Rugby-Turnier in München:Südsee unterm Zeltdach

160811 RIO DE JANEIRO Aug 11 2016 Vatemo Ravouvou of Fiji L competes during the men s r

Gejagt: Das Fidschi-Team (links Vatemo Ravouvou) ist führend im Siebener-Rugby. Hier gewann es gegen Großbritannien das Olympiafinale von Rio.

(Foto: imago/Xinhua)

Zum Siebener-Turnier im Rugby kommen die Top-Nationen nun nach München. Darunter ist auch Olympiasieger Fidschi - Gastgeber Deutschland hofft auf einen weiteren Schub.

Von Barbara Klimke

Von den Reisen nach Fidschi ist Carlos Soteras-Merz aus Pforzheim Vieles in Erinnerung geblieben - aber eben auch dieser Sieben-Dollar-Schein. Damit würdigte der Pazifikstaat die erste Olympia-Goldmedaille der Geschichte, die das Siebener-Rugbyteam der kleinen Inselnation in Rio vermachte. Auf der Vorderseite ist der Kapitän des Landes, Osea Kolinisau, abgebildet, auf der Rückseite die ruhmreiche Mannschaft, und jeder Fidschijaner, der etwas von Rugby versteht - also die gesamte Nation -, ist ein bisschen stolz auf den Sieben-Dollar-Einfall, den die Notenbank Fidschis hatte.

"Der Level, auf dem sich Rugby dort bewegt, ist verrückt", berichtet Carlos Soteras-Merz, 26 Jahre alt und deutscher Nationalspieler. Er erzählt von Dorfplätzen, auf denen sich Kinder den Ball abjagen; vom Nationalfeiertag, der zu Ehren der Volkshelden festgelegt wurde; und er schildert Technik, Taktik und Traumpässe unter Palmen in bunten Farben, als handle es sich um ein Gauguin-Südseegemälde mit Rugby-Ei. Die Tests gegen Klub- und Regionalauswahlen hat die deutsche Mannschaft zwar alle verloren, "obwohl wir ganz gut gespielt haben", erinnert sich Soteras-Merz. Aber es gibt bitterere Niederlagen als solche gegen die weltbeste Nation.

Denn die Auswahl des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) spielt nicht in einer Liga mit Fidschi. Sie war weder für Olympia qualifiziert, noch tritt sie in der World Series an, dem höchstklassigen Wettbewerb im Siebener-Rugby mit zehn Prestigeturnieren von Las Vegas bis Hongkong. Und dennoch ist es den Veranstaltern eines Einladungsturniers in München gelungen, fast die komplette Weltelite - einschließlich Fidschi - nach Deutschland zu lotsen. Der Trick bestand darin, ähnlich wie die Pazifiknation, den Exotik-Faktor zu nutzen. Denn was für die Vermarktung der Südsee-Sehnsucht blaue Lagunen sind, das sind für Süddeutschland Lederhosen und Bäche von Bier.

Das Nationen-Turnier am Freitag und Sonntag unterm Zeltdach im Olympiapark wurde also terminlich und terminologisch mit bayerischem Brauchtum verbunden, und prompt reisten zum Oktoberfest-Sevens zwölf Teams an, darunter der aktuelle Weltserien-Sieger Südafrika, der Zweitplatzierte England, Frankreich und Argentinien. Oktoberfest? Das war nicht jedem Fidschi-Nationalspieler bekannt. Aber in Sydney ist es ein Begriff, wie die Australier gut gelaunt bestätigten, als ihnen bei der Begrüßung am Flughafen Lebkuchenherzen um den Hals baumelten.

Die Weltserien-Teams nutzen den Wettbewerb, um die Wirkung ihrer Tacklings vor dem Saisonbeginn im November zu testen. Die deutsche Mannschaft, glaubt Soteras-Merz, wird aber nicht gleich untergebuttert werden: "Als Verlierer vorab sehe ich uns nicht." Zwar muss sein Team gegen Argentinien und England antreten, aber den dritten Gruppengegner Uganda hat die DRV-Auswahl schon geschlagen. Ohnehin, sagt Mannschaftskapitän Samuel Rainger, liege ein Reiz darin, dass sich dieser Sport in Deutschland mal wieder vor großem Publikum zeigen kann.

Seit der Sport olympisch ist, gibt es Fördergelder - und auch hierzulande einen Aufschwung

Das Oktoberfest-Turnier ist das größte seit Jahren in einem Land, das bislang unverdächtig ist, einen Geldschein mit dem Rugbyball zu bedrucken. Dass jetzt ausgerechnet die Siebener-Variante, gewissermaßen die Light-Version des Fünfzehn-Mann-Rugbys, eine solche Plattform erhält, hat viel mit der Aufnahme ins Olympiaprogramm von Rio 2016 zu tun. "Das klassische Rugby hatte den Nachteil, dass schon die Kadergröße das olympische Format gesprengt hätte", erklärt Volker Himmer, Geschäftsführer des DRV. Zudem handele es sich dabei um "ein Kollisions- und Kontaktspiel", was längere Erholungszeiten nach jeder Partie erfordere, eine normale Rugby-WM erstreckt sich deshalb über fünf bis sechs Wochen. Beim Siebener-Rugby hingegen wird nur zweimal sieben Minuten gespielt; an einem langen Nachmittag kann ein Team deshalb durch drei Matches sprinten. Ein großes Turnier wie das in München ist in zwei Tagen vorbei - es ist ein schnelles Format, das dem IOC gefiel und in dem auch die kleinen Nationen wie Fidschi brillieren können.

Auch das deutsche Siebener-Rugby hat einen erstaunlichen Aufschwung genommen, seit sich der DRV als olympischer Verband bezeichnen darf und öffentliche Fördergelder bezieht, in diesem Jahr knapp 300 000 Euro. Erst 2011 gelang der Aufstieg in die höchste europäische Spielklasse: Seitdem ist das Nationalteam im Halbfinale der Olympia-Qualifikation gescheitert und hat zwei Mal, ebenfalls nur knapp, beim Turnier in Hongkong die Aufnahme in die World Series verpasst. "Die besser platzierten Teams haben alle Profistrukturen", sagt Carlos Soteras-Merz: "Aber wir nehmen für uns in Anspruch, die besten Amateure der Welt zu sein."

Soteras-Merz, der Immobilien-Wirtschaft studierte, kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als er für die Verpflegung bei Turnieren selbst zu sorgen hatte und sich die Spieler an den Trikots beteiligen mussten. Erst ein paar Jahre sei das her. Siebener-Rugby war immer nur eine Sommersportvariante, eine reine Turnierdisziplin, es gab keinen geordneten Ligabetrieb wie beim klassischen Fünfzehner-Format.

Inzwischen findet an den Stützpunkten Heidelberg und Hannover tägliches Training statt, das Siebener-Nationalteam setzt sich aus Sportsoldaten und Studenten zusammen. Und ansonsten führen die Auswahlspieler ein Leben aus dem Koffer: In den Wintermonaten, nach dem Oktoberfest-Spektakel, stehen noch Turniere oder Trainingslager in Kenia, Dubai, Südamerika und Portugal an. Nichts aber verdeutlicht den rasanten Bedeutungszuwachs der Rugby-Light-Version besser als folgende Nachricht: Der DRV hat seit Kurzem sogar einen Nationaltrainer, den Südafrikaner Vuyolwetu Zangqa. Früher, heißt es im Verband, konnte man immer nur Honorarkräfte verpflichten.

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