Rugby in Deutschland:Olympia und die starken Männer

Lesezeit: 4 min

Nationalspieler Arthur Zeiler (mit Ball) wird von den Portugiesen Julien Bardy (links) und Vasco Uva beim Länderspiel Ende Februar in die Zange genommen. (Foto: dpa)
  • Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft spielt mittlerweile in der zweithöchsten europäischen Liga, ihre erste WM-Teilnahme verpasste das Team vor kurzem denkbar knapp.
  • Seitdem klar ist, dass Rugby ab 2016 olympische Sportart ist, wird der Sport auch in Deutschland gefördert, die Strukturen werden professioneller.
  • Am Samstag will die deutsche Mannschaft im Heimspiel gegen Rumänien eine Überraschung schaffen.

Von Korbinian Eisenberger

Deutschland gegen Rumänien. Es gibt Rasensportarten, da wäre diese Begegnung eine klare Angelegenheit - für die deutsche Nationalmannschaft. Doch wenn der Teambus der Rumänen an diesem Samstag im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark vorfährt, dann sind die Männer mit dem Bundesadler auf der Brust krasser Außenseiter. Der Ball wird dann nicht von Füßen getreten, zumindest nicht nur. In Heidelberg wird dann Rugby gespielt. Dass die 15 besten deutschen Spieler in dieser Sportart mittlerweile einen Hochkaräter wie den Weltranglisten-15. in einem Pflichtspiel fordern, liegt daran, dass deutsches Rugby seit kurzem auf dem Vormarsch ist. Der Nationalmannschaft gelang kürzlich der sportliche Aufstieg in Europas zweitstärkste Liga.

Zu Heimspielen tritt die deutsche Mannschaft mittlerweile vor einer Zuschauerkulisse an, die für deutsche Verhältnisse durchaus beachtlich ist. 3000 Rugby-Fans erwartet Heidelberg am Samstag gegen den Tabellenzweiten der zweitstärksten Liga hinter der geschlossenen Köngisklasse Six-Nations. Mit auflaufen wird am Samstag auch ein Mann, der früher vor Hundertschaften, im Verein aber meist vor mehreren Zehntausenden Ball und Gegner hinterherjagte. Jahrelang kämpfte sich Robert Mohr als bundesweit einziger deutscher Profi durch Europas Rugby-Stadien und verdiente sein Geld damit, ovale Bälle abzufangen.

15 Jahre spielte der Zweite-Reihe-Stürmer bei mehreren Vereinen in Frankreich, davon ein Jahrzehnt beim Spitzenclub La Rochelle. Auf bis zu 16 000 Euro Monatsgehalt kommen Profis in der französischen Liga. Fußballer würden sich dafür wohl nicht mal die Schnürsenkel zubinden, und dennoch lässt sich davon freilich gut leben. Jetzt, wo Mohr seine Karriere in der Nationalmannschaft ausklingen lässt, haben andere deutsche Rugbyspieler den Sprung ins Profigeschäft geschafft. "Wir können jetzt unter professionellen Bedingungen arbeiten", sagt Bundestrainer Kobus Potgieter.

2016 ist Rugby wieder olympisch - die Sache hat allerdings einen Haken

Seitdem Rugby vom internationalen olympischen Komitee IOC in das Programm für die Spiele 2016 in Rio de Janeiro berufen wurde, wird der Sport vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) finanziell unterstützt. Ein Teil der Nationalspieler wird von der Bundeswehr als Sportsoldaten gefördert, die Nationalmannschaft darf jetzt für ihr Training die Olympiastützpunkte nutzen. Der Haken: Nicht Potgieters 15er-Nationalteam, sondern nur die 7er-Mannschaft, die derzeit um die Olympiateilnahme kämpft, wird dabei gefördert. "Das ist ganz klar getrennt", sagt Mohr, "aber das ist auch gut so". Zumal jene Mannen, die zu fünfzehnt aufs Feld gehen, bereits einen anderen Geldgeber gefunden haben.

Von Olympia profitiert das 15er-Team eher indirekt. Zu unterschätzen ist dies freilich nicht, da Rugby im Hinblick auf die Spiele von Rio weiter in den Fokus der Öffentlichkeit rücken könnte. Garantiert ist dies widerrum nicht. Rugby wäre nicht die erste Sportart, die mit der Heimreise der Olympioniken wieder in der Versenkung verschwindet.

Unabhänig davon kann die 15er-Nationalmannschaft bereits jetzt mehr Geld für Trainer und Sportstätten ausgeben als noch vor wenigen Jahren. Dies verdanken Mohr und seine Teamkollegen nicht dem IOC, sondern der Stiftung "Wild-Rugby-Akademie" und einem Sponsor. 15 Sportlehrer setzen sich seit mehreren Jahren dafür ein, Rugby an den Schulen zu etablieren. Im September erhöhten die Stiftung und der Sponsor noch einmal das Budget, sodass noch mehr Mittel für Trainingsplätze, Ausrüstung und Wettkampfreisen bereit stehen.

"Das zusätzliche Geld ist mit Sicherheit der Hauptgrund, dass wir zuletzt so erfolgreich waren", sagt Bundestrainer Potgieter. Die Qualität des Kaders habe sich zuletzt erheblich verbessert. "Entscheidend ist, dass ich jetzt ein größeres Spielerpool habe als noch vor ein paar Jahren", sagt er. Und dennoch: Ausfälle wie die von Christian Hilsenbeck, Damien Tusac oder Paul Bosch - die drei Frankreich-Legionäre bekamen von ihren Vereinen für Samstag keine Freigabe - könne er derzeit noch nicht kompensieren. "Daran werden wir in den nächsten Jahren arbeiten", sagt Potgieter, der das Team seit acht Jahren betreut, und 2012 zum Cheftrainer berufen wurde.

An Alternativemn mangelt es dem Südafrikaner fürwahr, etwa auf der Position von Zweite-Reihe-Stürmer Mohr. Weil sich bis dato kein Ersatzmann gefunden hat, steht der 36-Jährige am Samstag gegen die Rumänen einmal mehr im Aufgebot. "Wenn jemand meine Position spielen könnte hätte ich schon längst aufgehört", sagt Mohr. Seine Profikarriere in Frankreich hat er bereits 2012 beendet, Mohr hält sich seitdem bei Hannover 78 fit. "In den entscheidenden Spielen letztes Jahr war er wieder sehr wichtig für uns", sagt Potgieter.

Als erster der dritten Liga B1 stieg Potgieters Team vor einem Jahr in die A1 auf und trat im Frühjahr gegen Weltklasseteams wie Georgien oder Russland an. In der zweithöchsten europäischen Nationalmannschafts-Liga, einer Art Europa League des Rugbys, kämpften Mohr und seine Teamkameraden bisher jedoch vergeblich um Punkte.

Zum Niveau der Rugby-Champions League, dem Six-Nations-Turnier, das Europas Top-Teams derzeit untereinander austragen, fehlt noch immer ein ganzes Stück. In Liga zwei wartet der 28. der Weltrangliste des Weltverbands World Rugby noch immer auf seinen ersten Sieg. Zuletzt gegen Portugal, "da waren wir ganz nah dran", sagt Mohr. Am Ende fehlten lediglich neun Punkte zum Sieg - beim Rugby ist das in etwa so wie ein Tor beim Fußball.

In Heidelberg dürfte es an diesem Samstag kaum einfacher werden. "Wir werden alles daran setzen, den Rumänen bis zum Schluss Paroli zu bieten", sagt Mohr. Es ist die letzte Chance in diesem Jahr, vor den eigenen Fans Punkte zu holen. Das nächste Heimspiel steht erst wieder im Frühjahr 2016 an. Wegen der verschiedenen Wettbewerbe in den beiden Klassen, dem 7er und 15er Rugby bleibt den Nationalmannschaften lediglich ein Zeitfenster von zwei Monaten pro Jahr, um sich in ihren Ligen zu messen.

Nach der Hinrunde legt die Nationalmannschaft eine zehnmonatige Spielpause ein

Ende März wartet mit Spanien der fünfte und vorerst letzte Gegner auf die deutsche 15er-Nationalmannschaft. Die Rückspiele trägt das Sextett fast ein ganzes Jahr später aus. Die besten zwei qualifizieren sich dann für die Weltmeisterschaft und messen sich mit internationalen Größen wie Neuseeland oder England. Ambitionen wie diese habe sein Team freilich nicht, sagt Mohr. "Für uns geht es um den Klassenerhalt", sagt er. Der fünfte Rang würde dafür reichen - ein Sieg gegen Rumänien, oder beim Weltranglisten-21. Spanien wäre für den Tabellenletzten durchaus hilfreich.

Wozu das Team um Frankreich-Legionäre wie Hilsenbeck von US Colomiers oder Paul Bosch (Montpellier) in der Lage ist, zeigten sie vergangenes Jahr, als sie Russland im entscheidenden Spiel für die WM-Qualifikation (der Erste der dritten Liga nimmt an den Qualifikationsspielen teil) am Rande einer Niederlage hatten. Am Ende fehlte dann lediglich die Kraft, um den Vorsprung über die Zeit zu retten - zur Weltmeisterschaft im Herbst in England fahren einmal mehr andere.

"Irgendwann", sagt Mohr, "werden wir da auch dabei sein". Um sich direkt für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren, muss Deutschland Teams wie Russland oder Georgien hinter sich lassen. 2019 bei der WM in Japan wäre die nächste Chance. Mit über 40 sagt Mohr, "da habe ich schon längst aufgehört." Spätestens bis dahin sollte Deutschland einen neuen Zweite-Reihe-Stürmer gefunden haben.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: