualifikationsspielen zur Champions League und zur Europa League an.Foto: dpa

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Lutsch Energija WladiwostokDie Spielzeiten 2006, 2007 und 2008 waren für die Spitzenklubs aus Moskau und St. Petersburg besonders hart. Denn da konnte es schon mal vorkommen, dass sie für die Anreise zu einem Auswärtsspiel knapp 10.000 Kilometer, neun Stunden mit dem Flugzeug und die Durchquerung von sieben Zeitzonen in Kauf nehmen mussten. Denn in diesen beiden Jahren spielte in der russischen Premjer-Liga der am weitesten östlich angesiedelte Verein der Uefa, der jemals in einer ersten nationalen Liga spielte: Lutsch Energija Wladiwostok.Die Reisen dorthin waren für viele Fußballer Qual, wobei sie noch Glück hatten, dass sie nicht mit der abgebildeten und von Moskau nach Wladiwostok führenden Transsibirischen Eisenbahn anreisen mussten. Und so waren die meisten froh, als Lutsch Energija in der Saison 2008 den letzten Platz belegte und damit in die zweite Liga absteigen musste. Lange Reisen gibt es aber immer noch: Denn auch in der zweiten Liga spielen Vereine, die in der Nähe von Moskau beheimatet sind, zum Beispiel Witjas Podolsk.Die Betroffenen aus Moskau und Umgebung könnten die Partien in Wladiwostok ja eigentlich noch unter dem Aspekt Abenteuer verbuchen - während die Spieler von Lutsch Energija jedes zweite Wochenende solch einen Trip auf sich nehmen. Da klingt das oben angesprochene Motto "Das Heimspiel für mich, das Auswärtsspiel für dich" doch fast nachvollziehbar.Foto: ddp

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Russische Spieler im WestenAls Guus Hiddink vor der EM 2008 überprüfen wollte, in welcher Form sich seine Nationalspieler befanden, musste der Niederländer stets den weiten Weg nach Russland antreten. Nach Moskau und St. Petersburg, manchmal sogar nach Kasan an der Wolga. Wladiwostok blieb ihm Gott sei Dank er spart; erstens spielte bei Lutsch Energija kein potentieller Auswahlkicker, zweitens hätte er einen potentiellen Wladiwostoker Auswärtskicker auch bei einem der vielen Gastspiele in Moskau in Augenschein nehmen können.Doch mittlerweile muss Hiddink nicht einmal mehr nach Moskau, St. Peterburg oder Kasan fliegen, um sich von seinen Spielern ein Bild zu machen. Er kann auch nach London fliegen, wo mittlerweile beim FC Arsenal Andrej Arschawin spielt, beim FC Chelsea Jurij Schirkow und bei den Tottenham Hotspurs Roman Pawljutschenko. Oder nach Liverpool, wo beim FC Everton Dinijar Biljaletdinow unter Vertrag steht. Oder nach Stuttgart, wo für den VfB Pawel Pogrebnjak angreift.Viele russische Spieler zieht es derzeit in den Westen. Ob sie sich dort auch durchsetzen können, ist eine andere Frage. Als nach dem Ende der Sowjetunion schon einmal viele Russen ihre heimische Liga verließen und in Westeuropa ihr Glück versuchten, konnten nur wenige von ihnen überzeugen. Der russische Charakter und der westeuropäische Lebens- und Fußballstil vertragen sich nicht immer.Foto: Getty

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Oligarchen in der Premjer-LigaAlle Klubs, die damit liebäugeln, mal so einen richtigen Oligarchen an ihrer Seite zu haben, sollten sich den Namen Wladimir Potanin merken. Der 48-Jährige gilt als extrem leidenschaftlicher Fußballanhänger, tritt aber lediglich über Umwege als Mäzen auf. Er ist Präsident der Oneksimbank, die wiederum ein großes Aktienpaket am Metallproduzenten Norilskij Nickel hält, der wiederum den Klub FK Moskau unterstützt. Doch da wird sich ja wohl noch irgendeine Mannschaft finden lassen, der Potanin ein paar Millionen seiner geschätzten zwei Milliarden Dollar Vermögen (früher mal mehr als 21 Milliarden Dollar) zukommen lassen kann.Damit würde er die Reihe prominenter Oligarchen-Kollegen ergänzen, die mehr und minder offen an einem russischen Fußballklub beteiligt waren oder sind - zum Beispiel Roman Abramowitsch (im Bild) bei ZSKA Moskau und Leonid Fedun bei Spartak Moskau, Alexej Fedorytschew bei Dynamo Moskau und Sulejman Kerimow bei Saturn Ramenskoje. "Es gibt keinen russischen Verein, der nicht einen größeren oder kleineren Oligarch im Hintergrund hat", sagt ein enger Beobachter der Szene. Auch die Nationalelf ist kein oligarchenfreies Terrain, dort mischt Abramowitsch über die sogenannten Nationale Fußball-Akademie mit.Foto: dpa

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Die Moskauer KlubsSpartak Moskau ist längst nicht mehr Spartak Moskau. Eine große Firma (Lukoil) und ein Oligarch (Lenoid Fedun) bilden das finanzielle Rückgrat des Klubs, und es ist nicht recht ersichtlich, wo ein Unterschied liegen soll zu den anderen russischen Klubs, bei denen eine große Firma und/oder ein Oligarch das finanzielle Rückgrat bilden. Und dennoch gilt Spartak Moskau noch immer als Klub des Volkes, als der Verein mit den meisten Zuschauern bei Heimspielen, den meisten Fans und den meisten Mitgliedern.Dieses Etikett hat das 1922 gegründete und zunächst unter anderen Namen spielende Spartak noch zu Zeiten der Sowjetunion bekommen. Denn alle anderen Moskauer Konkurrenten wussten in dieser Zeit die schützende Hand des Staates über sich. Dynamo Moskau war das Hätschelkind von KGB und Innenministerium, ZSKA Moskau hatte die Unterstützung der Armee, und hinter Lokomotive Moskau stand die Eisenbahn. Spartak aber galt als die Mannschaft der Arbeiter und der politischen Freigeister.Die mächtige staatliche Unterstützung für die Rivalen verhinderte aber nicht, dass Spartak in der Sowjetzeit der erfolgreichste Moskauer Klub war: Zwölf Mal wurde Spartak (im Bild der langjährige Spieler Igor Netto als Kapitän der sowjetischen Nationalmannschaft) Meister, Dynamo elf Mal, ZSKA sieben Mal und Lokomotive nie. Auch nach dem Ende der Sowjetunion blieb Spartak das erfolgreichste Team. Seit 1992 wurde Spartak neun Mal Meister, ZSKA drei Mal, Lokomotive zwei Mal und Dynamo nie.Foto: dpa

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Rubin KasanSeit der vergangenen Saison greifen russische Fußballjournalisten für Überschriften ziemlich oft auf eine Redewendung zurück, die im 16. Jahrhundert entstanden ist. "Wsjat Kasan", übersetzt: Kasan einnehmen, sagen die Russen, wenn sie von einer schwierigen Aufgabe sprechen, die nur nach viel Mühe schließlich doch noch vollbracht wird. Entstanden ist diese Redewendung, als es Iwan dem Schrecklichen 1552 gelang, die lange widerspenstigen Tataren und ihre Hauptstadt Kasan dem großen Zarenreich einzuverleiben.So häuften sich im Jahr 2008 Überschriften à la: "Zenit konnte Kasan nicht einnehmen"; "Spartak konnte Kasan nicht einnehmen"; "ZSKA konnte Kasan nicht einnehmen". Denn die Mannschaft aus der Provinz zeigte sich plötzlich von solch einer enormen Qualität, dass sie mit den bis dahin unerreichbar scheinenden Teams aus Moskau und St. Petersburg mithalten konnte. Dank großer finanzieller Unterstützung der lokalen Regierung, neuer Akteure wie Nationalmannschaftskapitän Sergej Semak (im Bild) und eines sehr auf Defensive und Organisation bedachten Spielstils sicherte sich Rubin 2008 unter Trainer Kurban Berdyjew souverän die Meisterschaft.Und während Ende des vergangenen Jahres viele Fußballbeobachter noch dachten, dabei habe es sich um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt, erstaunt die Mannschaft von der Wolga 2009 gleich wieder die Liga: Nach 24 Spieltagen führt sie die Tabelle erneut an. Allerdings war der Vorsprung schon bedeutend größer und zeigte die Formkurve der Elf zuletzt nach unten. Spartak Moskau, Zenit St. Petersburg und ZSKA Moskau liegen nur noch knapp zurück - und können am Ende der Saison vielleicht doch noch sagen: "Wsjat Kasan."Foto: AFP

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Oleg SalenkoEigentlich war Oleg Salenko als Ersatzspieler zur WM 1994 in die USA gereist. Erst als es um nichts mehr ging, bot Russlands Trainer Pawel Sadyrin seinen Spanien-Legionär gegen Kamerun von Beginn an in der Sturmspitze auf - und traute seinen Augen nicht. Salenko brauchte nur eine knappe Stunde, um fünf Treffer zu erzielen. Die ersten drei als Hattrick (16., 41., 45.), die anderen beiden (72., 75.) nach dem zwischenzeitlichen Anschlusstreffer von Kameruns altem Herren Roger Milla.Wie Russland vor Anpfiff bereits ausgeschieden, bot Kameruns Abwehr wahrlich kein Musterbeispiel an erbitterter Gegenwehr. Salenko bedankte sich dennoch - und holte sich den Rekord mit fünf Treffern in einem einzigen WM-Spiel. Weil er gegen Schweden zuvor schon einen Elfmeter verwandelt hatte und während des Turniers nur Bulgariens Hristo Stoitchkow genauso gut traf, wurde Salenko mit sechs Treffern auch noch geteilter Torschützenkönig.Das weckte Begehrlichkeiten. Der russische Stürmer unterschrieb nach der WM einen gutdotierten Vertrag beim FC Valencia, scheiterte jedoch und blieb nur ein Jahr. Seine anschließenden Stationen - Glasgow, Instanbulspor, Cordoba und Stettin - klingen schon eher nach dem, was Salenko schon vor der WM war: ein mittelprächtiger Stürmer. Manchmal reicht jedoch auch Mittelprächtigkeit für einen fulminanten Rekord.Foto: Imago

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Igor BelanowDass ausgerechnet Igor Belanow der erste Fußballer aus der Sowjetunion in Deutschland war, ist eine wahrhaft hinterhältige Note der deutsch-sowjetischen beziehungsweise deutsch-russischen Fußballbeziehungen. Denn Belanow gehörte zu den sowjetischen Fußballern, die nicht geschaffen waren für die fremde Welt. Nur zu Hause in Odessa geht es ihm nach allem, was man hört, gut. Dort führt er mit dem Schwiegervater eine Stahlfirma, als Buchmacher soll er gut verdient, zudem eine Fußballschule geführt haben.Als aktiver Fußballer hatte er sich einen großen Namen erspielt, damals in den achtziger Jahren bei Dynamo Kiew. 1986 gewann der schnelle Angreifer den Europapokal der Pokalsieger mit Kiew, wurde im selben Jahr Europas Fußballer des Jahres und stand 1988 im Finale der EM in München. Gegen die Niederlande verschoss Belanow allerdings beim Stand von 0:1 einen Elfmeter, die Sowjets verloren ihr letztes großes Spiel mit 0:2.Für Belanow sollte es aber erst losgehen mit der großen Karriere. Vor allem mit der großen Geldkarriere. Mit 29 Jahren wechselte er im Oktober 1989 nach Mönchengladbach, wo sich die "BoRussen" (so Plakate bei seiner Begrüßung) auf einen Weltstar freuten. Doch wie gesagt: Er war nicht geschaffen für den Westen. Seine Frau Irina kaufte am ersten Tag 15 Kilo Fleisch ein, weil sie damit rechnete, "dass morgen kein Fleisch angeboten wird". Igor kam nicht zurecht in der Mannschaft, er spielte wenig, schoss kaum Tore. Er hatte darauf bestanden, in US-Dollar bezahlt zu werden, doch die Währung verlor bald an Wert. Er verdiente dennoch immer noch anständig, als er in Düsseldorf beim Ladendiebstahl erwischt wurde. Bald wechselte er nach Braunschweig, stieg mit der Eintracht von der zweiten Liga in die Oberliga ab. 1994 kehrte er in die Ukraine zurück.2004 versuchte Igor Belanow noch einmal sein Glück im westlichen Fußball: Mit Geschäftspartnern aus der Ukraine investierte er fast zwei Millionen Schweizer Franken in den bankrotten Erstligisten FC Will, übernahm die Aktienmehrheit im Klub. Doch es hieß, die Ukrainer benutzten den FC Will zur Geldwäsche, von mafiösen Verstrickungen war die Rede. Kommunalpolitiker riefen den Europarat an, um zu klären, ob das Geld "sauberen Ursprungs" sei. Die Schweizer boykottierten bald den Klub, den sie nun "Dynamo Will" nannten. Bald verschwand Belanow wieder in die Ukraine - das Geld war weg.Foto: Imago

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Lew JaschinFußball oder Eishockey? In Russland ist das eine durchaus brisante Frage. Besonders, wenn man als Torwart in beiden Sportarten so formidabel aufspielte wie Lew Iwanowitsch Jaschin. Lange Jahre hatte er während der Sommermonate Fußball gespielt, wechselte im russischen Winter dann aufs kalte Eis. Erst ein Fußballtrainer musste Jaschin den gefährlichen Kufensport verbieten. Mit der Fußballnationalmannschaft der UdSSR holte er anschließend 1956 Olympiagold, wurde 1960 Europameister. Die richtungsweisende Entscheidung seines Trainers musste Jaschin so nie ernsthaft in Frage stellen.Sie nannten ihn "Schwarze Spinne", wohl wegen seiner unglaublichen Reflexe auf der Torlinie, die er eigentlich nur mit acht Armen hätte tätigen können. Lew Jaschin galt Anfang der sechziger Jahre als bester Torhüter der Welt - und als erster mitspielender Vertreter seiner Zunft überhaupt. Im Spiel unternahm er weite Ausflüge aus seinem Strafraum hinaus, agierte quasi als vierter Verteidiger. Im sonst durchweg starren und disziplinierten Spiel der Russen war es Jaschin, der als einziger moderne Akzente setzte.Zur Legende um den Torhüter gehört auch, dass er vor jedem Spiel eine Zigarette rauchte und einen Wodka kippte - zur Auflockerung seiner Muskeln. Als Jaschin an einem Krebsleiden starb, zogen Zehntausende im Moskauer Lenin-Stadion an seinem offenen Sarg vorbei. Zu diesem Zeitpunkt hatte Jaschin schon annähernd 20 Jahre lang kein Profi-Fußballtor mehr gehütet - doch die Russen haben ihren besten Torhüter nie vergessen.Foto: Imago

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EM-Titel 1960Fußball-Russland lechzt nach Titeln. Spätestens 2012, so heißt es immer wieder, soll die Mannschaft von Guus Hiddink, die dann vielleicht gar nicht mehr die Mannschaft von Guus Hiddink ist, einen Pokal gewinnen. Zu lange schon ist die Sbornaja ohne Gewinn bei einem internationalen Turnier - der letzte datiert aus dem Jahr 1960, als die Sowjetunion Europameister wurde, sofern man das Turnier damals wirklich als Europameisterschaft werten kann. Manche Mannschaften, zum Beispiel die deutsche, sagten ihre Teilnahme ab. Die Begründung von Sepp Herberger: Man wolle bei so etwas keine Zeit verschwenden, es zähle allein die Weltmeisterschaft.Die sowjetische Mannschaft und ihr damaliger Trainer Gawriil Katschalin sahen das Turnier überhaupt nicht als Zeitverschwendung an. Im Achtelfinale setzten sich Lew Jaschin & Co. gegen die kommunistische Bruder-Elf aus Ungarn durch, im Viertelfinale kam sie gegen das vom Faschisten Franco regierte Spanien kampflos weiter, weil der Diktator seiner Elf die Reise zum Auswärtsspiel nach Moskau verbot, obwohl sich die spanische Mannschaft auf dem Weg in die UdSSR bereits am Flughafen in Madrid versammelt hatte.Somit stand die UdSSR in der Endrunde in Frankreich, siegte im Halbfinale 3:0 gegen die Tschechoslowakei und im Endspiel in einer spannenden Partie mit 2:1 nach Verlängerung gegen Jugoslawien. Für die sowjetische Sportpresse war das Finale ein Grund, für etwas Verwirrung sorgen zu können. "Der Montag kam an einem Sonntag", titelte sie - weil der Nachname des Siegtorschützen Wiktor Ponedelnik Montag bedeutet.Foto: dpa

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