Rumble in the Jungle:Als Muhammad Ali seinen Mythos vollendete

Rumble in the Jungle: Ali trifft, Foreman fällt: Die achte Runde des "Rumble in the Jungle" geht in die Geschichte des Sports ein.

Ali trifft, Foreman fällt: Die achte Runde des "Rumble in the Jungle" geht in die Geschichte des Sports ein.

(Foto: UPI Photo/Imago)

30. Oktober 1974, Ali gegen George Foreman in Kinshasa, die ganze Welt schaut zu. Wie der "Rumble in the Jungle" zum Kampf des Jahrhunderts wurde.

Von Dominik Fürst

Wer sich jetzt, nach dem Tod Muhammad Alis, noch einmal vor Augen führen möchte, warum dieser Boxer der Größte war, dem sei der Dokumentarfilm "When We Were Kings" ans Herz gelegt. Der Film entstand 1974 und dokumentiert den "Rumble in the Jungle", den Kampf des Jahrhunderts zwischen Ali und George Foreman. Regisseur Leon Gast sammelte dafür mehr als 400 Stunden Filmmaterial, war danach pleite und musste 20 Jahre auf einen Geldgeber warten. "When We Were Kings" kam schließlich 1996 in die Kinos - ein spätes Glück.

Spätsommer 1974. George Foreman ist 25, Weltmeister und niemand in der Boxwelt glaubt so recht daran, dass es jemanden gibt, der ihn schlagen könnte. Foreman ist böse, schweigsam und kräftig. Seine 40 Profikämpfe hat er alle gewonnen, meistens durch K.o. Den Titel hat er sich gegen Joe Frazier in einem ungleichen Kampf auf Jamaika geholt: Foreman schlug den amtierenden und ungeschlagenen Weltmeister in drei Runden fünfmal zu Boden.

Muhammad Ali ist 32, den Titel hat man ihm 1967 weggenommen, weil er zur Zeit des Vietnamkriegs die Wehrpflicht in den USA verweigerte. Inzwischen boxt Ali seit vier Jahren wieder, aber er hat sich verändert. Er tänzelt nicht mehr, Ali ist älter geworden. "Schweb wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene" - das war der junge Cassius Clay, der 32-jährige Ali muss sich etwas Neues einfallen lassen. Sein Recht auf den Weltmeisterschaftskampf gegen Foreman hat er sich mit Siegen gegen die Ex-Champions Ken Norton und Joe Frazier erarbeitet. Jetzt ist da nur noch der junge Foreman, der wirkt wie ein Ungeheuer. Die Wetten stehen 3:1 gegen Ali.

Foreman zieht sich zurück, Ali geht raus zu den Menschen

Der Kampf findet in Kinshasa, Zaire statt, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Don King, der Box-Promoter mit der lustigen Frisur und einer gar nicht lustigen Hintergrundgeschichte, veranstaltet das Event, das er medienwirksam "Rumble in the Jungle" nennt und das nebenbei Diktator Mobutu Sese Seko als Werbung dient. Die Welt schaut auf Afrika (auch wenn es King in Wahrheit wohl vor allem darum ging, Steuern zu sparen).

Die Wochen vor dem Kampf ziehen sich: Ali und Foreman trainieren schon in Zaire, als sich der Weltmeister beim Sparring einen Cut am Auge zuzieht. Der Kampf muss vom 25. September auf den 30. Oktober verschoben werden, die Kämpfer bleiben. Und Ali nutzt die Zeit, die Menschen in Zaire für sich zu gewinnen. "Wen hassen die Menschen da eigentlich", hat er schon bei seiner Ankunft gefragt. Die Menschen hassen die Kolonialherren aus Belgien. Und George Foreman hat in Zaire, in den Wochen vor dem Kampf, immer einen deutschen Schäferhund bei sich, wie die Belgier.

So verteilen sich die Sympathien: Foreman zieht sich zurück, er redet kaum und wenn er redet, wirkt es ungelenk. Ali redet viel und er redet gut. Er spricht, tanzt und läuft mit den Menschen draußen auf der Straße. "Ali, bomaye": Der Schlachtruf entsteht auf den Straßen von Zaire. "Ali, töte ihn." Sie werden ihn später während des Kampfes rufen, immer wieder: "Ali, töte ihn."

Die Meinung des Publikums ist die eine Sache, die andere ist die der Fachwelt - und die räumt Ali keine guten Chancen ein. Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer, der beim Kampf dabei ist und darüber schreibt, zitiert Archie Moore, den früheren Box-Weltmeister: "Ich betete, und zwar in aller Aufrichtigkeit, dass George Ali nicht umbringen möge. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass eine solche Möglichkeit bestand." Sie trauen Ali kein Wunder mehr zu.

Ali schockt seinen Trainer

Es ist vier Uhr morgens in Zaire, als der Kampf beginnt, die Zuschauer in den USA sollen ihn zur Primetime sehen. Es ist heiß und schwül, als die Kontrahenten den Ring betreten. Foreman: groß und ruhig wie ein Baum. Ali: tänzelnd, geladen, vielleicht nervös. Als der Gong zur ersten Runde ertönt, hüpft Ali tatsächlich aus seiner Ecke, als hätte er sich in all den Jahren nicht verändert. Er trifft Foreman mit einer rechten Geraden. Jubel bei den Zuschauern. Aber so geht es nicht weiter.

Die Dynamik dieses Kampfes wird in den folgenden Runden schmerzhaft deutlich: Ali kann im Zweikampf gegen Foreman in der Mitte des Ringes nichts ausrichten, der Hüne wankt nicht einmal. Also lässt sich Ali zurückfallen, in die Seile, auf die er sich zurücklehnt und wo er sich abfedert, während Foreman immer wieder auf seinen Bauch eintrommelt. Alis Trainer Angelo Dundee ist geschockt, so hatten sie das nicht einstudiert. Raus aus den Seilen! Doch Ali bleibt drin.

Was Dundee nicht ahnt, was niemand ahnt: Ali weiß, wie er diesen Kampf gewinnen kann. Er will, dass Foreman müde wird. Und wenn er dafür noch so viele Schläge einstecken muss. Jan Philipp Reemtsma beschreibt die Taktik in seinem Buch über den Stil von Ali so: "Man würde sehen, wie lange es dauern würde, bis die Anstrengung, auf einen Menschen einzuschlagen, der nicht tut, weshalb man auf ihn einschlägt, nämlich umfallen, die Schläge Muhammad Alis an Foremans Kopf, die Hitze der Zairer Nacht und, nicht zuletzt, die mit allem verbundene Frustration George Foreman in eine Verfassung gebracht haben würden, in der eine der Kombinationen einen K.o. zur Folge haben müsste."

Als Foreman fällt, sieht es aus wie einstudiert

Es muss alles zusammenkommen: die Hitze, die Frustration, die Müdigkeit Foremans. Die fünfte Runde ist die heftigste für Ali, Foreman will den Kampf beenden, er will seinen Gegner auf dem Ringboden haben. Weil Ali aber nicht fällt, prügelt Foreman sich müde. "Is that all you got, George?" Ali hat noch Luft zum Reden, er provoziert Foreman, indem er ihn immer wieder fragt: "Ist das alles, was du draufhast?"

Die achte Runde. Foreman wankt schon, aber Ali lässt ihn toben, zieht sich wieder in die Seile zurück. Foreman schlägt jetzt langsamer, Ali wartet ab, klammert. Foremans Schläge treffen kaum noch, Ali hält den Kopf des Gegners auf Abstand - und redet auf ihn ein. Es sind noch dreißig Sekunden auf der Uhr, als Ali zuschlägt. Zwei schnelle Rechte auf den Kopf von Foreman, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Foreman weicht zurück und Ali greift an. Er schlägt zwei Kombinationen: links, rechts, links, rechts.

Es sieht aus wie eine Choreografie: Foreman, der sich noch versucht, irgendwie auf den Beinen zu halten. Ali, der noch einmal zuschlagen könnte, es aber nicht tut, weil er schon weiß: Das hat genügt. Foreman fällt in einer kreiselnden Bewegung, Ali schiebt seinen Oberkörper wie ein Tanzpartner synchron hinterher. Er sieht dem Riesen beim Fallen zu. Foreman ist am Boden. Dann zählt der Ringrichter bis zehn, das Publikum bricht in Freudenschreie aus und Ali reißt die Hände nach oben.

In dieser Nacht vollendete Ali, das Großmaul, der Poet, der Champion, seinen Mythos. Der Größte war er schon vorher, das hatte er ja selber oft genug gesagt. Doch diesmal hatten sie ihn abgeschrieben, die Sache wirkte aussichtslos, und Ali zeigte es noch einmal allen. Kein Drehbuchschreiber der Welt hätte den "Rumble in the Jungle" so orchestrieren können. George Foreman erholte sich nie so richtig davon: Zwei Jahre lang bestritt er keine Profikämpfe mehr, und als er schließlich zurückkam, war er nicht mehr der Alte.

Foreman fand später ins Leben zurück, erfand sich noch einmal neu, wurde 20 Jahre nach dem Rumble nochmal Weltmeister, später Autor und Unternehmer. Und schließlich sah er ein, dass er Teil von etwas Großem war, auch wenn er den Kampf des Jahrhunderts verloren hatte. Zum Tod seines großen Kontrahenten schrieb er jetzt: "Ali besiegte mich mit seiner Schönheit, ich liebte ihn."

Lesen Sie außerdem diese Seite Drei über den "Rumble in the Jungle" von Holger Gertz mit SZ Plus:

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